Verdi für Eilige

Verdi für Eilige

von: Marianne Reißinger

Aufbau Verlag, 2017

ISBN: 9783841214331

Sprache: Deutsch

213 Seiten, Download: 2454 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Verdi für Eilige



Nabucco


Jerusalem – Der Frevler – Die Prophezeiung –

Das zerbrochene Götzenbild

Es war in biblischer Zeit. Zumindest wird es so oder so ähnlich im Alten Testament erzählt. Nebukadnezar – die Italiener nennen ihn Nabucodonosor und verkürzen den Namen auch auf Nabucco – war König des eroberungslustigen Reiches Assyrien-Babylonien. In seiner Hauptstadt Babylon opferte er vielen Göttern, in großer Not aber rief er zu Baal, dem obersten und auch im Heiden-Himmel mächtigsten Gott. Die Nachbarstaaten rund um Nabuccos Herrschaftsgebiet lebten in ständiger Furcht vor dem kriegslüsternen, selbstherrlichen Fürsten, denn wann immer er sie angriff, bedeutete das für sie Tributpflicht oder Sklaverei.

Mit dieser permanenten Angst lebten auch die Menschen in Israel und Juda, zwei Teilstaaten der Juden. Jerusalem war das Zentrum ihrer staatlichen Macht und mit dem Salomonischen Tempel auch das weithin sichtbare Zeichen ihrer Religion. Die Hebräer hatten sich, im Gegensatz zu allen anderen Völkern des Altertums, von der Vielgötterei abgewandt und glaubten nur noch an einen einzigen Gott. Er war für sie allgegenwärtig, allmächtig, aber unsichtbar. Sie nannten ihn Jahwe; ein Name, aus dem in nicht ganz korrekter Umwandlung Jehova wurde.

Ihr Vertrauen auf diesen einen Gott, der ihnen ja offensichtlich auch immer half, machte die Hebräer vor allem für Nabucco suspekt. Gab es eine Macht, die stärker war als er? Auch deshalb lag der Babylonier-König schon seit längerer Zeit mit dem Staat der Juden im Krieg. Bereits beim ersten Angriff hatte Nabucco den König Ismael als Geisel mit in seine Residenz genommen und wähnte sich seiner Sache sicher. Doch Nabucco unterschätzte die Macht der Liebe. Gleich zwei Frauen in seinem Palast verliebten sich unsterblich in Ismael: Fenena, die Tochter Nabuccos, und Abigail, jene attraktive Frau, die alle am Hof für eine weitere Tochter ihres Königs hielten, obwohl sie ehemals dessen Geliebte war.

Ismael hatte für die resolute, machtgierige Abigail nichts übrig. Er mochte diesen Typ Frau nicht – schon gar nicht, wenn ihn diese vermeintliche Königstochter in religiösen Dingen zu oft belehren wollte. Abigail versuchte immer wieder, Ismael zum strengen Glauben an Baal und die anderen Götter der Babylonier zu bewegen. Die weiche, liebliche und tolerante Fenena dagegen liebte Ismael vom ersten Augenblick an. Eine Liebe, die ihn blind machte, denn er dachte keinen Moment an die politischen Folgen für sein Land, als er – Geisel und damit Garant für den Frieden – aus Nabuccos Palast flüchtete und mit Fenena in Jerusalem ankam.

Jerusalem

Nabuccos Zorn ließ nicht lange auf sich warten. Nun stand er schon zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt mit seinem Heer vor den Toren Jerusalems. Nicht nur, um seine Tochter zurückzuholen, sondern auch, um den wieder einmal unbotmäßigen Vasallenstaat zu züchtigen, ihm endgültig klarzumachen, welches seine wahre Rolle in der orientalischen Welt zu sein habe.

Schon lagern Nabuccos Truppen vor dem Tempel, und die Eroberung dieses letzten Bollwerks der Israeliten ist nur noch eine Frage von Tagen. In Todesangst sind viele Bewohner Jerusalems in das Innere des Salomonischen Tempels geflohen. Sie scharen sich um Zacharias, den Hohepriester und das geistlich-religiöse Oberhaupt aller Juden. Mit Inbrunst folgen sie den Leviten – den Angehörigen des besonders frommen Stammes Levi, die den Tempeldienst versehen –, die sie zu Gebeten und Gesängen ermahnen, damit Gott sein Volk noch einmal schützen möge.

Laut, als könne das den Feind vertreiben, singen die Hebräer, Leviten und die hebräischen Jungfrauen angstvoll und anklagend: »Verhüllt euch in Trauer, Hebräer, Leviten, vorbei sind die Feste der Israeliten! Die zürnende Gottheit kein Bitten versöhnte, durch Nabucco entstand unser Leid. Barbarischer Horden Geschrei wüst ertönte, der heilige Tempel erscheint uns entweiht.« Und wie schutzlose Kinder rufen die Jungfrauen: »Allmächtiger Vater in himmlischen Höhen, ach laß deine Kinder nicht vergebens flehen. Zerstöre, vernichte die feindlichen Scharen und gib Davids Töchtern den Frieden zurück!«

Doch Zacharias hat einen anderen, im Krieg vielleicht hilfreicheren Trumpf in der Hand: Fenena. Es sind mehr als nur tröstende Worte, wenn er seinem Volk sagt: »Habt Mut, Kinder Judas. Gott zeigt sich unserm Land gnädig, er gab uns die Tochter des Gegners zum Unterpfand. Den Frieden möge uns Nabuccos Kind bringen.« Ein kurzer Hoffnungsschimmer, denn schon stürmt Ismael in den Tempel: »Nabucco steht vor den Toren!« Nicht ahnend, was er damit tut, übergibt Zacharias Fenena an Ismael, damit er das kostbare Friedenspfand gut bewache.

