Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn

Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn

von: Gerald Hüther

Vandenhoeck & Ruprecht, 2005

ISBN: 9783525014646

Sprache: Deutsch

140 Seiten, Download: 561 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn



3 Hinweise auf bereits erfolgte Installationsmaßnahmen (S. 69-70)

Hätten Sie ein Gehirn wie ein Stichling, dann bräuchten Sie sich keine Gedanken darüber zu machen, was Sie in jedem Frühjahr dazu bringt, das ewig gleiche Hochzeitsritual mit Ihrem Partner aufzuführen. Sie würden sich nicht einmal darüber ärgern, daß Sie immer dann,wenn Sie dabei gestört werden, mit der ganzen Prozedur wieder von vorn beginnen müßten, um sie zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.Und wenn Ihre Kinder dann erwachsen geworden wären und zur Paarungszeit anfingen, den gleichen Tanz wie Sie aufzuführen, würden Sie sich auch nicht wundern, wieso Ihre Nachkommen dieses komplizierte Ritual beherrschen, ohne es je zuvor beobachtet und eingeübt zu haben. Sie könnten sich ganz einfach darauf verlassen, daß all die Nervenzellverschaltungen, die ein Stichling in seinem Stichlingshirn zum Überleben und zum Fortpflanzen braucht, dort auch immer wieder auf die gleiche Weise installiert werden. Die genetischen Programme, die das zustande bringen, sind so alt und so wenig veränderlich wie die Stichlinge und ihr sonderbarer Hochzeitstanz.

Hätten Sie ein Gehirn wie eine Graugans und wären Sie unmittelbar nach dem Schlupf von Konrad Lorenz aufgezogen worden, so würden Sie im Frühjahr das gleiche genetisch programmierte Verpaarungsritual wie alle anderen Gänse aufführen, allerdings nicht vor einer Gans oder einem Ganter, sondern vor Konrad Lorenz. Trotz der offenkundigen Erfolglosigkeit all Ihrer Bemühungen würden Sie wohl versuchen, ihn auch im nächsten Frühjahr wieder auf die gleiche Weise zur Paarung zu bewegen. Zu einem Zeitpunkt, als einige der in Ihrem Hirn angelegten Verschaltungen noch nicht fertig ausgereift waren, wäre das Bild des alten Mannes fest in Ihrem Gänsekükengehirn verankert worden, und diese Verschaltungsmuster wären für den Rest Ihres Lebens ebenso fest installiert, als hätte sie ein genetisches Programm geformt.

Mit einem Affenhirn hätten Sie noch ein paar mehr Erfahrungen als so eine Gans machen und entsprechend verankern können. Manche dieser erfahrungsbedingten Verschaltungsmuster hätten Sie später vielleicht sogar wieder auflösen oder durch neue Installationen überlagern können.Aber Sie hätten weder begreifen noch abschätzen können, ob diese einmal erfolgten Installationen auch weiterhin für Sie von Nutzen sind, ob Sie sie also auch weiterhin behalten wollen. Um zu entscheiden, ob die bisher in Ihrem Gehirn angelegten und Ihr Fühlen, Denken und Handeln bestimmenden Verschaltungen für den Rest Ihres Lebens so bleiben oder aber verändert werden sollten, brauchen Sie ein lebenslang lernfähiges Gehirn. Falls Sie der Meinung sind, daß Sie das nicht haben, können Sie hier mit dem Lesen dieser Bedienungsanleitung aufhören.

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