Für immer ein Teil von dir - Roman | Die deutsche Ausgabe von ?Reminders of Him?

Für immer ein Teil von dir - Roman | Die deutsche Ausgabe von ?Reminders of Him?

von: Colleen Hoover

dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, 2022

ISBN: 9783423440967

Sprache: Deutsch

400 Seiten, Download: 868 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Für immer ein Teil von dir - Roman | Die deutsche Ausgabe von ?Reminders of Him?



Kapitel 1

Kenna


Am Straßenrand steht ein kleines Holzkreuz mit dem Datum seines Todestages.

Scotty hätte das nicht gewollt. Bestimmt hat seine Mutter es dort aufgestellt.

»Können Sie bitte anhalten?«

Der Fahrer verlangsamt und bringt das Taxi zum Stehen. Ich steige aus und gehe zu der Stelle mit dem Kreuz zurück. Ich bewege es hin und her, bis sich die Erde darum herum lockert, und ziehe es dann heraus.

Ist das genau die Stelle, an der er gestorben ist? Oder war es auf der Straße?

Ich habe in der Vorverhandlung nicht zugehört, als es um die Einzelheiten ging. Als davon die Rede war, er sei mehrere Meter vom Auto weggekrochen, habe ich angefangen zu summen, weil ich mir die Ausführungen des Staatsanwalts nicht anhören wollte. Und dann habe ich mich lieber gleich schuldig bekannt, um im Falle eines Verfahrens nicht mit allen Details konfrontiert zu werden.

Denn im Prinzip war es ja meine Schuld.

Ich habe ihn zwar nicht durch meine Taten getötet, aber ganz gewiss durch meine Tatenlosigkeit.

Ich dachte, du wärst tot, Scotty. Aber Tote können nicht mehr kriechen.

Mit dem Kreuz in der Hand gehe ich zum Taxi zurück. Ich lege es neben mich auf die Rückbank und warte, dass der Fahrer wieder losfährt, aber das tut er nicht. Als ich in den Rückspiegel schaue, stelle ich fest, dass er mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansieht.

»Das bringt bestimmt schlechtes Karma, so ein Straßenkreuz zu klauen. Sind Sie sicher, dass Sie das Ding da mitnehmen wollen?«

Ich wende den Blick ab und lüge. »Ich hab es ja selbst dort aufgestellt.« Er fährt los, aber ich spüre genau, dass er mich weiter anstarrt.

Bis zu meiner neuen Wohnung sind es von hier nur noch drei Kilometer. Früher habe ich ein Stück in die andere Richtung gewohnt, aber jetzt, ohne Auto, habe ich mir lieber etwas Zentraleres gesucht, damit ich zu Fuß zur Arbeit gehen kann. Falls ich überhaupt Arbeit finde. Mit meiner Vorgeschichte und meiner mangelnden Erfahrung wird das nicht einfach. Ganz abgesehen von dem miesen Karma, das ich nach Meinung des Taxifahrers von nun an mit mir rumschleppe.

Mag sein, dass es schlechtes Karma bringt, Scottys Kreuz zu klauen, aber ein Kreuz für einen Mann stehen zu lassen, der ganz eindeutig etwas gegen Straßenkreuze hatte, wäre auch nicht besser. Darum wollte ich den Umweg über diese Nebenstraße nehmen. Mir war schon klar, dass Grace vermutlich etwas an der Unglücksstelle aufgestellt hatte, und das wieder wegzunehmen, war ich Scotty irgendwie schuldig, fand ich.

»Bar oder mit Karte?«, fragt der Fahrer.

Nach einem raschen Blick auf das Taxameter ziehe ich ein paar Geldscheine aus dem Portemonnaie und reiche sie ihm, sobald er anhält. »Stimmt so.« Dann steige ich mitsamt Koffer und dem soeben entwendeten Holzkreuz aus dem Taxi und gehe zum Haus hinüber.