Kaum allein, hat Ismael den Krieg um ihn herum vergessen, denkt nur noch an seine Liebe. Fenena ist es, die ihn an seine Pflichten erinnert: »An diesem Tag der Rache sprichst du zu mir von Liebe? Verletzt du so deine Pflicht? Hier bin ich nicht mehr als eine Sklavin.« Trotzdem will Ismael die Geliebte retten, ihr einen geheimen Fluchtweg aus dem Tempel zeigen. Aber kaum öffnet er diese Tür, steht Abigail vor ihnen. »Der Tempel ist erobert«, verkündet sie dem ertappten Liebespaar hochmütig und bezichtigt ihre Konkurrentin Fenena des Verrats am assyrischen Volk. Und mit dem bitteren Haß der verschmähten Frau schleudert sie Ismael entgegen: »Oh, welch tapferer Held! Im Buhlen vollbringt er Siegestaten.« Denn noch immer hat Abigail die Hoffnung nicht aufgegeben, Ismael für sich zu gewinnen.

Vergeblich – und zu spät, denn schon ist Nabucco mit seinen Kriegern in den Tempel hineingeritten, spottet über das Heiligtum der Hebräer, verhöhnt ihren Gott Jehova. Zacharias sieht nur noch einen Ausweg, die Zerstörung des Tempels zu verhindern: »Verwegener, Frevler! Lechzt dein Sinn nach Blutvergießen – hier sieh das Opfer: Deiner Tochter Blut soll als Sühne fließen. Sie sterbe.« Voller Wut zückt der Hohepriester den Dolch, um Fenena zu töten. Doch nicht einmal der drohende Tod der eigenen Tochter kann Nabucco umstimmen. Es ist Ismael, der die Geliebte rettet – um den Preis, daß der Salomonische Tempel zerstört wird und die Hebräer als Gefangene nach Babylon laufen müssen. Für sein eigenes Volk ist Ismael von nun an der Frevler, der schuld ist an all den kommenden Qualen und Plagen.

Der Frevler

Mühsam war der Marsch nach Babylon gewesen. Die hebräischen Männer und Frauen wußten, was sie im Land ihrer Feinde erwartete: die härteste Arbeit auf dem Feld oder beim Bau von Häusern, Straßen und Palästen – jene niederen Arbeiten, für die man sich Sklaven hält. Und sie hatten sich nicht getäuscht. Schweigend schuften sie, fragen sich immer wieder voller Verzweiflung, ob Jehova sie ganz verlassen habe, warum er sie nicht aus dieser Knechtschaft befreit.

Am Rande der Stadt müssen sie wohnen, sehen nichts von der Königsburg, nichts von den berühmten Hängenden Gärten. Auch Fenena und Ismael leben nun wieder in Babylon; trotz ihres Vergehens hat Nabucco ihnen verziehen und Fenena während seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte übertragen. Und während Nabucco schon längst wieder auf einem neuen Feldzug ist, ahnen sie nicht, daß ihr Leben an einem seidenen Faden hängt – am Ehrgeiz einer Frau. In den Gemächern des Palastes nämlich hat Abigail zufällig eine Pergamentrolle gefunden, die ihre Sympathie für Nabucco von einem Augenblick zum anderen in tiefen Haß verwandelt. Ein Schriftstück, das keinen Zweifel an ihrer wahren Herkunft läßt.

In wildem Furioso stürmt Abigail in den Salon Nabuccos: »O Glück! Ich fand das verhängnisvolle Schriftstück, das mich der Schande preisgibt. Ich, Abigail, bin das Kind einer Sklavin. Wohlan, es sei drum! Man glaubt, ich sei als Königstochter geboren. Was bin ich hier? Nicht mehr als eine Sklavin. Die Herrschaft ließ der König bei seiner Abreise in den Krieg der jüngeren Fenena, die jetzt vor meinen Augen glücklich mit ihrem hebräischen Geliebten lebt. Ich soll diese Schmach ertragen? Nein, meine Rache soll den Frevler treffen. Zuerst muß Fenena sterben, dann der verhaßte Vater. Ach, auf ewig ist das Sehnen nach Liebe, nach Seligkeit verloren.« Bei aller Liebe aber, das verräterische Dokument versteckt Abigail nun in ihrem Kleid.

Jetzt, wo Abigail schriftlich vor Augen hat, daß sie am Hof Nabuccos ohne königliche Rechte lebt, erinnert sie sich voller Wehmut an die Liebesstunden mit dem Mann, den nur das Volk für ihren Vater hält. Doch schneller, als sie denkt, bieten ihr die über ihre Herkunft ahnungslosen Priester des Gottes Baal und die Tempelmagier Gelegenheit zur Rache. Heftig wird die Salontür aufgestoßen, fassungslos stürmt der Oberpriester des Baal auf Abigail zu: »Entsetzen packt mich, die Angst läßt mich erbleichen. Fenena ließ die hebräischen Feinde entweichen, will ihnen die Freiheit geben. Juda wird wieder Krieg mit uns anfangen. Deshalb sind wir bereit, dir die Krone anzutragen.«

Nichts lieber als das, denkt Abigail. Und die Magier haben auch schon eine Idee, wie sie Fenena als Regentin absetzen und Abigail zur Königin machen können: »Wir verbreiten die falsche Nachricht, daß der König im Krieg gefallen sei. Dann werden wir dem Volk im Namen des großen Baal befehlen, dich zur Königin zu wählen. Nur du nämlich kannst verhindern, daß unser mächtiges Reich zerfällt, wir selbst zu Sklaven anderer Fürsten werden.«

Während im Salon des Königs die Intrige der Baal-Priester gesponnen wird, steht Zacharias, der Oberpriester der Israeliten, mit den Gesetzestafeln unter dem...

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