Energieautonomie - Eine neue Politik für erneuerbare Energien

Energieautonomie - Eine neue Politik für erneuerbare Energien

von: Hermann Scheer

Verlag Antje Kunstmann - deaktiviert, 2005

ISBN: 9783888973901

Sprache: Deutsch

321 Seiten, Download: 1288 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Energieautonomie - Eine neue Politik für erneuerbare Energien



I Sonne oder Atom Der Grundkonflikt des 21. Jahrhunderts (S. 37-38)

Eine Prognose ist schon jetzt gesichert: Erneuerbare Energien werden eines Tages die einzigen sein, mit denen die Menschen ihre Energiebedürfnisse befriedigen. Wegen der physischen, ökologischen, wirtschaftlichen und damit sozialen Grenzen atomarer und fossiler Energienutzung wird letztlich niemand mehr an dieser Lösung vorbeikommen, und sei es als letzte verbleibende Wahlmöglichkeit. Die höchst spannungsgeladene Frage ist allerdings, ob dieser Umbruch der Energieplattform noch rechtzeitig genug gelingt, dass der Welt irreversible ökologische Verwerfungen und politische und wirtschaftliche Katastrophen erspart bleiben.

Wie weit wir davon entfernt sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen, zeigt die reale Entwicklung seit den 70er Jahren. Vor dem Ausbruch der Weltölkrise 1973lag der Weltenergieverbrauch, gemäß den statistischen Angaben der Internationalen Energie-Agentur, bei 6034 Millionen t ROE (Rohöleinheiten). 2002 waren es 10213 Millionen t – eine Steigerung um 69 Prozent, also um mehr als zwei Drittel. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist in diesem Zeitraum mit knapp 14 Prozent konstant geblieben. Tatsächlich ist ihr Anteil deutlich geringer. Er bestand 1971 zu 85 Prozent und 2002 zu 80 Prozent aus Biomasse – und dieser liegt in Entwicklungsländern großenteils ein Raubbau an der örtlichen Vegetation zugrunde, ohne Neuanpflanzungen, weshalb der Begriff »erneuerbar« dafür irreführend ist. Der Anteil der Atomenergie wuchs dagegen in diesen drei Jahrzehnten von 0,5 auf 6,8 Prozent des statistisch erfassten Weltenergieverbrauchs. Er wäre noch deutlich höher,wenn es nicht den Einbruch gegeben hätte, den öffentliche Protestbewegungen gegen die Atomenergie, Volksentscheide, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, der Zerfall des Ostblocks und auch die zwischenzeitlich erfolgte (Teil-)Liberalisierung der Stromversorgung erwirkten.

Einwände, dass in diesen Jahrzehnten die Technik zur Nutzung erneuerbarer Energien noch nicht weit genug entwickelt gewesen sei, sind fadenscheinig.Das belegen schon die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der OECD-Länder im Rahmen der Energieforschung für erneuerbare Energien, die seit drei Jahrzehnten bei etwa acht Prozent der Energieforschungsmittel liegen. Die für die Atomforschung liegen dagegen im Durchschnitt der OECD-Länder bei 51 Prozent. Diese Zahlenverhältnisse würden noch deutlicher zugunsten der Atomenergie und zu Lasten der erneuerbaren Energien ausfallen, wenn in die von der IEA erstellte Statistik auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der EU-Kommission und hier insbesondere die Mittel für die EURATOM-Behörde sowie die nicht veröffentlichten Ausgaben Frankreichs einbezogen wären. Über Forschung und Entwicklung hinausgehende praktische Markteinführungsprogramme wurden nur vereinzelt aufgelegt. Brasilien startete Ende der 80er Jahre sein Bioalkohol-Programm für Kraftstoffe. Fahrzeuge wurden eingeführt, die über 90 Prozent ihres Benzinbedarfs mit Bioalkohol decken können. Schon zwischen 1983 und 1987 wurde mehr Bioalkohol in brasilianische Autos eingesetzt als Benzin; die Produktion von Bioalkohol war von etwa zwei Mio. t im Jahr 1980 auf 12Mio. t im Jahr 1986 angestiegen. Doch dann stagnierte die Entwicklung lange, weil die weltweit gesunkenen Ölpreise die Motivation wieder dämpften, während gleichzeitig die Zahl der Automobile massiv anstieg – sodass der Benzinverbrauch bereits in den 90er Jahren wieder weit über dem Bioalkoholverbrauch lag. Das brasilianische Programm fand nicht einmal in den Ländern Nachahmer, die über ähnlich günstige Anbaumöglichkeiten für Zuckerrohr verfügen.

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