Psychologie der Höchstleistung - Dem Geheimnis des Erfolges auf der Spur - Leistungssport, Wissenschaft, Musik, Kunst, Wirtschaft

Psychologie der Höchstleistung - Dem Geheimnis des Erfolges auf der Spur - Leistungssport, Wissenschaft, Musik, Kunst, Wirtschaft

von: Michael Draksal

Draksal Fachverlag, 2013

ISBN: 9783862431090

Sprache: Deutsch

140 Seiten, Download: 4949 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Psychologie der Höchstleistung - Dem Geheimnis des Erfolges auf der Spur - Leistungssport, Wissenschaft, Musik, Kunst, Wirtschaft



In diesem Kapitel wird der Entwicklungsaspekt von Spitzenleistungen beleuchtet. Niemand erreicht zufällig oder aufgrund seines Talentes Weltklasse, sondern es ist ein Weg mit Höhen und Tiefen. Wie entwickelt man sich am schnellsten und was sagen Experten über ihre Lernstrategien?  

Lernen ist DAS zentrale Thema beim Stichwort Höchstleistung! Früher war man noch der Meinung, dass es vor allem auf die Gene und auf das Elternhaus ankommt, nach der Devise:
Das Kind des Genies wird ein Genie. Und in der Tat zeigen Studien, die dieser Frage nachgegangen sind, einen gewissen Vorsprung derjenigen, die aus einem entsprechenden Umfeld kommen, z.B. hinsichtlich der schulischen Leistung bei Professorenkindern oder hinsichtlich der sportlichen Leistung bei Kindern von Weltrekordhaltern.

Jedoch gilt: Gene und Förderung im Elternhaus sind KEINE Faktoren, anhand derer man Höchstleistungen vorhersagen kann!

Nur ein Beispiel an dieser Stelle für diejenigen, die mit Statistik vertraut sind: der Zusammenhang von sportlichen Leistungen bei eineiigen Zwillingen beträgt etwa r = .7 – quadriert man diesen Wert, ergibt sich ein R² von .49, d.h. von gerade mal 49% aufgeklärter Varianz, obwohl die Gene doch exakt identisch sind.

Gene und Elternhaus sind also durchaus förderliche Faktoren, die aber keinesfalls ausschlaggebend für Höchstleistungen sind.

 

Was uns Menschen als biologische Systeme auszeichnet, ist unsere enorme Anpassungsfähigkeit. Wir kommen »unfertig« zur Welt, ausgestattet mit dieser faszinierenden Adaptationsfähigkeit, die uns von allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten als herausragende Spezies abhebt: Wir sind geboren, um zu lernen.

Der Frage, wie Höchstleistungen zustande kommen, können wir uns nun nähern, indem wir genau betrachten, wie Anpassungsvorgänge am effektivsten angetriggert werden können.  

Auf der biologischen Ebene bedeutet Anpassung zunächst eine Schädigung auf zellulärer Ebene, gefolgt von einer Phase des Wiederaufbaus der zerstörten Bereiche. Um sich vor erneuten Mikrotraumen zu schützen, baut der Körper die belasteten Systeme aus, so dass schließlich ein Leistungszuwachs zu verzeichnen ist:

 

Belastung → Ermüdung → Erholung → Superkompensation

 

 

Obwohl dieses Modell der Superkompensation durchaus einige kritische Aspekte hat, auf die ich noch eingehen werde, reicht es für die folgenden Ausführungen, zu verstehen, dass biologische Anpassungsverläufe aus einer Belastungsphase und aus einer Erholungsphase bestehen: beide Anteile sind für Leistungszuwächse gleichermaßen verantwortlich – und nicht etwa nur die Qualität des Trainings, wie oft gemeint wird. Die Qualität der Erholung ist genauso entscheidend!

Biologische Anpassungsvorgänge sind bereits intensiv im Rahmen der Trainingswissenschaft und der Sportpsychologie untersucht worden. Die wichtigsten Ergebnisse hierzu lauten:

 

1Mehr Training ist nicht gleich mehr Leistung!

Die umfangreiche Studie von Emrich & Pitsch (1998) hat eindeutig zeigen können, dass es nicht darauf ankommt, wie viel man trainiert, sondern es kommt darauf an, wie gut man trainiert (Qualität vor Quantität). Der Spruch Übung macht den Meister ist so nicht richtig… → es müsste eher heißen: Richtige Übung macht den Meister.

 

2Die Bedeutung der Pause wird maßlos unterschätzt!

Champions trainieren hart. Sehr hart sogar. Aber sie geben ihrem Körper dann auch ausreichend Zeit für die gewünschte Anpassung. Beim Krafttraining hat man das systematisch untersucht und festgestellt, dass die Maximalkraft auch noch 21 Tage(!) nach einer einzigen intensiven Krafttrainingseinheit ansteigt.

 

3Ein Champion wächst nicht im Wettkampf über sich hinaus!

Die Leistungseinbußen im Wettkampf im Vergleich zum Training liegen bei etwa 5-10%. Das gilt natürlich auch für Champions: Selbst ein Weltmeister ist im Wettkampf nervös und oft schlechter als im Training. Champions bauen daher im Training eine so hohe Leistung auf, die auch noch mit geringen Leistungseinbußen zum Sieg reicht. Überlernen ist dabei durchaus förderlich: So etwas nennt man dann »Stoßtraining« oder »Taperphase«: 2-3 Wochen vor dem Wettkampf wird noch einmal bewusst eine Phase des Übertrainings eingebaut. Danach nimmt man Abstand und geht erholt in den Wettkampf.

