Lehrbuch der Geobotanik

Lehrbuch der Geobotanik

von: Wolfgang Frey, Rainer Lösch

Spektrum Akademischer Verlag, 2004

ISBN: 9783827411938

Sprache: Deutsch

543 Seiten, Download: 23125 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Lehrbuch der Geobotanik



4 Vegetationskunde (Phytozönologie, Zönologische Geobotanik) (S.39)

4.1 Allgemeines

Die Vegetation (Pflanzendecke) ist die Gesamtheit der Pflanzenvergesellschaftungen/Pflanzenbestände eines bestimmten Gebietes. Sie steht damit der Flora eines Gebietes als Gesamtheit aller Pflanzensippen gegenüber (Abb. 1-1). In der Vegetationskunde wird somit der pflanzliche Anteil der Ökosysteme, also die Pflanzenvergesellschaftungen bzw. Pflanzengesellschaften, erforscht.

Die vom Menschen unbeeinflusste, im Gleichgewicht mit den klimatischen und edaphischen Faktoren des Habitats und der Tierwelt stehende Vegetation wird als natürliche Vegetation bezeichnet. In Mitteleuropa ist sie heute nur noch selten vorhanden (z.B. alpine Urwiesen, Felsfluren, Steinschutt- und Geröllgesellschaften, Röhrichte und Großseggensümpfe,Salzwiesen,Hochmoore, Schluchtwälder),und vielfach handelt es sich auch hier, bedingt durch die Einwirkungen des Menschen, nur noch um eine naturnahe Vegetation.

Die menschlichen Einwirkungen werden in Hemerobiegraden ausgedrückt (Jalas 1955). Ahemerob: ohne menschlichen Einfluss, Pflanzengesellschaften ohne Neophyten; oligohemerob: schwache Veränderungen, z.B. durch gelegentliche Holzentnahme oder Beweidung (z.B. schwach durchforstete Wälder, alpine Matten, Salzwiesen); mesohemerob: mäßiger oder periodischer Einfluss; euhemerob: stärkerer Einfluss; polyund metahemerob: sehr starker Einfluss des Menschen und Vernichtung von Pflanzenbeständen (s.Kap. 10).

Ein insbesondere methodisch beispielhaftes Projekt zur Erfassung der Hemerobie der Wälder Österreichs wurde von Grabherr et al. (1998) durchgeführt. Hemerobieeinstufungen werden als wissenschaftliche Grundlage für Waldentwicklungsplanungen und Schutzgebietsausweisungen eingesetzt. Allerdings ist die natürliche Vegetation nicht unbedingt die ursprüngliche Vegetation, also die Pflanzendecke, die vor dem Einsetzen des menschlichen Einflusses als ‚Geofaktor‘ vorhanden war. Diese wurde durch Klimaänderungen und durch den Einfluss des Menschen insgesamt verändert.

So ist die natürliche Vegetation in großen Teilen der Erde durch anthropogene oder Ersatzgesellschaften, d. h. vom Menschen unmittelbar beeinflusste Gesellschaften, wie Wiesen, Weiden, Ackerfluren, Heiden, Ruderalvegetation und Wirtschaftswälder ersetzt worden. Die hemerobe Vegetation und die natürliche Vegetation, also die gegenwärtig in einem bestimmten Gebiet vorhandene Vegetation, wird als aktuelle (reale) Vegetation bezeichnet. Sobald die Einwirkung des Menschen aufhört, entwickeln sich die Ersatzgesellschaften zu quasi natürlichen Gesellschaften weiter. Dieses hypothetische, ohne Fortdauer der menschlichen Einwirkung entstehende, Mosaik aus Pflanzengesellschaften wird als potentielle natürliche Vegetation (PNV) bezeichnet (Tüxen 1956, Leuschner 1997).

Dabei handelt es sich um eine beschränkte Anzahl von Schlussgesellschaften, die der biotische Ausdruck des Lebensraumes und des Wechselspiels mit den Habitatbedingungen sind. Die Charakterisierung der potentiellen natürlichen Vegetation dient heute v. a. der Ermittlung der gegenwärtigen und künftigen Leistungsfähigkeit der Habitate. Sie ist jedoch nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit der ursprünglichen Vegetation, wie sie vor dem Beginn der Einwirkung des Menschen vorhanden war.

Irreversible oder zumindest aktuell andauernde Habitatveränderungen, wie etwa Bodenabtragung, Nährstoffauswaschung, Luftverschmutzung und Klimaänderungen, verhindern in vielen Fällen die Rückkehr zu den ursprünglichen Verhältnissen. Für die Aufnahme und die Analyse der Pflanzenbestände, dies sind die konkreten Pflanzengruppierungen im Gelände, werden hauptsäch- lich vier Arbeitsrichtungen eingesetzt, die Pflanzensoziologie, die Physiognomisch-ökologische Vegetationsgliederung, die Gradientenanalyse und die numerische Vegetationsanalyse.

Zu den Trends in der Entwicklung weiterer Richtungen und Techniken vgl. Mucina (1997).

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