Depression - zwischen Lebensgefühl und Krankheit

Depression - zwischen Lebensgefühl und Krankheit

von: Stephan Hau, Heinrich Deserno

Vandenhoeck & Ruprecht, 2005

ISBN: 9783525451632

Sprache: Deutsch

255 Seiten, Download: 1648 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Depression - zwischen Lebensgefühl und Krankheit



Tomas Plänkers

Manische Abwehrformen gegen Depression (S. 77-78)

Die Auseinandersetzung mit den klinischen Begriffen der Manie, der Depression sowie der psychischen Abwehr reiht sich ein in die Untersuchung psychoanalytischer Konzepte, die für den klinisch arbeitenden Psychoanalytiker ein entscheidendes Werkzeug darstellen. Psychoanalytische Konzeptforschung untersucht die historische Entwicklung psychoanalytischer Konzepte, deren Verwendung von verschiedenen Psychoanalytikern sowie die Beziehung zu den klinischen Daten, die in das jeweilige Konzept eingehen. Allgemein interessiert der Zusammenhang zwischen klinischer Erfahrung und Konzeptbildung, deduktiv wie induktiv.

Die ideengeschichtliche Entwicklung lässt gut nachvollziehen, wie ausgehend von einem ausgefeilten phänomenologischen Ansatz eine psychodynamische Perspektive entstand, die den manischen Zustand als Resultat eines inneren Beziehungsgeschehens verstand: bei Freud zunächst noch innerhalb seines Instanzenmodells von Ich, Es und Über-Ich, dann später im Rahmen der so genannten Objektbeziehungspsychologie in Richtung eines Verständnisses der manischen Abwehr im Kontext primitiver Abwehrmechanismen, die stets die Trennung von Subjekt und Objekt in Frage stellen. Beispielhaft für diese historische Abfolge, die natürlich wesentlich mehr psychoanalytische Autoren umfasst, führe ich hier im Sinn von Wegmarken die drei Namen von Kraepelin, Freud und Melanie Klein an. Von Kraepelin stammt der Begriff des »manisch-depressiven Irreseins«, auch als Zyklothymie bezeichnet, Freud sprach von der Manie als einem Tyrannenmord und Melanie Klein lokalisierte die Manie innerhalb primitiver Abwehrmechanismen.

Neben der Klärung dieser theoretischen Begrifflichkeiten werde ich versuchen, diese Begriffe anhand einer von mir behandelten Patientin anschaulich zu machen. Die Psychiatrie unterscheidet zwischen endogenen und exogenen Psychosen, das heißt zwischen erblich bedingten und erworbenen Geisteserkrankungen, wobei bei den endogenen Psychosen die Unterteilung in Schizophrenie und Zyklothymie vorgenommen wird. Das manisch-depressive Irresein wird hier als eine erblich bedingte affektive Störung aufgefasst. Der Begriff der Manie, der aus dem Griechischen kommt und dort für eine Reihe von erregten und wahnhaften Zuständen verwendet wurde, taucht allerdings in diesem nosologischen Schema nicht als eine singuläre Krankheitseinheit auf, sondern wurde bereits im 19. Jahrhundert in ihrem engen Zusammenhang mit depressiven Zuständen oder – wie auch gesagt wird – mit melancholischen Zuständen beobachtet. Kraepelin beschrieb diese Erkrankung als abnorme Verstimmung, in der entweder nur einer der beiden Zustände vorherrscht – dann sprach man von einem unipolaren Verlauf – oder ein phasischer Wechsel zwischen beiden, das heißt ein bipolarer Verlauf.

Während der depressiven Phase sind dann die bekannten Merkmale schwerer Depressivität feststellbar wie versteinerte Affektivität, ständige Besorgnis, eine starke Herabsetzung des Selbstwertgefühls, sich wertlos fühlen oder voller Schuldgefühle sein, sozialer Rückzug, Antriebsstörung, Interesselosigkeit, sexuelles Desinteresse, Schlafstörungen und nicht zuletzt ein sehr hohes Selbstmordrisiko. Während der manischen Phase herrscht dagegen eine unangemessen gehobene Stimmung vor, eine allgemeine Hyperaktivität. In ihrem Denken, Reden und Handeln sind die Patienten ausgesprochen sprunghaft und gedrängt. Sie sind leicht ablenkbar, überschätzen sich selbst und zeigen Zeichen einer allgemeinen Enthemmung. Auch die manischen Patienten leiden unter Schlafstörungen, aber im Unterschied zu den Depressiven, die klagen, nicht schlafen zu können, behauptet der Maniker, keinen oder nur wenig Schlaf zu brauchen.

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