Handbuch Europarecht - Band 2: Europäisches Kartellrecht

Handbuch Europarecht - Band 2: Europäisches Kartellrecht

von: Walter Frenz

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540284949

Sprache: Deutsch

902 Seiten, Download: 4652 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Handbuch Europarecht - Band 2: Europäisches Kartellrecht



Kapitel 3 Kartellverbot (S. 103-104)

§ 1 Grundstruktur und Zielsetzung
A. Zweck
I. Spezifische Ergänzung zu den Grundfreiheiten


Die Wettbewerbsregeln stellen zusammen mit den Grundfreiheiten einen freien Wirtschaftsverkehr im europäischen Binnenmarkt sicher und erfassen in der Gesamtschau sowohl private als auch staatliche Verhaltensweisen. Das verleiht ihnen erst ihre flächendeckende Effektivität. Aufgrund ihrer sich gegenseitig ergänzenden Funktion überlappen sie sich dabei kaum. Das gilt zumal für die unternehmensbezogenen Wettbewerbsregeln. Deren bedeutendste Ausprägung ist das an der Spitze stehende Kartellverbot nach Art. 81 EG.

Spezifisch das Kartellverbot will privates Verhalten domestizieren, damit der Wettbewerb im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr unverfälscht erfolgen kann. Es sollen nicht von Unternehmen Wettbewerbsbeschränkungen wieder aufgebaut werden, welche in ihren Wirkungen den durch den EG abgeschafften staatlichen Hürden entsprechen. Daraus ergibt sich ein spezifischer Funktionszusammenhang zwischen Grundfreiheiten und Kartellverbot, bei dem Letzteres insbesondere die Zoll- und die Warenverkehrsfreiheit in ihrem Erfolg sicherstellt und vor privaten Beeinträchtigungen schützt. Gerade staatsübergreifende Kartelle können Zöllen und Kontingenten in ihrem Effekt gleichkommen, indem Märkte aufgeteilt und Preise abgesprochen werden. Sie dürfen daher nicht an die Stelle staatlicher Maßnahmen treten. Ein ungehinderter grenzüberschreitender Wirtschaftsverkehr beruht deshalb auf einem Verbot sowohl staatlicher als auch privater Beeinträchtigungen.

II. Freier unternehmerischer Wettbewerb als Selbstwert

Das Verbot privater Wettbewerbsbeeinträchtigungen dient dazu, den funktionierenden Wettbewerb zwischen autonom entscheidenden Privaten nicht zu verfälschen. Die Selbstständigkeit unternehmerischer Entscheidungen soll erhalten bleiben. Der Charakter des Kartellverbots als Freiheitsrecht rückt damit in den Vordergrund. Die Unverfälschtheit des Wettbewerbs steht in enger Verbindung mit der Wettbewerbsfreiheit. In Art. 4 Abs. 1 und 2 EG wird der Wettbewerb denn auch ausdrücklich als freier Wettbewerb benannt, wenngleich in Verbindung mit einer offenen Marktwirtschaft. Dieser Zusammenhang belegt indes die freiheitliche Ausrichtung des Wettbewerbsgedankens. Soweit die Marktwirtschaft in Art. I-3 Abs. 3 VE als in hohem Maße wettbewerbsfähige und soziale propagiert wird, wird dadurch in erster Linie die Wirtschaftspolitik für andere Einflüsse geöffnet. Der Wettbewerb selbst wird aber in Art. I-3 Abs. 2 VE gleichermaßen mit den Adjektiven „frei" und „unverfälscht" versehen, und zwar in Verbindung mit dem Binnenmarkt. Somit bleibt weiterhin anerkannt, dass der Wettbewerb ein freier sein muss.

Daraus ergibt sich weiter gehend, dass die Freiheit unternehmerischer Initiative einen Selbstwert bildet, der in erster Linie über das Kartellverbot sicherzustellen ist. Nur so können auch die übergeordneten Ziele erreicht werden, in deren Kontext der Wettbewerb eingebunden ist. Aus dieser ganzheitlichen Sicht mag der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt kein Selbstzweck sein. Indes ist Wettbewerb ohne Freiheit nicht vorstellbar und taugt daher auch nicht für die Erreichung der anderen Vertragsziele. Freier unternehmerischer Wettbewerb bildet deshalb einen Selbstwert, zumal er auch in dieser Kombination an zentraler Stelle im Vertrag genannt wird.

Freier Wettbewerb wird insbesondere durch kooperative Verhaltensweisen von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen behindert, die dem Wettbewerb zuwider laufen, indem sie einzelne Mitbewerber ausgrenzen. Diese Verhaltensweisen wirken sich stärker Wettbewerbsverfälschend aus als etwa staatliche Subventionen, weil sie von den am Wettbewerb Beteiligten kommen und das Gleichgewicht der im Wettbewerb stehenden Unternehmen von innen verschieben. Sie drohen daher neben der Aufrichtung von Handelshürden im grenzüberschreitenden Verkehr etwa durch Gebietsabsprachen die Struktur freien Wettbewerbs zwischen den Konkurrenten schleichend auszuhöhlen und damit eine im Idealfall vom Geiste fairen Wettbewerbs beherrschte Unternehmenskultur zu zerstören. Darum liegt in der wettbewerbsorientierten Handhabung des Kartellverbots der Schlüssel zu einem in sich ruhenden unverfälschten Wettbewerb.

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