Beschwerdemanagement

Beschwerdemanagement

von: Bernd Stauss, Wolfgang Seidel

Carl Hanser Fachbuchverlag, 2002

ISBN: 9783446221994

Sprache: Deutsch

640 Seiten, Download: 4837 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Beschwerdemanagement



5 Beschwerdestimulierung (S. 96-97)

5.1 Beschwerdestimulierung statt Beschwerdeminimierung

Das Problem der nicht-artikulierten Beschwerden („unvoiced complaints")
Viele Unternehmen verfolgen das Ziel, die Anzahl der an das Unternehmen gerichteten Kundenbeschwerden zu minimieren. Dieses Ziel der Beschwerdeminimierung ist aber nur dann sinnvoll, wenn man davon ausgehen kann, dass sich alle unzufriedenen Kunden beschweren und insofern auch eine geringe Beschwerdezahl ein eindeutiger Indikator für ein geringes Maß an Kundenunzufriedenheit ist.

Die empirische Beschwerdeforschung belegt allerdings, dass dies nicht der Fall ist. Ein Großteil der unzufriedenen Kunden beschwert sich nicht. Zwar variieren die entsprechenden Prozentzahlen für nicht artikulierte Beschwerden („unvoiced complaints") je nach Produktbereich und Art des Problems, doch vielfach sind es mehr als 50% der Unzufriedenen, die keine Beschwerde gegenüber dem Unternehmen vorbringen. In einer Studie der amerikanischen Beratungsfi rma TARP betrug der Prozentsatz der „Nicht-Beschwerer" bei Fluggesellschaften 69% und bei Autovermietungen 82% (Adamson 1993). Statt sich zu beschweren, wählen die unzufriedenen Kunden eine andere Reaktionsform. Sie reden über ihre negativen Erfahrungen mit Freunden, Verwandten oder Arbeitskollegen und/oder wechseln unmittelbar zu einem anderen Anbieter. Insofern darf eine geringe Anzahl von Beschwerden nicht als Ausdruck hoher Kundenzufriedenheit interpretiert werden. Sie kann die Folge einer resignativen Einstellung von Kunden sein, die erfahren haben, dass sich eine Beschwerde nicht „lohnt". Ihnen erscheint dann der erforderliche Aufwand bei der Suche eines zuständigen unternehmerischen Ansprechpartners im Verhältnis zum erwarteten Nutzen als zu hoch. Eine niedrige Beschwerdezahl kann daher auch das Ergebnis einer unternehmerischen Abwehr von Beschwerden sein, d.h. das Resultat von Maßnahmen, die Beschwerden für den Kunden teuer, schwierig und unangenehm machen (Fornell 1982; Riemer 1986).

Nimmt man das Ziel der Erreichung von Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität ernst, dann ist es demnach rationaler, nicht pauschal Beschwerdeminimierung zu betreiben, sondern eine Minimierung der Kundenunzufriedenheit. Dies erfordert, dass das Unternehmen möglichst umfassend über Art, Umfang und Ursachen der Kundenunzufriedenheit informiert ist. Denn nur so sind aussagefä hige Ansatzpunkte für Qualitätsverbesserungen zu identifizieren. Zudem kann das Beschwerdemanagement seine Bindungsziele nur gegenüber Kunden entfalten, die sich auch beschweren. Insofern ist es erforderlich, den Anteil derjenigen unzufriedenen Kunden zu maximieren, die sich für die Handlungsalternative „Beschwerde" entscheiden.

Beschwerdemaximierung als Ziel der Beschwerdestimulierung

Beschwerdestimulierung umfasst den Aufgabenbereich des Beschwerdemanagements, der unzufriedene Kunden ermutigt und es ihnen erleichtert, ihre Unzufriedenheit in einer Beschwerde zum Ausdruck zu bringen. Dementsprechend könnte man das zentrale Ziel der Beschwerdestimulierung mit dem – miss verständlichen – Begriff der Beschwerdemaximierung beschreiben. Be schwerdemaxi mie rung in diesem Sinne bedeutet somit nicht etwa, dass mehr Probleme verursacht werden, die den Kunden Anlass zu Beschwerden geben könnten. Beschwerdemaximierung bedeutet vielmehr, einen möglichst großen Anteil der Unzufriedenen dazu zu bewegen, sich mit einer Beschwerde unmittelbar an das Unternehmen zu wenden (Hansen 1990).

Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, die Barrieren zu beseitigen, die verärgerte Kunden an einer Beschwerde hindern. Dazu gehören die Reduzierung von materiellen und zeitlichen Kosten des Beschwerdeführers sowie die Einrichtung und Kommunikation von geeigneten Beschwerdewegen. Unternehmen müssen unmissverständlich die Bereitschaft signalisieren, dass sie sich für alle Gründe, die zu Unzufriedenheit Anlass geben können, verantwortlich fühlen und diese im Sinne des Kunden auch beseitigen möchten.

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