Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa

Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa

von: Silja Vocks, Tanja Lengenbauer

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2005

ISBN: 9783840918360

Sprache: Deutsch

170 Seiten, Download: 1131 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa



8.2.3 Modifikation dysfunktionaler Kognitionen (S. 76-77)

Nachdem die Automatischen Kognitionen und Grundannahmen herausgearbeitet wurden, soll nun gemeinsam mit der Patientin überlegt werden, welche Konsequenzen diese haben. Hierzu wird die Patientin gebeten, sich gemäß des oben dargestellten Kognitiven Modells zu überlegen, welche Gefühle und welches Verhalten aus den identifizierten Kognitionen resultieren. Hierauf aufbauend soll nun erarbeitet werden, welche dieser herausgearbeiteten Gedanken die Patientin therapeutisch angehen und modifizieren möchte. Dieser Einbezug der Patientin in die Entscheidung zur Veränderung ist aus zweierlei Gründen günstig. Zum einen sollte die Therapeutin nicht über die Gedanken der Patientin „verfügen" und so in ihre Autonomie eingreifen. Dies ist insbesondere in der Behandlung der Anorexia und Bulmia Nervosa von Relevanz, da gerade bei Patientinnen mit Essstörungen das Streben nach Autonomie stark ausgeprägt sein kann und daher Verletzungen dieser durch die Therapeutin zu Rückzug oder Reaktanz auf Seiten der Patientin führen können. Zum anderen ist dieser Einbezug der Patientin sinnvoll, damit die Therapeutin nicht die implizite Botschaft an die Patientin sendet, dass diese „falsch" denke, was seitens der Patientin als Abwertung empfunden werden kann.

Sie haben den Automatischen Gedanken „Ich kann nicht mit meinen Freundinnen ins Schwimmbad gehen, weil ich so dick geworden bin. Die anderen schämen sich bestimmt mit mir!" herausgearbeitet. Welche Gefühle verspüren Sie in der Situation auf Grund dieses Gedankens? Was tun Sie, wenn Ihnen dieser Gedanke durch den Kopf geht? Eine der Grundannahmen, die wir bei Ihnen herausgearbeitet haben, war „Mein Wert als Mensch hängt von meinem Gewicht ab.". Wie wirkt sich diese Grundannahme auf Ihre Gefühle und Ihr konkretes Verhalten, auch längerfristig, aus? Wenn Sie sich die Konsequenzen der Automatischen Gedanken und Grundannahmen, die wir zuvor herausgearbeitet haben, einmal anschauen: Welche Gedanken würden Sie gerne einmal hinterfragen und vielleicht sogar verändern?

Wenn sich die Patientinnen für die Veränderung eines oder mehrerer Gedanken entschieden haben, kann mit der Modifikation der entsprechenden dysfunktionalen Kognitionen begonnen werden. Im Folgenden werden verschiedene in diesem Zusammenhang zu verwendende Techniken dargestellt. Es erfolgt eine Beschreibung des Sokratischen Dialogs, des therapeutischen Rollenspiels, der Realitätstestung, der Protokollierungstechnik und der Selbstinstruktionen.

Der Sokratische Dialog sowie die Infragestellung von Kognitionen im therapeutischen Rollenspiel eignen sich sowohl zur Bearbeitung der Automatischen Gedanken als auch der Grundannahmen. Diese Techniken dienen dem Hinterfragen und Verändern bestimmter Gedanken, von deren Zutreffen die Patientin möglicherweise (zumindest zum Teil) noch überzeugt ist. Die Protokollierungs- und Selbstinstruktionstechnik hingegen werden nur zur Modifikation von Automatischen Gedanken eingesetzt. Sie finden dann Anwendung, wenn sich die Patientin bereits entschieden hat, dass ihr bisheriger Gedanke realitätsunangemessen bzw. wenig hilfreich ist und eine funktionalere Kognition eingeübt bzw. automatisiert werden soll.

8.2.3.1 Sokratischer Dialog

Zur Infragestellung der Automatischen Gedanken und Grundannahmen empfiehlt sich der Sokratische Dialog. Der Name dieser Disputationstechnik geht auf Sokrates zurück, der seine Schüler durch das Stellen gezielter Fragen unterrichtete. Hierdurch wurde es den Schülern ermöglicht, die wichtigsten Schlussfolgerungen zu bestimmten Themen selbstständig zu ziehen. In Analogie dazu geht es im therapeutischen Kontext darum, dass die Therapeutin die Patientin darin unterstützt, zu erkennen, dass ihre Kognitionen zwar mögliche Sichtweisen der Realität darstellen, es jedoch gegebenenfalls funktionalere und/oder realitätsangemessenere Kognitionen gibt. Hierbei soll die Therapeutin allerdings keine „überredende" oder „überzeugende" Rolle einnehmen. Stattdessen soll sie die Patientin durch gezielte Fragen dazu bringen, diese Dysfunktionalität und Realitätsunangemessenheit ihrer Kognitionen selbst zu erken- nen und hierauf basierend alternative Sichtweisen zu etablieren.

Bei der Durchführung des Sokratischen Dialogs können verschiedene Strategien angewendet werden. Diese lassen sich nach Wilken (1998) in die „Hedonistische Disputation", die „Empirische Disputation", die „Arbeit mit Modellen" und die „Distanzierung durch Rollenwechsel" einteilen.

Mit Hilfe der Hedonistischen Disputation soll die Frage geklärt werden, inwieweit der entsprechende Gedanke der Patientin hilft, sich so zu fühlen und zu verhalten, wie sie es (auch hinsichtlich einer langfristigen Perspektive) möchte (Wilken, 1998). So könnte beispielsweise mit einer Patientin herausgearbeitet werden, ob der Gedanke „Niemand kann mich mögen, weil ich viel zu dick bin." zielführend ist und dazu beiträgt, dass sich die Patientin in ihrem Körper wohl fühlt und anziehend auf andere wirkt. Für die Hedonistische Disputation sind im Folgenden einige Musterfragen formuliert (zum Teil in Anlehnung an Wilken, 1998). Im therapeutischen Kontext müssen die Fragen selbstverständlich an die jeweiligen Kognitionen der Patientin angepasst werden.

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