Vogelzug - Eine aktuelle Gesamtübersicht

Vogelzug - Eine aktuelle Gesamtübersicht

von: Peter Berthold

wbg Academic in der Verlag Herder GmbH, 2015

ISBN: 9783863127879

Sprache: Deutsch

280 Seiten, Download: 5117 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Vogelzug - Eine aktuelle Gesamtübersicht



Vorwort zur 7. Auflage


2011 war auch die 6. Auflage vom „Vogelzug“ vergriffen – eigentlich Grund genug für eine weitere gründlich überarbeitete Neuauflage. Die war zunächst auch geplant, aber inzwischen stehen ihr eine Reihe von Schwierigkeiten unserer modernen Zeit entgegen, die, obwohl sie eigentlich eine grundlegende Neufassung eines Buches wie dem „Vogelzug“ erforderlich macht, es andererseits fraglich erscheinen lässt, ob eine solche Mammutarbeit derzeit überhaupt sinnvoll ist. Aus mehreren Gründen erscheint gegenwärtig vielmehr ein Nachdruck am zweckmäßigsten – dazu nähere Begründungen im Folgenden.

Seit Erscheinen des „Vogelzug“ im Jahre 1990 ist kein zweites Buch veröffentlicht worden, das direkt mit ihm konkurriert. Von einer ganzen Reihe anderer über den Vogelzug erschienener Werke widmen sich mehrere Atlanten auf der Grundlage von Ringfundauswertungen hauptsächlich Wanderungen, andere sind in erster Linie Bildbände mit knappen Texten (z.B. Couzens 2005) oder stellen Bezüge zur Schöpfung her (wie Streffer 2005). Zwei Bücher (Newton 2010 und Hughes 2009) bieten ebenfalls allgemeine Übersichten, unterscheiden sich aber derartig vom „Vogelzug“ und beruhen auf grundsätzlich anderen Konzepten (ersteres ist mit rund 600 Seiten sehr umfangreich, während letzeres auf jegliche Quellenangaben verzichtet), dass der „Vogelzug“ im Vergleich mit anderen Werken zum Thema seinen eigenen Platz als kompakte, umfassende und dennoch überschaubare Übersicht behält. Doch warum dann keine gründlich überarbeitete Neuauflage? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die Basis für Gesamtdarstellungen eines Phänomens wie dem Vogelzug bilden klassische Übersichtsarbeiten (Reviews), die häufig in Symposiums- und Kongressbänden veröffentlicht werden oder besser: wurden. Diese von führenden Fachleuten verfassten Zwischenbilanzen größerer Forschungsbereiche geben meist verlässlich den aktuellen Wissensstand unter Einbeziehung von großen Mengen von Originalarbeiten wieder, die in Buchkompilationen im Einzelnen nicht berücksichtig werden können. Doch derartige Reviews werden seit einiger Zeit kaum mehr publiziert und wenn, dann zunehmend zu sehr speziellen Themen oder auch als Pseudo-Reviews, die nur Teilbereiche eines Fachgebietes betrachten.

Der letzte breit angelegte Review-Band, der die meisten Vogelzugsbereiche berücksichtigt, erschien 2003: „Avian Migration“ (Berthold et al. 2003). Er fasst die Übersichten eines Festkolloquiums aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Vogelwarte Rossitten/Radolfzell zusammen. Der Band war nur Dank großzügiger Unterstützung durch die Max-Planck-Gesellschaft zu drucken, da der Markt für derartige Symposiumsbände weitgehend verloren gegangen ist. So sind auch die Reviews der überaus rührigen Orientierungsforscher, die früher alle paar Jahre erschienen, weitgehend Geschichte (gewissen Ersatz bilden die „Orientation & Navigation-Conferences“ des Royal Inst. of Navigation, die in größeren Abständen durchgeführt werden). Und selbst die klassischen Reviews der Internationalen Ornithologen-Kongresse erscheinen nicht mehr in Kongressbänden, was zu Qualitätsverlusten führt. Beispiele für weiterhin umfassende Reviews im herkömmlichen Format sind „Bird migration in the southern hemisphere: a review comparing continents“ (Dingle 2008) und „Recent advances in understanding migration systems of New World land birds” (Faaborg et al. 2010). Relativ spezielle Reviews enthalten z.B. die Bände über „Optimal Migration“ (Alerstam u. Hedenström 1998), „Birds of Two Worlds – The Ecology and Evolution of Migration” (Greenberg u. Marra 2005) oder „Migration in the life-history of birds” (Bairlein u. Coppack, 2006). Ein typischer Pseudo-Review ist die Arbeit „Hormones in Migration and Reproductive Cycles of Birds“ (Ramenofsky 2011), in der trotz des anspruchsvollen Titels lediglich Daten von zwei amerikanischen Singvogelrassen verglichen werden.

Damit wird deutlich, dass Reviews für eine Übersicht in Buchform oder deren grundlegende Überarbeitung längst nicht mehr die Ausgangsbasis darstellen, wie dies noch vor 20 Jahren der Fall war. Insbesondere fehlen Zwischenübersichten zu den zentralen Themen der Zugforschung. Damit scheidet der noch vor einigen Jahren gehegte Plan zur Überarbeitung des „Vogelzug“ aus: An den Enden der einzelnen Kapitel farbig unterlegte Textabschnitte anzufügen, die den neuen, aktuellen Wissensstand kurz zusammengefasst in Kernsätzen von Reviews wiedergeben.

