Die Theorie des Demokratischen Friedens
von: Carsten Rauch
Campus Verlag, 2005
ISBN: 9783593378770
Sprache: Deutsch
230 Seiten, Download: 1303 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
9. Quo Vadis, DF? Bilanz und Ausblick (S. 181-183)
Quo Vadis, DF? Wie geht es weiter mit dem demokratischen Frieden? An dieser Stelle soll versucht werden, einige Antworten auf diese Frage zu geben. Dabei teilen sich die Erkenntnis dieser Arbeit in zwei verschiedene, aber eben doch zusammenhängende Blöcke auf. Zum einen geht es um die Zukunft des demokratischen Friedens als Forschungsprogramm und Theorie der internationalen Beziehungen und zum anderen um die praxeologischen Konsequenzen des demokratischen Friedens als empirischem Fakt, der ein friedliches Zusammenleben der demokratischen Staaten im 21. Jahrhundert garantieren soll.
9.1 Theoretische Implikationen
Wie der theoretische Teil dieser Arbeit gezeigt hat, so ist der demokratische Frieden derzeit eines der prosperierendsten Forschungsprogramme im Bereich der Internationalen Beziehungen. Kaum ein anderes Thema wird so umfassend diskutiert, erhält soviel Zu- und Widerspruch. Dabei bleibt festzuhalten, dass die quantitative Forschung nach wie vor sehr viele unterstützende Ergebnisse liefert. Die nachfolgende qualitative Forschung, die sich bemüht, die Kausalfaktoren, die hinter dem Phänomen DF stecken, kann damit jedoch nicht ganz Schritt halten. Zwar haben sich mittlerweile zwei dominante »klassische « Erklärungsmodelle herausgebildet, aber die vielfältige Kritik an ihnen und ihre Unfähigkeit, einige Anomalien der Theorie zu erklären, zeigen, dass diese Modelle noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind.
Um der Anomalien, die von den DF-Kritikern immer wieder aufgezeigt werden, Herr zu werden, bedienten sich die DF-Theoretiker in der Vergangenheit immer wieder extra-theoretischer Definitionsmittel. Einmal ist ein Staat nicht demokratisch genug, einmal sind nicht genug Soldaten gefallen, um aus einem Konflikt einen Krieg zu machen; irgendetwas lässt sich scheinbar immer finden. Diesem Vorgehen haftet allerdings das Manko an, dass es oftmals so scheint, als würden die Demokratiedefinitionen je nach Fall gerade so gewählt, wie es für den demokratischen Frieden am günstigsten erscheint. Denselben Vorwurf kann man freilich auch den DF-Kritikern machen, nur eben unter umgekehrten Vorzeichen. Von ihnen werden oftmals auch grobe Mängel in der demokratischen Verfasstheit eines Staates »übersehen«, oder aber die kleinsten Scharmützel zum Krieg aufgewertet, wenn es nur dazu dienlich sein kann, der DF-Theorie eine weitere Anomalie unterzuschieben.
Einen anderen Weg geht John Owen, der in seinem perzeptions-informierten Ansatz dem Faktor Wahrnehmung eine entscheidende Rolle einräumt. Die zentrale Frage, ob dieser oder jener Staat tatsächlich als Demokratie gewertet werden kann oder nicht, mit der sich ein Großteil der DF-Literatur derzeit beschäftigt, verliert damit an Bedeutung. In den Mittelpunkt wird statt dessen die Perzeption der Beteiligten gerückt, so dass es theoretisch durchaus denkbar – wenn auch nicht über die Maßen wahrscheinlich – ist, einen Krieg zwischen »echten« Demokratien zu entdecken. Ohne die zentralen Annahmen der Theorie des demokratischen Friedens aufzugeben, könnte damit eine Möglichkeit geschaffen werden, diese mit der Empirie und den darin enthaltenen Anomalien zu »versöhnen«. Freilich würde dadurch ein Stück weit auf parsimony verzichtet, so dass es gut überlegt sein will, ob es sich wirklich lohnt, die Theorie durch die Einbeziehung des Faktors Perzeption gleichsam »aufzublähen «.
An dieser Stelle muss darauf eingegangen werden, welchen Stellenwert das in dieser Arbeit untersuchte Fallbeispiel für die aktuelle Theoriediskussion haben kann. Mit Sicherheit können die Ergebnisse dieser Untersuchung den demokratischen Frieden, die »klassischen« und perzeptions-informierten Erklärungsansätze weder falsifizieren noch validieren, was im Übrigen auch keineswegs der Anspruch dieser Arbeit sein soll. Ganz abgesehen von der grundsätzlichen Frage, wie aufschlussreich jedes einzelne und isolierte Fallbeispiel sein kann, gibt es nämlich auch am konkreten Untersuchungsgegenstand – Amerikanischer Bürgerkrieg – spezielle Eigenheiten, die als Warnung davor dienen mögen, daraus gewonnene Erkenntnisse allzu sehr zu verallgemeinern. Zum einen handelt es sich hierbei um einen Krieg aus dem 19. Jahrhundert; und wenngleich John Owen anmerkt, dass die Analyse von Fällen von vor 1945 den Einfluss möglicher Drittvariablen minimiert, so hat die Betrachtung eines solchen Falls auch mit einigen Defiziten zu kämpfen.