Verschwendung - Wirtschaft braucht Überfluss - Die guten Seiten des Verschwendens

Verschwendung - Wirtschaft braucht Überfluss - Die guten Seiten des Verschwendens

von: Wolf Lotter

Carl Hanser Fachbuchverlag, 2006

ISBN: 9783446408708

Sprache: Deutsch

273 Seiten, Download: 2067 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Verschwendung - Wirtschaft braucht Überfluss - Die guten Seiten des Verschwendens



Der ganz normale Verschwender (S. 114-115)

Warum sich das menschliche Bedürfnis nach Unterscheidbarkeit nicht aus der Welt schaffen lässt.Warum wir alle gerne feine Leute wären. Und wie man durch Verschwendung ganz gut leben kann.

Hält man Sie für einfach und bescheiden?
Und können Sie – wie ich – das gar nicht leiden?
Georg Kreisler

Materialismus ist nicht schlecht

Materialismus, so heißt das Dogma der Einheitsdenker seit vielen Jahrhunderten, ist schlecht. Wer nur nach Gut und Geld giert, dem fehlt es an Charakter. Eine Gesellschaft, die sich letztlich nur durch Besitz definiert, wäre verkommen und sozial verwahrlost. So weit die Theorie. Das Christentum in Gestalt des Katholizismus wie des Protestantismus hat diese Fehlsicht in die Welt gebracht, und nahezu alle Ideologien der Neuzeit hängen dieser Idee an.

Ein bisschen Gleichheit

Lasset uns nachdenken. Hier lauert ein Widerspruch. Wir sind alle bereit, ihn zu übersehen. Wer halbwüchsige Kinder hat oder auch nur kennt, weiß, welch entscheidende Rolle Besitz spielt, der Prestige, also soziales Ansehen, bildet. Die Wahl der richtigen Marke bei Jeans, Turnschuhen und MP3-Playern ist essenziell. Die Erwachsenen, die das beklagen, sind im Kern kein bisschen besser. Natürlich gibt es eine Kontinuität zwischen dem materiell orientierten Jugendlichen und der Vatergeneration, die sich über einen besonders teuren und prestigeträchtigen Wagen, ein großes Haus, teure Kleidung, Schmuck und exklusive Reisen definiert. Die Konsumkritiker, die das Materielle als schnöde bezeichnen, haben sehr ähnliche Rituale. Für sie ist es besonders prestigeträchtig, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was die Menschen unternehmen, die von ihnen verächtlich „Spießer" und „Materialisten" genannt werden.

Natürlich aber spielt im Leben solcher Leute eine möglichst vollständige Plattensammlung von Bob Dylan oder Joan Baez oder ein prall gefülltes Bücherregal eine große Rolle. Niemand, auch nicht die scheinbar nicht materiell Orientierten, könnten einen Tag lang ohne ihre geliebten Prestigeobjekte leben. Da jetten Globalisierungs-Besorgte um den halben Globus, um auf „Weltgipfeln" ihr Leid mit jenen zu teilen, die nichts besitzen. Dem Affekt ist es gleich, ob der Porsche oder der akademische Grad poliert nach außen dargestellt wird. Es ist nebensächlich, ob jemand sich über Designerklamotten oder scheinbar gelehrte Gespräche definiert. Es geht allein um den Eindruck, den man bei anderen hinterlässt. Auch uns interessiert hier nur, warum Menschen so etwas tun.

Wer intensiver darüber nachdenkt, der müsste dieses Verhalten angesichts der weit verbreiteten Ideologie der Gleichheit eigentlich höchst sonderbar finden. Denn wozu sollte es gut sein, sich deutlich von anderen zu unterscheiden, sich bewusst von anderen unterscheidbar zu machen, wenn die Idee der Gleichheit doch genau das Gegenteil gebietet?

Gleichheit ist eine soziale, eine kulturelle Konstruktion. Sie ist billiger Menschentand, ein modisches Statement, das mit der Realität wenig zu tun hat. Wie sonst wäre es erklärlich, dass sich, bei all den unentwegten Versuchen der Gleichmacherei, das menschliche Bedürfnis nach Unterscheidbarkeit nicht aus der Welt schaffen lässt?

Kategorien

Service

Info/Kontakt