Managerwissen kompakt: Russland
von: Elvira Valiullina, Radik Valiullin
Carl Hanser Fachbuchverlag, 2006
ISBN: 9783446405486
Sprache: Deutsch
121 Seiten, Download: 6837 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
1 Russland gestern und heute (S. 9-11)
Die Öffnung der osteuropäischen Märkte, insbesondere des russischen Marktes, sowie deren Integration in die übrigen Weltmärkte führten in den betroffenen Ländern in der Vergangenheit zu sehr dynamischen Entwicklungen, die bis heute spürbar sind. Zwischen dem Russland vor 15 Jahren und demjenigen heute sind gewaltige Unterschiede festzustellen.
Politisch gesehen, ist Russland kein kommunistisches Land mehr, wirtschaftlich schaffte das Land den schnellen, aber für die eigene Bevölkerung schmerzhaften Übergang zum „puren" Kapitalismus, vor allem durch die Privatisierung von staatlichen Betrieben durch Oligarchen, durch eine Hyperinflation und eine Abwertung des Rubels sowie durch die Wirtschaftskrisen von 1994 und 1998. Der Begriff Oligarchen beinhaltet alle russischen (Neu-)Unternehmer mit einem Milliardenvermögen, die in den 90er Jahren des 20.Jahrhunderts unglaubliche Gewinne teilweise legal, teilweise illegal z.B. durch Exportgeschäfte, durch die Privatisierung ehemaliger staatlicher Betriebe oder durch verschiedene Steuermanipulationen mit Offshorestrukturen erwirtschaftet haben. Laut Forbes gibt es heute 36Milliardäre in Russland [Forbes 2004].
Heute lässt sich deutlich erkennen, dass Russland voll in die Weltwirtschaft integriert ist, d.h. dass die aktuellen Probleme der Weltwirtschaft und die aktuellen Prozesse in den globalen Unternehmen auch in Russland spürbar sind [Valiullin 2004, S. 4]. Russland ist kein Hoffnungsträger mehr, sondern ein echter und wichtiger Partner und Wettbewerber. Ohne russische Rohstoffe können heutzutage ausländische Großkonzerne nicht funktionieren. Gazprom, ein russisches Erdgasunternehmen, verfügt über 25% der gesamten Gasvorkommnísse der Welt und liefert den überwiegenden Anteil des von ihm geförderten Gases nach Europa. Alle russischen Erdölunternehmen zusammen fördern jeden Tag so viel Erdöl wie Saudi-Arabien. Auch das russische Erdöl wird größtenteils ins Ausland exportiert.
Nicht nur ausländische Unternehmen investieren in Russland, sondern auch russische Unternehmen investieren stark im Ausland und übernehmen auch ausländische Wettbewerber: So hat 2003 z.B. das russische Unternehmen Norilskij Nickel den einzigen amerikanischen Palladiumhersteller Stillwater Mining gekauft und ist dadurch in die Weltspitze in der Branche aufgestiegen [Valiullin 2004, S. 4; Roshkova 2003]. Der russische Glashersteller Gus Hrustalny kaufte 2002 seinen deutschen Wettbewerber Glashütte Dobern [Nowolodskaja 2002] und Ende 2004 übernahm der russische Kosmetikhersteller Kalina seinen deutschen Wettbewerber im Bereich dekorative Kosmetik, Dr. Scheller Cosmetics [Jarosch/Borissov/Kositzin 2004]. Weitere Zukäufe im Ausland beabsichtigen vor allem russische Erdöl- und Erdgasunternehmen wie Lukoil, BP-TNK, Tatneft oder Sibneft.
Russland lockt ausländische Partner nicht nur zur Rohstoffbeschaffung, sondern auch als ein neuer Produktionsstandort. Dafür gibt es drei Gründe:
- Deutlich günstigere Lohnkosten gegenüber europäischen Standorten machen die Produktion attraktiv.Mittlerweile wird Russland neben China und Indien zu den wichtigsten neuen Produktionsstandorten gezählt [Droege & Comp. 2004, S. 4], in die ausländische Unternehmen ihre Produktion verlagern wollen oder dies bereits gemacht haben.
- Neue russische Unternehmen versuchen, ihre Produkte immer mehr an die westlichen Standards anzupassen. Sie sehen für ihre Produkte nicht nur in Russland, sondern auch auf dem europäischen und amerikanischen Markt gute Vertriebsmöglichkeiten.
- Ein potenzieller Markt mit 143Mio. Einwohnern in Russland und ungefähr noch einmal so vielen in den restlichen GUS-Staaten ist bei steigenden Reallöhnen und zunehmend wachsendem privatem Verbrauch von Waren und Dienstleistungen mit westlichen Qualitätsstandards selbst ein sehr attraktiver Markt für den Vertrieb [Mangold 2004]. Dort Fuß zu fassen ist erklärtes Ziel fast aller global agierenden Unternehmen – selbstverständlich sind auch deutsche Unternehmen mit dabei. Erkennbar ist die an der Anzahl der Mitglieder des Verbandes der Deutschen Wirtschaft in Russland. Mitte 2001 waren nach Bericht dieses Verbandes 1.173 Vertretungen deutscher Unternehmen in Russland tätig, hinzu kamen 775 russisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen, 544 Tochterunternehmen mit 100-prozentigem deutschen Kapital sowie 64 Niederlassungen [o.V. 2001, S.33]. Dabei stieg in den letzten sieben Jahren die Anzahl der Mitglieder des Verbandes von 186 (1995) auf 422 (Dezember 2003) (Bild 1).