Sophie Scholl: 'Ich würde es genauso wieder machen'

Sophie Scholl: 'Ich würde es genauso wieder machen'

von: Barbara Leisner

List Verlag, 2005

ISBN: 9783548601915

Sprache: Deutsch

278 Seiten, Download: 1738 KB

 
Format:  PDF

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Sophie Scholl: 'Ich würde es genauso wieder machen'



III. T E I L »Sie haben die falsche Weltanschauung« 1938–1942 (S. 121-122)

Erste Zweifel

Hans lernte im Reichsarbeitsdienst das Leben von einer ganz neuen Seite kennen. Da gab es nicht mehr das romantische Schwärmen junger, vom Leben noch unbeleckter Oberschüler. Reichsarbeitsdienst hieß »eine Baracke, ein Bettgestell, zweistöckig, ein Strohsack, Knobelbecher und Drillich. Im Speisesaal harte Bänke, ungedeckte Tische, das Führerbild mit Tannengrün umkränzt, das Bild des Reichsarbeitsführers Konstantin Hierl ohne Tannengrün . . .. Mittendrin: Viel Lärm, viele Dialekte, rotznäsige, versnobte, kaltschnäuzige, zotenreißende Jungen.« Oder vielmehr junge Männer, die nicht mehr zum Denken kamen, weil viel zuviel zu tun war.

Um fünf Uhr morgens war Wecken: »›Morgen, Männer‹, brüllte eine Stimme. Dann kamen Frühsport, Waschen, Anziehen, Morgenkost im Speisesaal, Bettenbauen, Morgenappell und Hissen der Fahne mit der Losung des Tages, Exerzieren. Ein Unterfeldmeister dozierte über Leibeserziehung: Auflokkerung des Körpers, Züchtung zu hoher Leistungsfähigkeit, das Ziel: der stählerne Mann; in den Spinden Bilder; sie durftenWeiber aufhängen. ›Aber Körper, rate ihnen, Körper‹, sagte der Obervormann. Nach einer Belehrung ging es dann zur Arbeit auf die Baustelle, Gelände einebnen, ein Geröllfeld planieren, Steine schleppen, Brotzeit mit Graupensuppe und Brot im Kochgeschirrdeckel.« Dazu eine Ansprache des Truppführers: »Gelobt sei, was hart macht, Männer. Unsere Väter haben bei diesem Dreckswetter im Schützengraben gelegen. Und ihr wollt schlappmachen. Ihr sollt Soldaten der Arbeit werden, ihr Faulenzer, für 25 Pfennige Sold am Tag, das ist noch viel zuviel für euch Schlappschwänze.«

Hans lernte neue Menschen kennen, die aus gröberem Holz geschnitzt waren als er und seine Freunde. Aber es gab auch welche darunter, die ein offenesWort riskierten und sich nicht einfach den Mund und das Denken verbieten ließen. Gerüchte über die Konzentrationslager kursierten. Natürlich hatte Hans davon gehört. Als sie 1933 eingerichtet wurden, hatte das ja überall in den Zeitungen gestanden. Aber wie die Mehrzahl der Deutschen hatte er sich über ihre Bedeutung keine besonderen Gedanken gemacht. Der Führer wußte, was er tat. Damals kannte er auch niemanden, der dorthin gekommen war. Und selbst wenn er jemanden gekannt hätte: Keiner, der von dort zurückkam, erzählte etwas von seinen Erfahrungen. Nur die Gesichter solcher Menschen sprachen für sich: Sie waren eingefallen und wirkten um Jahre gealtert, die Lebensfreude war aus ihnen gewichen, sie verbreiteten eine Aura von tiefer Traurigkeit, Verzweiflung und Depression um sich. Sprach man sie auf ihre Verhaftung hin an, so sagten sie nur abwehrend, man solle sie in Ruhe lassen, sie wollten darüber nicht reden. Wie eine düstere Nebelwand lagen Schweigen und Ungewißheit über ihnen.

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