Ratgeber Trauer

Ratgeber Trauer

von: Hansjörg Znoj

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2005

ISBN: 9783840917806

Sprache: Deutsch

102 Seiten, Download: 618 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Ratgeber Trauer



4 Behandlung und therapeutische Unterstützung (S. 50-51)

Die Therapie der Trauer richtet sich an Personen, die ihre Trauer als unerträglich erleben oder die sich wegen anderer Probleme an einen Psychotherapeuten gewandt haben und während der Behandlung realisieren, dass ihre Probleme zumindest teilweise mit einer bisher unverarbeiteten Trauer zu tun haben.

Die spezifischen Faktoren in der Begleitung Trauernder können unter dem Begriff der „Trauerarbeit" subsummiert werden. Auch wenn viele Autoren aktuell eine Aufgaben orientierte Sicht der Trauerarbeit vertreten (Worden, 1986), so steht doch die emotionale Verarbeitung des Ereignisses im Vordergrund.

Worden unterscheidet vier Aufgaben:

1. Die Wirklichkeit des Verlustes zu akzeptieren. Viele Trauernde haben Mühe, die Realität des Todes des geliebten Menschen zu akzeptieren; die Wirklichkeit erscheint wie ein schlechter Traum, aus dem man entfliehen möchte. Oft setzt eine Art Suche nach der verstorbenen Person ein, die mit Sinnestäuschungen einhergehen kann. So berichten Trauernde, dass sie die Stimme der verstorbenen Person hören, oder sie in einer Menschenmenge wieder zu erkennen glauben. Den Verlust richtig zu akzeptieren kann ein Vorgang sein, der mehrere Monate dauern kann.

2. Den Schmerz des Verlustes erfahren und verarbeiten. Eine emotional nicht gefühlte Trauer kann sich somatisch in Symptomen äußern oder der emotionale Schmerz setzt als verzögerte Trauerreaktion erst später, Wochen oder Monate nach dem Verlust ein. Das Ausmaß an emotionalen Schmerzreaktionen wie sich traurig, ärgerlich, schuldig, ängstlich oder extrem einsam fühlen ist dabei weniger entscheidend für eine gute Verarbeitung als allgemein angenommen, da die Intensität der Trauerreaktion durch viele Faktoren beeinflusst wird. Der Schmerz kann jedoch so schwer sein, dass bestehende medizinische oder psychologische Probleme sich verstärken. Hier ist es therapeutisch sinnvoll, den erlebten Schmerz zu dosieren und Patienten zu ermöglichen, den Schmerz zu kontrollieren.

3. Sich einer Umgebung anpassen zu lernen, in der die verstorbene Person fehlt. Es kann Monate dauern, bis alle Facetten des Verlustes realisiert werden. Die wachsende Wahrnehmung des Verlustes ist ein Grund für die lange Zeit, die es braucht, den Tod einer nahe stehenden Person zu verarbeiten. Dabei geht es um eine Anpassung an neue Lebensumstände (external), an die Anpassung an neue Rollen und einen neuen sozialen Status, sowie Anpassungen, die das Selbstwertgefühl, das Gefühl der Selbstwirksamkeit betreffen (internal) sowie um eine Anpassung des „belief systems" – Glaubensfragen und die eigene Weltsicht (spirituell).

4. Die Beziehung zur verstorbenen Person neu definieren. Die verstorbene Person muss nicht aus dem Leben gelöscht werden, aber die Beziehung soll in einer Weise gestaltet werden, die das Weiterleben gestattet. So sollen neue, auch intime Beziehungen möglich werden, wenn der Ehepartner verstorben ist. Inwieweit die Bindungen ganz aufgelöst („moderne" Auffassung) oder ganz beibehalten („romantische" Auffassung) werden, muss der oder die Trauernde selbst herausfinden. Wichtig ist, den Tod der geliebten Person zu akzeptieren. Es müssen tolerierbare Wege gefunden werden, wie die verstorbene Person erinnert werden kann. Bei einer posttraumatischen Reaktion kann es vorkommen, dass es den Überlebenden nicht möglich ist, sich ohne Retraumatisierung an die Person zu erinnern. Daher ist es ein wichtiges therapeutisches Ziel, Erinnerungen an frühere Zeiten zu ermöglichen. Dies gilt vor allem auch für Überlebende von Gewaltverbrechen oder von Terroranschlägen.

Neben der emotionalen Verarbeitung gehört vor allem die Neuorientierung des eigenen Lebens ohne den verstorbenen Angehörigen zu den zentralen Aufgaben trauernder Personen. Das Oszillieren zwischen Trauer und entsprechender Gefühlslagen und das – unter Umständen allzu optimistisch erscheinende – Aufkommen von neuen Perspektiven ist dem Außenstehenden oft nicht nachvollziehbar. Das scheinbar Unberechenbare der Trauerreaktion trägt zum Rückzug des sozialen Umfeldes bei. Für das therapeutische Arbeiten stellt die Kenntnis dieser Reaktionen jedoch die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten mit Trauernden dar.

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