Meine neue Wohnung gehört nicht zu einer großen Wohnanlage, sondern zu einem einzelnen Gebäude, das auf der einen Seite von einem verlassenen Parkplatz und auf der anderen von einer Tankstelle flankiert wird. Eines der Fenster im Erdgeschoss ist mit Holz zugenagelt. Bierdosen in unterschiedlichen Zuständen des Verfalls fliegen auf dem Grundstück herum. Ich kicke eine beiseite, damit sie den Rollen meines Koffers nicht in die Quere kommt.

In der Realität sieht es hier noch übler aus als auf den Bildern im Internet, aber damit hatte ich schon gerechnet. Als ich angerufen habe, um mich nach einem freien Apartment zu erkundigen, hat die Besitzerin noch nicht einmal nach meinem Namen gefragt. Sie meinte nur: »Bei uns ist immer was frei. Zahlen Sie bar. Ich bin in Apartment eins.« Und damit legte sie auf.

Ich klopfe an der Tür mit der Nummer eins. Im Fenster sitzt eine Katze und starrt mich an. Sie sitzt so regungslos da, dass ich mich schon frage, ob es nur eine Figur ist, doch dann zwinkert sie und schlüpft davon.

Die Tür öffnet sich und eine kleine, ältere Frau blickt missmutig zu mir auf. Sie hat Lockenwickler im Haar und ihr Lippenstift ist bis zur Nase hinauf verschmiert. »Ich kaufe nichts.«

Ich starre den Lippenstift an, der in die Falten um ihren Mund gekrochen ist. »Wir haben letzte Woche telefoniert wegen einer Wohnung. Sie sagten, Sie hätten was frei.«

Über das faltige Gesicht der Frau huscht ein Hauch von Erinnerung. Mit einem Hmph mustert sie mich von oben bis unten. »Hätte Sie mir anders vorgestellt.«

Ich weiß nicht, was ich von dieser Bemerkung halten soll, und schaue an meiner Jeans und meinem T-Shirt hinunter, während sie sich kurz von der Tür entfernt. Dann kommt sie mit einem Schlüssel und einem Reißverschlusstäschchen zurück. »Fünfhundertfünfzig im Monat. Die erste und letzte Monatsmiete wird heute fällig.«

Ich zähle das Geld und reiche es ihr. »Kriege ich keinen Vertrag?«

Sie lacht und stopft das Geld in ihr Täschchen. »Sie sind in Nummer sechs.« Sie reicht mir den Schlüssel und deutet nach oben. »Das ist direkt über mir, also sehen Sie zu, dass Sie leise sind. Ich gehe früh schlafen.«

»Was ist mit den Nebenkosten?«

»Wasser und Müll sind inklusive, aber Sie zahlen den Strom. Der läuft jetzt – Sie haben drei Tage, um ihn auf Ihren Namen umschreiben zu lassen. Der Stromlieferant verlangt zweihundertfünfzig Vorauszahlung.«

Scheiße. Wie soll ich innerhalb von drei Tagen 250 Dollar auftreiben? Ich frage mich langsam, ob es gut war, jetzt schon zurückzukommen, aber als ich aus dem Übergangswohnheim entlassen wurde, hatte ich nur zwei Möglichkeiten: mein ganzes Geld dafür auszugeben, mich in der Stadt dort über Wasser zu halten, oder fünfhundert Kilometer zu fahren und mein restliches Geld hier auszugeben.

Und ich bin einfach lieber in der Stadt, in der auch die Leute sind, die Scotty nahegestanden haben.

Die Frau tritt einen Schritt zurück. »Willkommen in den Paradise Apartments. Sobald Sie sich eingerichtet haben, bringe ich Ihnen ein Kätzchen vorbei.«

Instinktiv lege ich die Hand auf ihre Tür, um zu verhindern, dass sie sie schließt. »Moment mal. Wie bitte? Ein Kätzchen?«

»Ja, genau. Eine kleine Katze.«

Ich weiche einen Schritt von der Tür zurück, als könnte mich das irgendwie vor dem schützen, was sie soeben gesagt hat. »Nein danke. Ich möchte kein Kätzchen.«

»Ich habe zu viele.«

»Ich möchte kein Kätzchen«, wiederhole ich.

