Macht und Moderne - Chinas großer Reformer Deng Xiaoping. Die Biographie

Macht und Moderne - Chinas großer Reformer Deng Xiaoping. Die Biographie

von: Felix Lee

Rotbuch Verlag, 2014

ISBN: 9783867895835

Sprache: Deutsch

304 Seiten, Download: 1280 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Macht und Moderne - Chinas großer Reformer Deng Xiaoping. Die Biographie



3. DENG – der Opportunist (1945–1966)


Wenige Monate vor Kriegsende wurde Deng auf dem 7. Parteikongress zum Generalsekretär des Südwestbüros gewählt. Damit gehörte er erstmals dem Politbüro an und war endgültig in den inneren Führungskreis der KP aufgestiegen. Mao selbst hatte zu diesem Zeitpunkt formal keinen Titel. Doch bereits 1936 hatte Moskau ihn als den unangefochtenen »Führer der Chinesen« anerkannt. Spätestens als Mao am 1. Oktober 1949 auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Volksrepublik China ausrief, wusste auch die Außenwelt: Mao lenkt die Geschicke des Riesenreichs.

Deng erwies sich in der Anfangszeit der Volksrepublik mehr denn je als ein treuer und loyaler Gefolgsmann von Mao. Deng bekam innerhalb der KP die Kontrolle über den gesamten Südwesten Chinas übertragen und hatte diese Position bis 1952 inne. Aber sehr viel selbst gestaltet hat er in diesen drei Jahren nicht. Im Gegenteil: Er wollte den KP-Führern in Peking und vor allem Mao um jeden Preis gefallen – aber verschlimmerte damit eine Reihe von Problemen. Die Folgen seiner strategischen Fehler in dieser Zeit sind bis heute gegenwärtig.

Deng und das Taiwan-Problem


Für die Kommunisten war auch nach Ausrufung der Volksrepublik der Bürgerkrieg nicht beendet. Deng und sein militärischer Partner Liu Bocheng reisten zwar eigens nach Peking, um an der Zeremonie zur Gründung des neuen Staates teilzunehmen. Aber Mao schickte sie sogleich weiter in Dengs Heimatprovinz Sichuan in Südwestchina. Dort wartete bereits seine Zweite Feldarmee auf ihn, um den Kampf gegen die Kuomintang-Truppen fortzusetzen, die sich nun vor allem in diese Region zurückgezogen hatten. Am 23. November 1949 ernannte die Parteiführung Deng zum Ersten Sekretär des Westens und Liu zu seinem Stellvertreter. Deng war damit KP-Chef in Südwestchina, das neben den Provinzen Sichuan, Guizhou und Yunnan noch das damalige Xinjiang und Tibet umfasste – wobei der Status Tibets zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war.

Nach Proklamation der Volksrepublik war der Widerstand der Nationalchinesen zwar nicht mehr groß. Doch Deng beging einen ersten strategischen Fehler. Als er vor den Toren der Stadt Chongqing stand, wo sich Chiang mit seinen Anhängern verschanzt hatte, griff Deng die Stadt sofort an, weil er befürchtete, die Nationalchinesen könnten Chongqing systematisch zerstören. Mao hatte allerdings andere Pläne. Er wollte zunächst Taiwan unter seine Kontrolle bringen. Mao hatte geahnt, dass Chiang mit seinen Anhängern die vorgelagerte Insel als Zufluchtsstätte nutzen könnte. Mit der Einnahme von Chongqing kam Deng Mao jedoch zuvor.

Es kam genau so, wie es Mao befürchtet hatte. Chiang und zwei Millionen seiner Anhänger gelang die spektakuläre Flucht nach Taiwan. Mit ihnen kehrte nicht nur ein Großteil der wirtschaftlichen Elite dem Festland den Rücken. Auch Chinas Kapitalreserven nahmen die Nationalchinesen mit und sogar einen Großteil der Schätze aus der Verbotenen Stadt in Peking. Taiwan ist bis zum heutigen Tag mit einer eigenen Regierung de facto unabhängig von der Volksrepublik, verteidigt von den USA. Mao soll vor Wut über Dengs Vorgehen getobt haben. Dabei ist fraglich, ob die Kommunisten Chiangs Flucht nach Taiwan verhindert hätten, wenn Deng die Stadt Chongqing nicht sofort angegriffen hätte. Die Kuomintang hatte zu diesem Zeitpunkt die Evakuierung ihrer Basen nach Taiwan bereits vorbereitet. Mao gab dennoch Deng die Schuld.

In dem Bewusstsein, sein Idol Mao enttäuscht zu haben, hielt sich Dengs Freude über den Sieg in Grenzen, als er Anfang Dezember in Chongqing einmarschierte, der Stadt, die er knapp dreißig Jahre zuvor in Richtung Frankreich verlassen hatte, um in der Ferne als Arbeiterstudent anzuheuern. Nach Peking wollte Mao ihn nicht holen. Deng sollte zunächst als Bürgermeister in Chongqing bleiben und die kommunistische Herrschaft im Südwesten festigen. Mehrere Hunderttausend Soldaten und Anhänger der Kuomintang sowie diverser Warlords hielten sich noch im Land auf. Ein Großteil von ihnen war in den Südwesten geflüchtet. Immer wieder kam es in den folgenden Monaten zu Aufständen. Deng hatte die Aufgabe, die versprengten Kuomintang-Truppen zu zerschlagen.

