Praxis der Stimmtherapie - Logopädische Behandlungsvorschläge und Übungsmaterialien
von: Ute G. Bergauer
Springer-Verlag, 2005
ISBN: 9783540264644
Sprache: Deutsch
225 Seiten, Download: 1558 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
2 Haltung – Tonus – Bewegung (S. 24-25)
2.1 Grundlagen
Definition „Tonus" bedeutet Körperspannung, d. h. Spannung des Körpers in seiner umfassenden Ganzheit. Der Eutonus (Wohlspannung bzw. ökonomische Gesamtspannung) zeigt sich in der Haltung und umfaßt immer eine ganzheitliche Funktion, die in ihren Einzelkomponenten übereinstimmen muß. Darum bedeutet Haltung immer eine der Situation entsprechende Haltung. Wie in allen Kapiteln immer wieder erwähnt wird, gehört die Tonusregulation als fester Bestandteil zu einem ganzheitlichen Therapiekonzept. Es gibt keine isolierten Fehlspannungen; immer wird sich Fehlspannung als funktionale Kette auswirken.
Es kann keine deutliche Artikulation entstehen, wenn die Gesichtsmuskulatur angespannt ist; es entsteht kein resonanzreicher Ton, wenn die Schultern hochgezogen und verspannt sind; es bildet sich keine Durchlässigkeit, wenn die Füße dicht nebeneinander oder im Kreuzbeinstand stehen und die Knie durchgedrückt sind. Im Sitzen zeigen sich oft ein vorgeschobenes Kinn, ein vorgeneigter Hals, ein eingefallener Brustkorb, übereinandergeschlagene Beine, ein Rundrücken oder ein Hohlkreuz, die den Atemraum und die Tonqualität einschränken.
Allgemeine Beschwerden wie Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen haben ihre Ursachen meist in Haltungsproblemen und Verspannungen. Viele unserer Patienten bräuchten außer einer logopädischen Therapie auch eine krankengymnastische Behandlung oder die Teilnahme an einer Rückenschule bzw. Wirbelsäulengymnastik.
Dies sind nur einige Beispiele für gestörte Tonusverhältnisse, die jegliche Arbeit an Atmung, Artikulation und Stimme beeinträchtigen. Eine jahrelange Fehlhaltung wird man nicht vollständig beseitigen können. Jedoch läßt sich Körpergefühl entwickeln und eine Besserung erreichen. Eine Korrektur der Fehlhaltung sollte dann als Fernziel angestrebt werden. Dies ist meist ein langwieriger Prozeß und erfordert viel Eigen- und Fremdkontrolle.
> Die Befindlichkeit eines Menschen drückt sich also aus in Haltung, Bewegung und Stimme (aus Coblenzer 1987).
2.2 Begriffe und Redewendungen: Haltung – Tonus – Bewegung
Im folgenden werden Begriffe aufgelistet, die Haltung, Bewegung und Tonus des Menschen beschreiben.
Haltung und Verhalten
Haltungs- und Verhaltenskorrektur
Haltung bewahren
keinen Halt haben, d. h. haltlos sein
Haltung – Zurückhaltung – Fehlhaltung
Verspannung – Spannung – Entspannung
verspannt – gespannt – angespannt – entspannt Anspannung zu Wohlspannung
Verkrampfung zu Entspannung
Spannungsabbau – Spannungsaufbau
Spannungsregulation – Spannungsausgleich
den Kopf hängen lassen
vom Leid gebeugt
sein Kreuz tragen
Beispiele für Redewendungen, die die Begriffe Haltung und Tonus beinhalten, sind im folgenden aufgelistet:
Haltung bringt Atem – schlechte Haltung stiehlt Atem!
Ton braucht Tonus!
Aus dem Ton den Tonus heraushören – aus dem Tonus den Ton ablesen, d. h. den Tonus ausbalancieren.
Angst verändert Tonus, und Schmerz verändert Tonus.