»Aber jeder hätte doch gerne ein Kätzchen.«

»Ich nicht.«

Sie seufzt, als wäre meine Antwort vollkommen unverständlich. »Okay, ich mache Ihnen ein Angebot. Ich lasse den Strom noch zwei Wochen laufen, wenn Sie ein Kätzchen nehmen.« Was zum Teufel geht hier eigentlich ab? »Na gut«, sagt sie als Antwort auf mein Schweigen, »für den ganzen Monat. Ich lasse den Strom noch einen Monat laufen, wenn Sie dafür ein einziges Kätzchen nehmen.« Sie geht in ihre Wohnung zurück und lässt die Tür offen stehen.

Ein Kätzchen ist wirklich das Letzte, was ich will, aber diesen Monat nicht schon gleich 250 Dollar für Strom hinblättern zu müssen, könnte mehrere Kätzchen wert sein.

Sie kommt zurück mit einem kleinen schwarz-orange getigerten Kätzchen auf dem Arm, das sie mir in die Hände legt. »Bitte sehr. Ich heiße übrigens Ruth, wenn was wäre, aber sorgen Sie dafür, dass nichts ist.« Sie macht wieder Anstalten, die Tür zu schließen.

»Warten Sie. Können Sie mir sagen, wo ich hier eine Telefonzelle finde?«

Sie kichert. »Ja, irgendwo im Jahr 2005 oder so.« Und damit geht die Tür endgültig zu.

Das Kätzchen miaut, aber es klingt nicht süß, sondern eher verzweifelt, wie ein Hilferuf. »Mir geht’s genauso, glaub mir«, flüstere ich.

Mit meinem Koffer, dem Holzkreuz und dem Kätzchen gehe ich zur Treppe hinüber. Vielleicht hätte ich meine Rückkehr noch ein paar Monate länger hinauszögern sollen. Ich habe gearbeitet und mir gut 2000 Dollar zusammengespart, aber für den Umzug hierher ist jetzt schon der Großteil draufgegangen. Ich hätte noch mehr sparen sollen. Was ist, wenn ich nicht gleich Arbeit finde? Und jetzt bin ich auch noch für das Leben eines kleinen Kätzchens verantwortlich.

Mein Leben ist soeben zehnmal komplizierter geworden, als es bis gestern noch war.

Unterwegs nach oben zu meinem Apartment krallt sich das Kätzchen an meinem Shirt fest. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und muss mit beiden Händen an der Tür ziehen, um ihn drehen zu können. Als ich die Tür aufstoße, halte ich die Luft an, weil ich Angst habe, wie es wohl riechen wird.

Ich schalte das Licht ein und sehe mich um, während ich langsam ausatme. Es riecht nicht besonders. Das ist sowohl gut als auch schlecht.

Im Wohnzimmer steht ein Sofa und es gibt einen Wandschrank, aber mehr auch nicht. Das Wohnzimmer ist klein, die Küche winzig und ein Schlafzimmer gibt es nicht. Das Bad dieses Mini-Apartments ist so eng, dass das Klo die Badewanne berührt.

Eine echte Absteige. Ein Loch von gut 30 Quadratmetern, aber für mich ist es ein Aufstieg. Immerhin habe ich mich von einer 10-m2-Zelle, die ich mir mit einer Zellengenossin geteilt habe, über die Übergangswohnung mit sechs Mitbewohnerinnen zu einer 30-m2-Wohnung für mich alleine vorgearbeitet.

Ich bin jetzt sechsundzwanzig und wohne zum allerersten Mal ganz allein. Das macht mir Angst, fühlt sich aber zugleich befreiend an.

Ich weiß nicht, ob ich mir diese Wohnung länger als einen Monat lang leisten kann, aber ich werde es versuchen. Auch wenn ich dafür in jedem...

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