Wie wir leben werden

Wie wir leben werden

von: Matthias Horx

Campus Verlag, 2005

ISBN: 9783593377773

Sprache: Deutsch

400 Seiten, Download: 1693 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Wie wir leben werden



Liebe (S. 83-84)

Werden wir alle Singles? • Wird Liebe immer romantischer – oder immer rationeller? • Werden »Lebensabschnittspartner « die Zukunft bestimmen?

»Wenn wir sowieso zusammenbleiben«, sagte eines Tages meine Freundin, »warum können wir dann nicht auch gleich heiraten?« »Wen sollen wir heiraten?«, fragte ich etwas verwirrt zurück. Frank Goosen
Während andere Götter ihre bestimmende Macht einbüßen, scheint der Gott der Liebe der einzige Gott zu sein, dem der moderne Mensch sein Recht auf Selbstbestimmung bereitwillig abtritt.
Karl Otto Hondrich
Alya – 2035
Vom Flughafen nahm Alya den MagLev in die golden glitzernde Stadt. Die Tax- Pods waren in letzter Zeit unsicher geworden,man munkelte von Entführungen und noch schlimmeren Dingen.

Es war schon nach Mitternacht, als sie mit dem Aufzug, einer durchsichtigen Kapsel, in den 60. Stock ihres Hotels fuhr. Aber sie hatte keinen Blick mehr für die Sicht auf die 20-Millionen-Metropole, deren Energie alle Dimensionen sprengte. Sie hatte auch nicht die geringste Lust auf die Hotelbar und ein kaltes Glas chinesischen Chardonnay.

Alya war erschöpft. Zwanzig Tage in Fliegern, Lounges,Transits. Harte Selltalks mit Geschäftspartnern, die von sich glaubten, den Stein der Weisen verkaufen zu können (obwohl es sich meist nur ein paar mickrige Patente aus dem vergangenen Jahrhundert handelte, mit schlechter Nanotech aufgemotzt). Drei Pleiten,zwei Börsenverluste innerhalb einer Woche.Wo war sie eigentlich? Ach ja, Shanghai, bis übermorgen früh.

Im Zimmer ließ sie ihr Gepäck auf den Boden fallen und warf sich auf das riesige, mit grellroten Drachenköpfen verzierte Bett.

Ihr Device summte.
»Ja?«
»Ich bin’s.« Seine Stimme klang so sonor wie nie. »Wie geht es dir, Liebste?  Wie war der Flug?« Seine Stimme hatte ein gutes Timbre.
Sie knurrte. »Drei Stunden Verspätung. Schlechtes Essen. Schlechte Luft. Nie mehr Lufthansa.«
»Möchtest du dich ausziehen und ein Bad nehmen? Was hast du geträumt?« Seine Stimme klang ein bisschen überzogen heute. So, als hätte er ihr etwas zu verkaufen. Sie musste eine Spur Empathie-Faktor herausnehmen. Too much shmooze. Bei der nächsten Überarbeitung. Nicht heute.
»Ich habe gar nicht geträumt, denn ich habe noch gar nicht geschlafen, du Trottel«.
Er lachte. Im Wegstecken von Beleidigungen war er hervorragend.
»Take it cool Baby. Sorry.Willst du mich abstellen?«
»Irgendwann für immer. Aber jetzt noch nicht.« Alya ging ins Bad und ließ Wasser ein. Nein, sie wollte ihn nicht abstellen. Sie hatte sich endlich an ihn gewöhnt, nach vielen Code-Verbesserungen (bis die Assistentin bei Realmate regelrecht verzweifelt wirkte). Nun teilte sie einen nicht unerheblichen Schatz an Weltwissen mit ihm. Katzenpharaonen. Afrika en detail. Afrikanische Literatur aus dem späten 20. Jahrhundert. Quantenphysik und chinesische Geschichte. Es dauerte, bis man einen Mate auf den richtigen Wissensstand brachte, so dass sie mehr wussten als man selbst. Und dann der Humor. Bei Humor stieß die Software von Realmate immer noch an Grenzen.
»Auf den Schirm!«, befahl sie, nachdem sie ins heiße,schäumende Wasser geglitten war.Auf dem Spiegel gegenüber der Badewanne, der gleichzeitig ein Softscreen war, wurde sein Ganzbild sichtbar. Er saß, in entspannter Haltung, auf ihrem heimischen Lieblingssofa, die Beine übereinander geschlagen, in einem schwarzen Anzug,unter dem er nur ein weißes T-Shirt trug. Lola und Manuel, die beiden Katzen, schnurrten auf seinen Knien. Süß. Sie hatte ihn neulich ein bisschen altern lassen,auf etwa Ende 30,in eine gewisse männliche Reife hinein.Seine fast blauschwarze Haut schimmerte, sein haarloser Schädel hatte eine aristokratische Form.

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