Brandgeld - Kriminalroman

Brandgeld - Kriminalroman

von: Reinhard Kocznar

Gmeiner-Verlag, 2014

ISBN: 9783839244869

Sprache: Deutsch

312 Seiten, Download: 6145 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Brandgeld - Kriminalroman



Kapitel II


Pünktlich um 16 Uhr stand Mag. Simone Morawetz vor der Türe. Agnes hatte ihr ungern den späten Termin gegeben, und ich hatte ihn nur akzeptiert, weil sie von Castello empfohlen war. Ich schätzte sie auf ungefähr 30. Sie war etwas kleiner als Rita, größer als Katja, und wenn auf der Welt die Anziehungskraft nur zwischen den dreien verteilt worden wäre, dann hätten Katja und Rita alles und sie nichts davon erhalten. Ihre Figur war zierlich, die dunklen Haare kurz, die Augen lebendig, der Hosenanzug grau, die Schuhe nicht ganz flach. Sie wirkte damit nicht ganz so geschlechtslos, wie es Rofner geschafft hatte. Ihr Selbstbewusstsein machte alles wieder wett.

Ich bat sie ins Besprechungszimmer, wir tauschten Visitenkarten aus. Dann wurde es schwierig.

Auf ihrer Karte stand Creative B2B Consulting. Ich löste die Abkürzung als to bleed or not to bleed auf, worauf es sich für ihre Klienten letztlich reduzierte.

Genau so begann das Gespräch. Es kostete mich ein wenig Mühe, ihr klar zu machen, dass ich die Fragen stellen musste, wenn ich für sie etwas erreichen wollte. Sie war schon eine Weile im Geschäft und hatte es sich damit angewöhnt, ihre Klienten auszufragen. Das war Prägung. Das dauerte genau so lange, bis die Stellen am Gesprächspartner lokalisiert waren, in denen er Unsicherheit zeigte. Dort hakte das Beratungsangebot ein. Dann folgten Protokolle, Meetings, Strategiepapiere, Vorhabensberichte und dergleichen mehr. Zwischendurch kamen Honorarnoten, zuletzt der Abschlussbericht. In dem stand großteils, was man ihnen erzählt hat. Damit kamen wir heute aber nicht voran.

»Welche Unterlagen haben Sie für mich?«, fragte ich nun, ohne meinen Unmut länger zu verbergen.

»Ich habe … Sie werden doch verstehen, dass wir uns erst ein Bild von Ihnen machen müssen.«

»Wir? Ist es Ihr Geld?«

»Ich berate Signore Girotti in dieser Angelegenheit.«

»Sie sagten, er sei verhindert und Sie kämen, weil er keine Zeit verlieren will.«

»Das ist korrekt.«

»Dann verlieren wir keine Zeit. Was haben Sie für mich?«

Frau Magister schluckte. Ich fragte mich, was Signor Girotti mit ihr anfing. Sie war überfordert. Rofner hatte sie überfahren.

Ich sagte ihr, dass ich fünf Prozent Erfolgshonorar von der wiederbeschafften Summe nahm, jedenfalls aber 110 Euro pro Stunde. Ich sagte ihr auch, dass diese Zeit soeben zu laufen begonnen hatte.

»Dann«, setzte ich fort, »stellt sich für mich die Frage nach Ihrer Legitimation.«

Sie zog nun doch einige Papiere aus ihrer Mappe und schob mir das oberste Blatt zu.

»Herr Girotti hat vor drei Monaten 220.000 Euro angelegt«, stellte ich fest, »warum ist er nach der kurzen Zeit schon in Sorge? Wo ist das Problem?«

»Ja, sehen Sie das nicht?«

»Ich sehe gar nichts, abgesehen davon, dass ich so etwas nicht gemacht hätte.«

Vor mir lag ein Ding, wie es auch in den Vorlagen von Microsoft Publisher enthalten war. Ich hatte damit einmal ein Zertifikat für meine Friseurin entworfen. ›Heldin der Arbeit‹ war darauf gestanden, weil sie mir am Nachmittag des Faschingsdienstags einen Termin gegeben hatte. Der Faschingsdienstag ist in Innsbruck ein halboffizieller Feiertag. Nachdem sie den altehrwürdigen Titel aus der ehemaligen Sowjetunion nicht kannte, hatte ich von der Verleihung Abstand genommen. An den Faschingsdienstag fühlte ich mich mit dem Zertifikat erinnert.

Das Zertifikat vergoldete die Kommanditeinlage bei einer Investmentfirma, als deren CEO ein gewisser Hartmut Freysinger unterfertigt hatte. Den Namen Freysinger kannte ich beiläufig, er war ein ortsansässiger Steuerberater. Diese Firma hatte in einen Hersteller von Metallwaren investiert. Alles daran hatte eher dekorativen Charakter. Die Investmentfirma lautete auf den trendigen Namen Alpine Securities.