 

4Es gibt keine konstanten Bewegungen im Sport!

Der Anlauf beim Hochsprung, der Elfmeter, die Schießtechnik… keine zwei Bewegungen sind gleich, was man sehr schön an seiner (hochautomatisierten) Unterschrift nachvollziehen kann. Grund dafür ist unsere Bewegungssteuerung, die so organisiert ist, dass neuronale Netzwerke mit neuronalen Netzwerken interagieren und da ist immer eine gewisse Variabilität gegeben.

→ als Folgerung für die Trainingspraxis ergibt sich daraus, dass das »Einschleifen«, wie es früher noch gelehrt wurde, heute nicht mehr die Methode der Wahl ist. Stattdessen muss variabel trainiert werden, auch bei scheinbar immer gleich ablaufenden Bewegungen.

 

5Ob aerobes, anaerobes oder neuromuskuläres System – alle Systeme wollen trainiert sein!

Früher ging man davon aus, dass man mit Kindern kein Krafttraining machen kann und deshalb lieber die Grundlagenausdauer trainiert. Oder dass Sprinter kein Ausdauertraining brauchen. Heute weiß man, dass 1. alle Systeme trainiert sein müssen, um Höchstleistungen zu bringen (also auch das aerobe System für einen Sprinter, das anaerobe System für einen Ausdauersportler) und dass 2. diese Systeme sehr wohl alle bereits in jungen Jahren gefördert werden können. Es muss halt entwicklungsgemäß durchgeführt werden, wie z.B. in den Kinder-Krafttrainings-Studios: Da klappt dann eine Mickey Mouse-Figur hoch, wenn man an der Stange zieht. Und natürlich darf man in dieser Altersklasse nicht über Kopf arbeiten, aber das muss man ja auch nicht.

 

Das sind alles für Trainer und Sportler hochinteressante Erkenntnisse, die im Kapitel über sportliche Höchstleistungen noch detaillierter dargestellt werden. In diesem Abschnitt interessieren weniger die biologischen Anpassungsvorgänge, sondern viel mehr die Anpassungsvorgänge »im Kopf«, also die mentalen Reaktionen auf bestimmte Lernreize.

Menschen sind perfekte Lernwesen. Wir lernen ständig. Wenn wir unseren Nervenzellen irgendwelche Lerninhalte präsentieren (Konfrontation mit einem Problem, Auseinandersetzung mit einem Thema), sind schon nach kurzer Zeit die ersten Reaktionen sichtbar: bei Geigenspielern beginnen die Neuronen bereits nach 20 Minuten Übung, sich neu zu strukturieren.

Diese Strukturänderung (= der Lernprozess auf basaler Ebene) dauert an und läuft von selbst weiter. Unterstützen kann man den Lernprozess, indem man sich einerseits intensiv mit seiner Thematik beschäftigt, aber andererseits dann auch komplett Abstand nimmt (Schlaf, Erholung, Ablenkung) und seinen Kopf einfach in Ruhe die neuen Informationen verarbeiten lässt.  

Das »Lernen im Schlaf« funktioniert also tatsächlich! Man beschäftigt sich abends vor dem Einschlafen intensiv mit einem Problem. Im Schlaf geht der Strukturänderungsprozess automatisch weiter und morgens wacht man mit einer neuen Erkenntnis auf.

 

Der Weg an die Weltspitze ist einfach zu weit, um sich nur seinem Fach zu widmen. So etwas klappt nur im Balanced-Life, also in einem Lifestyle, in dem die eigene Disziplin mit anderen Lebensbereichen koordiniert wird, z.B. mit Freizeit/Erholung, Familie/Freunde, Schule/Ausbildung.

Um ein Bild zu benutzen: Der Mensch ist ein Jongleur. Die verschiedenen Bälle stellen unsere Bedürfnisse dar. Wenn wir erfolgreich jonglieren wollen, müssen wir den Ball, den wir gerade in der Hand halten, im richtigen Moment loslassen und hochwerfen, so dass wir uns um die anderen Bälle kümmern können. Wir können einzelne Bälle auch sehr weit hochwerfen, so dass wir sie fast aus den Augen verlieren. Aber irgendwann kommen auch diese Bälle (Bedürfnisse) wieder und dann ist es an der Zeit, diese vernachlässigten Bereiche zu beachten.

Ganz konkret bedeutet dies: Es wird nicht nur am »Höchstleistungsprojekt« gearbeitet! Stattdessen organisiere deinen Alltag so, dass allen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, auch wenn es dir teilweise schwer fällt, Abstand zu nehmen.

Balanced-Life hat noch einen weiteren Vorteil. Zeit wird erst dann zur wertvollen Ressource, wenn sie knapp ist. Wer nur wenig Zeit hat, weil er auch noch anderen Bereichen nachgeht, muss die nun knappe Zeit effektiver nutzen. Noch deutlicher: Gerade weil man nicht nur seinem aktuellen Projekt, das eine Höchstleistung werden soll, nachgeht, sondern auch noch Zeit...

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