Natürliche und künstliche Intelligenz - Einführung in die Kognitionswissenschaft

Natürliche und künstliche Intelligenz - Einführung in die Kognitionswissenschaft

von: Manuela Lenzen

Campus Verlag, 2002

ISBN: 9783593400327

Sprache: Deutsch

164 Seiten, Download: 674 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Natürliche und künstliche Intelligenz - Einführung in die Kognitionswissenschaft



Intelligenz sitzt nicht im Kopf  (S. 104-105)

Die verhaltensbasierte Robotik versucht Intelligenz »von unten«, von einfachen Bewegungs- und Orientierungsleistungen ausgehend zu erfassen. Dazu baut sie nach der natürlichen Evolution abgeschauten Prinzipien Roboter, die in der Lage sind, selbständig Aufgaben zu lösen. Die Biologie fungiert dabei als wichtiger Ideenlieferant.

Vom Programm zum Roboter: Ein neuer Ansatz in der Kognitionswissenschaft
Alan Turing hatte zwei Wege gesehen, um die Entwicklung künstlicher Intelligenz voranzutreiben: denjenigen, der bei abstrakten Tätigkeiten wie dem Schachspielen ansetzte, und denjenigen, Maschinen »mit den besten Sinnesorganen auszustatten, die überhaupt für Geld zu haben sind, und sie dann zu lehren, englisch zu verstehen und zu sprechen« (Turing 1967, S. 137). SeitMitte der 80er Jahre beschreitet die Kognitionswissenschaft nun auch den zweiten Weg. Dieser wird als verhaltensbasierte Künstliche Intelligenz (behavior based artificial intelligence), als verkörperte, situierte oder einfach als neue Künstliche Intelligenz oder als verkörperte Kognitionswissenschaft (embodied cognitive science) bezeichnet. Mit dem Begriff »verhaltensbasiert« setzt sie sich explizit von den »wissensbasierten « Systemen des klassischen Ansatzes ab. Dieser Ansatz geht, ähnlich wie der Konnektionismus, davon aus, dass Intelligenz nicht durch Repräsentationssysteme mit möglichst großer Rechenleistung erreicht werden kann. Sie setzen am anderen Ende der kognitiven Leistungen an, bei der Orientierung im Raum, beim Erkennen der Umwelt, bei der Bewegung der Gliedmaßen. Intelligenz entsteht dieser Ansicht nach nicht aus einer zentralen Recheneinheit, sondern aus dem Zusammenspiel vieler einfacher Strukturen. Das besondere an diesem Ansatz ist, dass er sich nicht mit Simulationen begnügt, sondern auf den Bau von Robotern setzt.

Natürliche intelligente Wesen beschäftigen sich nicht nur mit hochgeistigen Leistungen. Den größten Teil ihrer Zeit verbringen sie mit mehr oder weniger routiniertem Verhalten in mehr oder weniger stabilen Umwelten. Und sie haben einen Körper, dessen Bedürfnisse befriedigt sein wollen. Dies versucht die neue KI zu berücksichtigen. Ihre Systeme erhalten nun ebenfalls einen Körper, das heißt, sie sind Roboter und bewegen sich in mehr oder weniger natürlichen Umwelten – in der Regel in den Räumen und Gängen der Institute ihrer Erfinder. Sie nehmen ihre Umwelt durch Sensoren wahr und orientieren ihr Verhalten an diesen Wahrnehmungen. Dadurch sind sie in der Lage, den in den Büros herumlaufenden Menschen und den an unvorhersehbaren Stellen auftauchenden Bücherstapeln auszuweichen. Sie sind nicht mit einem starren Plan der Welt und einer Liste von Aufgaben ausgestattet, die nacheinander abzuarbeiten wären, sondern sie müssen sich im Hier und Jetzt einer sich moderat verändernden Welt zurechtfinden, müssen selbst entscheiden, wann sie eine Aufgabe erledigen, etwa leere Coladosen aufsammeln, und wann es dringender ist, die eigene Batterie wieder aufzuladen. Sie sind situiert und verkörpert (situated und embodied). Anders als die Systeme der GOFAI mit ihrem spezialisiertes Wissen, das eher in die Tiefe als in die Breite geht, verfügen sie über viele Kompetenzen auf niedrigerem Niveau. Dafür interagieren sie, wiederum anders als die GOFAI-Systeme, deren einzige Verbindung zur Welt der Benutzer ist, selbst mit derWelt. Dies, so die Hoffnung der Vertreter des Verkörperungsparadigmas, wird dazu führen, dass sie selbst lernen, welche Aspekte der Welt für sie wichtig sind. Es wird sie dazu bringen, Unterscheidungen zu treffen, die für sie selbst bedeutungsvoll sind, nicht nur für ihre Benutzer.

Dieser neue Ansatz zielt auf das Verhalten, nicht auf das Wissen der künstlichen Systeme. Es wird meist nicht erwartet, dass das System Fragen über seine Tätigkeit beantworten oder angeben kann, wie seine Probleme zu lösen sind. Dabei wird hingenommen, dass auch die Konstrukteure bisweilen nicht im Einzelnen wissen, wie ein solches System ein bestimmtes Problem löst. Wichtiger ist den Forschern, dass das System sich entwickelt, seine Strukturen selbst verbessert.

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