Die Quandts

Die Quandts

von: Rüdiger Jungbluth

Campus Verlag, 2002

ISBN: 9783593402437

Sprache: Deutsch

392 Seiten, Download: 5187 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Quandts



10. »Keiner passt so gut wie Sie« Quandts Einstieg in eine siechende Rüstungsfirma
(S. 85-86)

Wenn es der Wahrheit entspricht, was Günther Quandt über seinen Einstieg bei den Berlin-Karlsruher Industriewerken geschrieben hat, hat er sich selbst um dieses Unternehmen in keiner Weise bemüht, sondern andere große Aktionäre waren daran interessiert, ihn an der Spitze dieser Firma zu sehen. Ob das die Wahrheit ist, ist aber sehr zweifelhaft. Denn Günther Quandt hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einigen Grund, sein Engagement gerade für dieses Unternehmen kleiner erscheinen zu lassen, als es tatsächlich war.
Den zivil klingenden Namen Berlin-Karlsruher Industriewerke hatte die Firma erst 1922 bekommen. In den 26 vorhergehenden Jahren hatte das Unternehmen Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) geheißen und war einer der größten deutschen Rüstungskonzerne des Landes gewesen. Seine Geschichte reichte zurück bis zum Deutsch-Französischen Krieg.

Nach Quandts Darstellung suchte ihn im Juni 1928 der Bankier Paul Hamel vom Bankhaus Sponholz auf. Er war seit 1923 im Aufsichtsrat der Accumulatoren-Fabrik. Seit ihrem gemeinsamen Vorgehen bei der Übernahme der AFA waren die beiden befreundet. Jetzt wollte der Bankier von Quandt wissen, ob er Aktien der Berlin-Karlsruher Industriewerke besäße. Günther Quandt besaß tatsächlich einige Anteile, allerdings viel zu wenig, um irgendeinen Einfluss auszuüben. Der Grund für Hamels Frage war, dass der Bankier wieder einmal dabei war, einen Kreis von Aktionären gegen die Geschäftsführung eines Unternehmens in Stellung zu bringen. Bei den Berlin-Karlsruher Industriewerken war es allerdings keine Kapitalerhöhung, die Hamel blockieren wollte, sondern eine Herabsetzung. Der Chef des Unternehmens, ein Generaldirektor namens Paul von Gontard, plante das Grundkapital zu halbieren. Für die Aktionäre hätte das zur Folge gehabt, dass die Dividenden geringer ausgefallen wären. Hamel hatte den Eindruck gewonnen, dass die Firma noch über ausreichende Reserven verfügte, sodass ein Kapitalschnitt nicht zwingend war. Zudem hatte er Annoncen in die einschlägigen Zeitungen setzen lassen, um Aktionäre zu finden, die mit ihm auf der Generalversammlung gegen die Vorschläge der Firmenspitze stimmten. Auch Günther Quandt erklärte sich bereit, dem Bankier zu diesem Zweck die Stimmrechte aus seinem Aktienbesitz zu übertragen. Hamel hatte noch weitergehende Pläne. Wenn es tatsächlich gelingen sollte, eine Mehrheit gegen das Establishment des Unternehmens in der Kapitalfrage zu mobilisieren, wäre es doch naheliegend, darauf eine dauerhafte Machtposition in der Firma zu gründen. Er selbst strebte in den Aufsichtsrat des Unternehmens. Und er glaubte, es ließe sich in Verhandlungen noch ein weiterer Sitz in dem Kontrollgremium herausholen.

Daher fragte er Quandt: »Würden Sie mit mir einen Sitz im Aufsichtsrat annehmen?« Dessen Antwort: »Ich habe keine Bedenken.« Zur Generalversammlung der Berlin-Karlsruher Industriewerke strömten die Aktionäre an einem Sonnabend im Juli 1928 zusammen. Quandt war zu Hause, als ihn mittags ein Anruf Hamels erreichte. Aufgeregt berichtete der Banker vom unerwarteten Verlauf der Versammlung. Die von Hamel angeführte Aktionärsopposition hatte eine so große Mehrheit gegen die Verwaltung mobilisiert, dass der gesamte Aufsichtsrat des Unternehmens zurückgetreten war. Daraufhin war die Versammlung unterbrochen worden. Ein komplett neuer Aufsichtsrat musste gewählt werden. Hamel wollte von Quandt wissen, ob er noch einen weiteren Vertrauten wüsste, den man in das Kontrollgremium entsenden könnte. Quandt schlug seinen Vetter und Berater Kurt Schneider vor.

Gegen zwei Uhr klingelte bei Quandt erneut das Telefon, es war wieder Hamel. Der neue Aufsichtsrat sei gewählt und halte bereits eine konstituierende Sitzung ab. »Können Sie sich gleich mal in den Wagen setzen und herüberkommen?« Günther Quandt machte sich auf den Weg in die Dorotheenstraße, wo die Berlin-Karlsruher Industriewerke ihre Geschäftsräume hatten. Als er die Tür zum Sitzungszimmer öffnete, kamen ihm die Herren entgegen: »Wir gratulieren Ihnen, Herr Quandt« – »Aber wozu denn?« – »Wir haben Sie soeben zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt.«

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