Das Assessment-Center in der Praxis
von: Ernst Fay (Hrsg.)
Vandenhoeck & Ruprecht, 2002
ISBN: 9783525461693
Sprache: Deutsch
139 Seiten, Download: 622 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Ernst Fay (S. 11-13)
Die Multifunktionalität des Assessment- Centers
Was meint Multifunktionalität eines Assessment- Centers?
Verfahren, auf der Basís der Assessment-Center-Technik konstruiert und durchgeführt, werden zu interner wie externer Auswahl ebenso wie zu Personalentwicklungszwecken eingesetzt. Das ist bekannt und steht in jedem Buch über das Assessment-Center (AC). Zu Personalentwicklungszwecken meint dabei in aller Regel, daß aus den Ergebnissen eines AC Hinweise auf Stärken und Schwächen der Teilnehmer1 im Hinblick auf eine Zielposition oder auch auf eine Hierarchiestufe abgeleitet und die Teilnehmer dann entsprechend plaziert werden – sei es direkt auf die Position, für die sie geeignet erscheinen, sei es in die Personalentwicklungsmaßnahme, die man für sie vorgesehen hat.
Zu kurz kommt dabei in aller Regel die Betrachtungsweise, daß die Teilnahme an einem AC ein Nolens-volens-Lernakt ist, daß sie aber darüber hinaus auch genutzt werden kann, um Lernen gezielt in Gang zu setzen – bei Beobachtern wie bei Teilnehmern. Daneben gibt es eine Reihe anderer offen kommunizierter oder nebenbei angestrebter und anzustrebender Ziele, die mit einem AC verfolgt werden (können). Ich will versuchen, aus einer annähernd 20jährigen Erfahrung in der Konstruktion und Durchführung von AC einige dieser Ziele darzustellen und zu zeigen, wie wir uns jeweils um deren Erreichung bemüht haben. Was will man (noch), wenn man ein AC plant?
- Wir wollen die richtigen Personen identifizieren (Trefferquote, valide Auswahl bei Einstellung ebenso wie bei Besetzung höherwertiger Funktionen).
- Das AC-Ergebnis soll Grundlage einer gezielten Weiterentwicklung der Teilnehmer im Rahmen einer systematischen Qualifizierung sein (Standortbestimmung; Identifi- kation des Weiterbildungsbedarfs).
- Bewerber wie Anwender sollen unmittelbar einsehen, daß dieses und nur dieses Verfahren das richtige ist, daß das, was sie in der Auswahlsituation machen, mit der Zielposition in Verbindung steht (Augenscheinvalidität, Akzeptanz, Motivationserhöhung).
- Das AC muß zu unserer Kultur passen (Kulturkompatibilität, Passung, Akzeptanz).
- Die Bewerber sollen dabei auch unser Unternehmen kennen lernen (Informationsfunktion, Selbstpräsentation).
- Das Ganze soll auch eine Art Werbeveranstaltung für unser Unternehmen sein (PR-Funktion, Informationsfunktion).
- Die Beobachter sollen etwas lernen, was über den Tag hinaus reicht (Weiterbildungsfunktion, Personalentwicklungs (PE)-Funktion).
- Die im AC vertretenen unterschiedlichen Arbeitsbereiche sollen sich kennen lernen und ihre Maßstäbe aneinander ausrichten (PE-Funktion, aber auch Organisationsentwicklungsaspekte).
- Die vertretenen Bereiche sollen erkennen, daß auch im jeweiligen Nachbarbereich fähige Personen arbeiten (Organisationsentwicklungsfunktion; Bereichsgrenzen durchlässig machen).
Die Marketingfunktion
Eine Marketingfunktion in dem in der Folge beschriebenen Sinn kann vor allem ein Assessment haben, das mit externen Bewerbern durchgeführt wird. Natürlich wird ein Autokonzern aus einem im AC abgelehnten Bewerber nicht zwingend einen Käufer seiner Modelle, eine Bank oder ein Handelsunternehmen nicht einen Kunden machen können. Aber: Vor allem angesichts eines Marktes, auf dem eher die Bewerber sich das Unternehmen aussuchen als das Unternehmen sich die Bewerber aussucht, wird zunehmend die Forderung an uns als Entwickler und Durchführer gestellt, ein Auswahl- Verfahren so zu konzipieren, als sei es eine PR-Maßnahme für das durchführende Unternehmen. Heutzutage betrifft dies insbesondere die Auswahl von Trainees, teilweise auch die von Auszubildenden.