Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700
von: Werner Faulstich
Vandenhoeck & Ruprecht, 2006
ISBN: 9783825227395
Sprache: Deutsch
190 Seiten, Download: 3650 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
4 Periode IV: Die frühe Neuzeit (1400–1700) (S. 119-120)
Übersicht
4.1 Von den Menschmedien zu den Druckmedien: die zweite Medienrevolution und ihre dominante Funktion
4.2 Medienwandel in Renaissance und Frühkapitalismus
4.3 Die Veränderung von Medien zu Berufen
4.4 Von Fest und Erzähler zu Flugblatt und Kalender
4.5 Reformation und Gegenreformation im Licht der Mediengeschichte
4.6 Die Medienkultur des Absolutismus und die Neupositionierung des Theaters
4.7 Die Entstehung der bürgerlichen Zeitung
4.8 Die Medien Wand und Plakat
4.9 Der Druck und das Buch
Nach der archaischen Periode (Kap. 1), der multiplen hochkulturellen Periode (Kap. 2) und der Periode des christlichen Mittelalters (Kap. 3) markiert die Medienkultur der frühen Neuzeit den vierten großen Abschnitt einer umfassenden Medienkulturgeschichte. Wieder erweist sich dabei die Entwicklung der Bevölkerung als wichtiger Faktor für die Herausbildung einer ganz neuen Art von Öffentlichkeit und entsprechend für neue Funktionen alter Medien und die Entstehung neuer Medien. Man beschrieb sie als Wellenbewegung: In Europa blieb die Bevölkerungszahl bis Mitte des 15. Jahrhunderts infolge von Hungers nöten und der Pest niedrig, stieg dann rapide von 60 auf nicht weniger als 90 Mio. Menschen und erlitt nur Mitte des 17. Jahrhunderts nach Epidemien und Kriegen, speziell in Deutschland, noch einmal einen Knick nach unten. Nach anderen Quellen nahm die europäische Bevölkerung zu von 81,9 Mio. (1500) auf 115,3 Mio. (1700). Allgemein stand diese Zeit des fundamentalen Umbruchs unter dem Zeichen der »Krise«, speziell der Kirche und der mittelalterlichen Weltsicht, bzw. des »Aufbruchs« in ein neues Zeitalter. Viele Medienhistoriker suchen irrtümlicherweise erst in diesem Abschnitt die Anfänge der Mediengeschichte.
Die frühe Neuzeit wird in der Fachliteratur durch sieben Indikatoren des gesellschaftlichen Wandels charakterisiert, die im Folgenden mit Blick auf die jeweils maßgeblichen Kommunikationsmedien aufgegriffen werden sollen (hier nur mit Stichworten in Erinnerung gerufen):
- Humanismus und Renaissance (15. Jh.): die Neuorientierung an der Antike und die neuen Impulse für Künste und Kultur.
- Frühkapitalismus und Merkantilismus (15.–17. Jh.): der Aufstieg des Handelskapitals, die Kolonialisierung, der Aufschwung der Kapitalwirtschaft, die Entstehung des ökonomischen Primats, dem alles andere unterworfen werden sollte.
- Die Ausdifferenzierung des Ständewesens (15./16. Jh.) nach dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Teilöffentlichkeiten: die Schichten- und Ständegesellschaft mit dem Adel und der Geistlichkeit, die städtische Gesellschaft mit ihrer starken Hierarchisierung der Zünfte und Schichten, die ländliche Standespyramide vom Schulzen über den Bauern und Söldner bis zum Kätner und Büdner, schließlich die Randgruppen wie Zigeuner, Scherenschleifer und Sklaven.
- Reformation und Gegenreformation (ab 1517): die Konfessionalisierung der Religion durch Luther und den Protestantismus, die Abschaffung des klerikalen Latein zugunsten eines verständlichen Laiendeutsch, die Befreiung von Rom nach den Prinzipien »sola gratia, sola scriptura, sola fide« (allein die Gnade, die Schrift, der Glaube), nicht zuletzt der Versuch des Papstes, die Entwicklung zurückzudrehen und die Herrschaft von Kirche und Religion neu zu etablieren.