Deng und das Tibet-Problem


Die Lage im Südwesten Chinas galt aber auch über die Auseinandersetzung mit Resttruppen der Kuomintang hinaus als schwierig. Teile der Deng unterstellten Provinzen waren gar nicht von ethnischen Han-Chinesen bewohnt, sondern von nationalen Minderheiten. Viele von ihnen fühlten sich von den Han-Chinesen unterdrückt. Dazu zählten auch die tibetisch besiedelten Gebiete.

Tibet gehörte zwar bereits zur Zeit der Qing-Dynastie offiziell zu China. Doch inmitten der Wirren der Bürgerkriege hatten sich die Tibeter weitgehend unabhängig gemacht. Sie wollten unter dem damals noch jungen Dalai Lama einen eigenen Staat gründen. Die Tibeter hießen daher auch die chinesischen Kommunisten nicht willkommen und suchten zwischenzeitlich die Unterstützung der Briten, die zu der Zeit noch das benachbarte Indien kontrollierten.

In den ersten Jahren ließ Deng die Tibeter zwar weitgehend gewähren. Er war noch zu sehr mit den anderen Provinzen beschäftigt. Doch Mao hielt an Chinas Anspruch auf Tibet fest und beharrte auf dessen Anschluss an das »chinesische Mutterland«, wie er es bezeichnete. In einer Radioansprache ließ er im Januar 1950 die »Befreiung Tibets vom britischen, imperialistischen Joch« verkünden. Im Oktober desselben Jahres erreichten Einheiten der Volksbefreiungsarmee, die unter anderem Deng unterstanden, die tibetische Stadt Qamdo. Der Widerstand der schlecht ausgerüsteten Tibeter war gering. Osttibet kapitulierte.

Dem damals 15-jährigen Dalai Lama fiel die schwierige Aufgabe zu, Verhandlungen mit Peking aufzunehmen. Unter Androhung von Zwang musste eine tibetische Regierungsdelegation am 23. Mai 1951 in Peking das sogenannte 17-PunkteAbkommen unterzeichen. Es schrieb fest, dass Tibet ein fester Teil des Territoriums der Volksrepublik sein sollte, stellte den Tibetern jedoch zugleich Autonomie in Aussicht. Dazu gehörten die Religionsfreiheit und eine Garantie, dass Tibet an seinem existierenden politischen System weitgehend festhalten durfte. Die tibetische Führung unter dem Dalai Lama stimmte diesem Abkommen zunächst zu. Als wenige Tage später die Volksbefreiungsarmee Tibet einnahm und die Zahl der Soldaten in Lhasa fast die der Einwohner überstieg, bereute die tibetische Regierung diesen Schritt. Es ist bis heute umstritten, ob das Abkommen gültig ist, schließlich hatte es der Dalai Lama nur unter massivem Druck unterzeichnet.

Deng hatte das weiträumige tibetische Hochland zwar in das Staatsgebiet eingegliedert. Doch mit dieser vermeintlichen Leistung schuf er politische Probleme, die sich bis heute als praktisch unlösbar erweisen. Die unter anderem von ihm ausgehandelte Vereinbarung erwies sich von Beginn an als unehrlich gegenüber den Tibetern und damit als brüchig. Kurz danach kam es zu den ersten Aufständen gegen die chinesischen Besatzer, und Ende der 1950er Jahre entluden sich die Spannungen in den Unruhen von Lhasa. Die Volksbefreiungsarmee schlug sie blutig nieder. Der Dalai Lama musste mit Zehntausenden seiner Getreuen flüchten. Deng schaffte es auch später als Chinas Führer nicht, das Problem zu lösen, das er als politisch Zuständiger selbst geschaffen hatte.

Deng und die Landreform


Während Peng Dehuai mit der Volksbefreiungsarmee den Nordkoreanern im Krieg auf der koreanischen Halbinsel zur Hilfe kam und dabei große Verluste erlitt, machte sich Deng im Südwesten schleunigst an die Umsetzung der von Mao entworfenen Bodenreform. Genau genommen handelte es sich um zwei Reformen.

Die erste Landreform brachte den Kommunisten bei den Bauern mehrheitlich noch Sympathien ein. Wie bereits lange vorher angekündigt, enteigneten sie sämtliche Grundbesitzer und teilten das Land unter den Landlosen neu auf. Das geschah nicht ohne Blutvergießen. Die Methoden, die die Kommunisten wählten, bestanden auch nicht etwa darin, die Grundbesitzer schriftlich zur freiwilligen Abgabe ihrer Landgüter aufzufordern. Da die Grundbesitzer aus Sicht der Kommunisten »bourgeois« waren und damit Klassenfeinde, gaben sie sie quasi zum Abschuss frei. Den einfachen Bauern wurde signalisiert, dass sie ihrer Wut gegen ihre einstigen Unterdrücker freien Lauf lassen könnten. Das passierte auch. Demütigungen und Ungerechtigkeiten, die die Bauern über viele Generationen erlitten hatten, durften sich nun mit voller Wucht entladen.40 Vielerorts zerrten wütende Bauernmobs die Grundbesitzer aus ihren Häusern, demütigten sie in aller Öffentlichkeit und erschossen sie. Deren Gattinnen und Töchter wurden vergewaltigt, ihre Häuser niedergebrannt und die Leichen in der Erde verscharrt.

Bereits bei dieser ersten Kampagne brachten die Kommunisten landesweit mehrere Zehntausend Grundbesitzer um. Gerade Deng ging in seiner Region besonders brutal vor. Er erreichte das, was er sich erhofft hatte: Mao lobte ihn für sein...

Kategorien

Service

Info/Kontakt