Jugendmedizin - Gesundheit und Gesellschaft
von: B. Stier, N. Weissenrieder
Springer-Verlag, 2006
ISBN: 9783540297185
Sprache: Deutsch
553 Seiten, Download: 10433 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
5 Jugendliche in der Gesellschaft – Jugend und Politik (S. 35)
R. Schmidt (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
Jede Gesellschaft tragt für Kinder und Jugendliche besondere Verantwortung im ureigenen Interesse. Die Gesellschaft braucht die Kreativität, den Ideenreichtum, die Unbefangenheit und die Handlungsfähigkeit der Jugend. Hier sind die Politik und alle gesellschaftlichen Gruppen, aber insbesondere auch die Berufsgruppen gefragt, die täglich mit Kindern, mit Jugendlichen und den Eltern in Berührung kommen und die Weichen für das Aufwachsen stellen. Sie entscheiden auch darüber, welche Innovationskraft die Jugend in der Gesellschaft entfalten kann. Jugendpolitik ist damit unverzichtbarer Bestandteil der Modernisierungspolitik. Kinder- und Jugendstudien werden in Politik, Wissenschaft, Medien und Praxis als wichtiger Seismograph gesellschaftlichen Wandels gewertet. Ich mochte wichtige Trends der Studien aufgreifen und diese Befunde politisch bewerten.
Eine Generation »selbstbewusster Macher« und »pragmatischer Idealisten«: Bestätigung für eine aktivierende Jugendpolitik
Die Ergebnisse aller Jugendstudien machen deutlich (Shell, IPOS, DJI Jugendsurvey): Die Jugend ist besser als ihr Ruf. Die Mehrzahl der Jugendlichen verfugt über eine optimistische und leistungsorientierte Zukunftseinstellung. Die jungen Frauen und Männer zeigen eine hohe Leistungsbereitschaft nach dem Motto Aufsteigen statt aussteigen. Die Gruppen der selbstbewussten Macher und pragmatischen Idealisten prägen das Bild und wirken als gesellschaftliche Trendsetter aus der Mitte der Gesellschaft (Shell). Die Jugendlichen wollen praktische Probleme in Angriff nehmen, die mit persönlichen Chancen verbunden sind. Sie verlassen sich nicht auf Dritte, sondern nehmen ihre Zukunftsplanung selbst in die Hand.
Ich werte diese Ergebnisse sehr positiv. Eindeutig ist: Die Bundesregierung liegt richtig mit ihrem Leitbild einer aktivierenden Jugendpolitik, die die Fahrigkeiten der Jugendlichen fordert aber auch dazu auffordert, die entwickelten Talente und Ideen aktiv wieder in die Gesellschaft einzubringen.
Mädchen und junge Frauen haben die Nase vorn
Madchen und junge Frauen haben im Bereich der Schulbildung die Jungen langst uberholt. Madchen und junge Frauen sind ehrgeiziger geworden und nicht mehr bereit, das Feld den jungen Männern zu überlassen. Macht, Einfluss und Karriere sind erstrebenswerte Ziele auch für Madchen und junge Frauen. Erfolgreiche Schul- und Ausbildungsabschlusse geben ihnen das nötige Rustzeug. Hier ernten wir die Fruchte unserer Gleichstellungs- und Frauenforderung. So hat eines der strategischen Ziele der Bundesregierung die gleichberechtigte Teilhabe von Madchen und Frauen an der Entwicklung der Informationsgesellschaft einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht. Das Regierungsprogramm Innovation und Arbeitsplatze für die Informationsgesellschaft zeigt ebenso deutlich Erfolge wie Kooperationsprojekte mit der deutschen Wirtschaft. Wir müssen und werden durch unsere politische Arbeit alles daran setzen, dass die guten Ausgangsvoraussetzungen und die erklärten beruflichen Ziele der Madchen auch im weiteren beruflichen Weg umgesetzt werden. Ich arbeite auf eine Gesellschaft hin, in der Frauen ihre hervorragenden Ausbildungsvoraussetzungen umsetzen und gleichermaßen wie Männer Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen.
Die Ergebnisse der Jugendstudien räumen auch auf mit dem Vorurteil, wonach die Berufs- und Erfolgsorientierung zulasten von Toleranz, Emotionalität und sozialem Engagement geht. Vielmehr wird deutlich: Auch bei Jungen und jungen Männern wird die Vereinbarkeit dieser Werte zunehmend gelebt.
Familie und Karriere: Die Synthese von alten und neuen Werten
Mehr Jugendliche als jemals zuvor verknüpfen sog. moderne mit alten Werten und Lebensorientierungen. Fleiß und Ehrgeiz, Macht und Einfluss, Kreativität und Toleranz, Familie und Beruf fugen sich zu einem neuen Leitbild und Lebensmuster zusammen. Dieser Wertemix ist kennzeichnend für die junge Generation. Dass diese Ziele auch gleichzeitig gelebt werden können, dazu tragen unsere Reformen zur Forderung der Balance von Beruf und Familie sowie zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten deutlich bei. Wir ermöglichen jungen Eltern die Balance von Familie und Beruf durch gleichzeitige Inanspruchnahme der Elternzeit. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, beruflich aktiv zu bleiben und damit persönliche Karrierewege weiter auszubauen.
Aktivierung und Integration bleiben wichtige politische Ziele
Politisch setzt sich die Bundesregierung aber natürlich nicht nur mit den Gewinnern der gesellschaftlichen Entwicklung auseinander. Wir stehen für Chancengerechtigkeit und setzen alles daran, benachteiligten Jugendlichen Qualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen, sie zu aktivieren und sozial besser zu integrieren. Mit der Programmplattform Entwicklung & Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten (E&C) haben wir auf einen der großen gesellschaftlichen Missstande regiert: Immer noch sind es die sozialen und familiären Rahmenbedingungen, die über individuelle Lebenschancen, Zugange zu Bildung, Ausbildung sowie persönlicher und beruflicher Entwicklung junger Menschen entscheiden. Dieser Befund, der für den formellen Bildungsbereich in jüngster Zeit eindrucksvoll und erschreckend durch die PISA-Studie bestätigt wurde und nun auch unter dem Stichwort der Vererblichkeit von Bildungszugängen in der 14. Shell-Studie wieder auftaucht, betrifft in besonderer Weise Jugendliche, die in sog. sozialen Brennpunkten aufwachsen. Dies sind Gebiete, in denen sich Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt häufen und Herausforderungen auf diese Jugendlichen zukommen, die insbesondere bei der Integration von Migrantinnen und Migranten entstehen. Ziel unserer Programmplattform E&C ist es, Mittel und Aktivitäten zu bündeln, um die Lebensbedingungen und Chancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, die in diesen Stadtteilen aufwachsen. Es geht uns einerseits darum, sie in berufsvorbereitende Maßnahmen bzw. in Arbeit zu bringen und so gesellschaftlich und sozial zu integrieren. Andererseits wollen wir durch diese Investitionen den Niedergang der betroffenen Quartiere und Regionen aufhalten und nachhaltige Entwicklungen anstoßen.