Nun könnte man sagen: Wenn schon die Reviews als Überarbeitungsbasis nicht mehr so tauglich sind wie früher, dann sollte eben stärker auf Originalarbeiten zurückgegriffen werden, die ohnehin grundsätzlich eingesehen werden müssen. Das ist im Prinzip richtig, bedingt aber letztlich eine andere Buch-Konzeption, wie gleich ersichtlich wird.

Seit der 4. (vollständig überarbeiteten) Auflage des „Vogelzug“ sind über 5000 neue einschlägige Originalarbeiten zum Thema erschienen. Davon abzuziehen ist sicher eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten, die einen eng begrenzten oder trivialen Aspekt unnötig aufbauschen, ohne dabei relevante Literatur angemessen oder überhaupt zu berücksichtigen und darauf einzugehen, dass das Thema bereits anderswo – und vielleicht sogar besser – behandelt wurde. Dazu kommen Arbeiten, die – oft in Verbindung mit Modellen – viel Spekulation und wenig Substanz und Biologie vermitteln und die scientia amabilis mehr mit Ballast befrachten, als sie zu bereichern. Und da beginnt das Dilemma ohne die oben genannten Reviews. Angenommen zum Thema Fettstoffwechsel von Zugvögeln lägen inzwischen rund 250 neue Arbeiten vor, aber kein neuer Review, der sie kompiliert – dann ergibt sich ein nahezu unlösbares Problem: Alle oder nur viele dieser Arbeiten einzubeziehen und dann natürlich auch zu zitieren, würde das Literaturverzeichnis sprengen. Im Hinblick auf die Referenzliste jedoch nur einige Arbeiten herauszupicken, hätte mehr mit Lotteriespiel als einer Auswahl nach wissenschaftlichen Kriterien zu tun und scheidet somit aus. Das heißt aber: Der vorliegende „Vogelzug“ kann nicht einfach durch Einbau von Daten einer Reihe von Originalarbeiten überarbeitet werden, während ein Großteil der Arbeiten unberücksichtigt bleibt. Die „Aussortierten“ würden – zu Recht – ein Klagegeheul anstimmen. Auswege aus diesem Dilemma könnten gefunden werden durch eine Neufassung des „Vogelzug“ (wie ähnlicher anderer Bücher) mit einer ganz neuen Struktur, die folgendermaßen aussehen könnte: Darstellung der Grundsachverhalte auf der Basis von Reviews bis zum vorliegenden Zeitpunkt. Danach anschließend Behandlung neuer und neuester Erkenntnisse exemplarisch anhand der am besten untersuchten Arten und schließlich vergleichende Darstellungen abweichender Verhältnisse bei anderen Arten, mit der Erklärung der Ursachen dafür. Was die immer länger werdenden Literaturverzeichnisse anbelangt, wäre zu überlegen, ob man auf deren Abdruck in Büchern künftig verzichtet und sie stattdessen auf elektronischen Datenträgern mitliefert oder für Interessenten bereithält.

Nach meinen Erfahrungen würde eine Neufassung des „Vogelzug“ in der soeben skizzierten Form mindestens drei Jahre intensiver Arbeit in Anspruch nehmen. Das jedoch möchte ich mir bei meinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr aufbürden, zumal derzeit weitere wichtige Fragen offen bleiben – allen voran: Würde sich eine solche Mammutarbeit bis in ein paar Jahren überhaupt noch lohnen; gäbe es bis dahin überhaupt noch die Adressaten, für die ein solches Werk auf den Weg gebracht würde? Beim Versuch, Antworten zu finden, ist Skepsis durchaus angebracht, wie folgendes zeigt. Am führenden vogelkundlichen Institut Deutschlands, dem Max-Planck-Institut für Ornithologie – Vogelwarte Radolfzell, wird z.Z. die berühmte Präsenz-Bibliothek abgebaut und in Magazin-Räume des Institutsteils in Seewiesen verlagert. Damit verschwindet eine der besten Fachbibliotheken im Land in der Versenkung und mit ihr Schätze, die sie noch aus der Ära der Vogelwarte Rossitten als dem ältesten ornithologischen Institut der Welt besitzt. Nicht einmal ein Handstück des „Journal für Ornithologie“ bleibt erhalten – das seit dem 19. Jahrhundert ganz wesentlich die vogelkundliche Forschung in Deutschland vorangebracht hat. Wer künftig im Institut darin „blättern“ will, muss sich an den Computer setzen und online gehen. Bei dieser „Rodungsaktion“ verschwinden auch mehrere Meter Vogelzugbücher aus den Regalen des Instituts in Schloss Möggingen – eine weitgehend vollständige Kollektion zurück bis ins vorletzte Jahrhundert, darunter natürlich auch der „Vogelzug“ in all seinen Auflagen. Der Grund dafür ist: Die Bibliothek ist bei den heutigen Mitarbeitern mit ihren modernen Forschungsmethoden kaum noch gefragt. Was die neue Forschergeneration an Literatur benötigt, beschafft sie sich aus dem Internet,...

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