»Das ist eine dünne Suppe«, setzte ich fort, nachdem sie erwartungsvoll geschwiegen hatte. »Mehr haben Sie nicht für mich?«

Sie blätterte in ihren Unterlagen. Ihr Bekannter oder Freund war einer Betrügerin auf den Leim gegangen, meiner ehemaligen Nachbarin. Ich freute mich schon auf die Untersuchung ihrer Festplatte.

Das alles war jetzt nicht wichtig. Wichtig war die Frage, was den Investor unerwartet in Sorge versetzte.

Niemand kannte Freysinger, die Kunden seiner Steuerberatungsfirma ausgenommen. Dass er Beteiligungen vermittelte, wusste sicher keiner. Die plötzliche Sorge Girottis hatte einen Grund. Dieser Grund war ihm offensichtlich erst später bekannt geworden, sonst wäre er in das Geschäft nicht eingestiegen. Warum verschwieg er die Information und die Quelle, aus der sie stammte?

Ich beschloss, nicht darauf einzugehen, bevor ich von Ulrich etwas dazu hörte.

Morawetz hatte nun doch etwas gefunden und gab mir vier weitere Blätter. Es waren der Vermittlungsauftrag und die Geschäftsbedingungen Rofners. Ein Einzahlungsbeleg oder ein Kontoauszug fehlten, und von Alpine Securities fand sich nichts. Das alles roch nach Schwarzgeld, womit dem gescheiterten Investor nicht viele Möglichkeiten offen standen.

»Wir müssen das doch offiziell machen«, sagte ich, »ich schicke Herrn Girotti den Auftrag, den er bitte unterfertigt. Eine a conto Zahlung, ich denke an 2.000, das sollte fürs Erste reichen. Kann ich seine Adresse haben?«

Sie sah auf die Uhr. Das ist immer eine gute Möglichkeit nachzudenken. Ich wartete.

»Wir rufen Sie an«, erklärte sie, »das geht selbstverständlich in Ordnung. Geben Sie uns bitte einige Tage, Signor Girotti ist sehr beschäftigt. Inzwischen verlieren Sie bitte keine Zeit, daran ist Signor Girotti sehr gelegen.« Sie verstaute den restlichen Stapel wieder in ihrer Mappe. Ich stand auf und begleitete sie zur Türe. Nach dem kurzen Zugeständnis war sie schon wieder die Alte. Wir verabschiedeten uns.

Die letzten warmen Tage eigneten sich für eine Runde mit dem Motorrad. Ich nahm den Helm und die offene Lederweste und trat vor das Haus. Den Helm hängte ich wie üblich an den Lenker, um beim Aufsperren die Hände frei zu haben. Da sah ich Morawetz, wie sie am Ende der Straße in einen blauen SUV stieg. Der Wagen parkte aus, er trug ein italienisches Kennzeichen. Ich schmunzelte.

Der Fahrer, es konnte nur Signor Girotti sein, musste mich gesehen haben. Er legte den Rückwärtsgang ein, rollte zurück und hielt bei mir an. Die Scheibe glitt herunter. Ich überquerte die Fahrbahn und ging hin. Im Wagen hingen einige Anzüge an Kleiderbügeln.

Der Mann war um die 40, trug einen eleganten dunklen Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte. Er war schlank, seine kurzen Haare waren schwarz mit ersten grauen Streifen, sein Blick war über die Brille gerichtet.

»Signor Prokop?«, fragte er in holprigem Deutsch. »Sind Sie es?«

»Paul Prokop«, antwortete ich, »Herr Girotti?«

»Ja, sehr erfreut. Sprechen Sie Italienisch?«

»Leider kein Wort, Englisch?«

»Nicht gut. Ich hatte zufällig Zeit und dachte, dass ich meine Vertraute noch abholen kann. Das ging sich gerade aus, ich wäre gern selbst gekommen. Sie übernehmen die Nachforschung, das ist sehr gut.«

»Aber gerne. Wir müssen nur noch das Kleingedruckte regeln.«

»Das Klein…«

Morawetz übersetzte ihm etwas, dann lachte er strahlend. »Ein Vertrag? Natürlich, bitte wickeln Sie alles über Frau Magister Morawetz ab, sie ist von mir vollkommen autorisiert. Ich könnte ohne ihre Hilfe nicht auskommen.«

Morawetz sagte noch etwas auf Italienisch.

Er griff zu seiner Brusttasche. »Ein Vorschuss? 2.000? Das geht in Ordnung.«

»Nicht bar, ich schicke Ihnen eine Honorarnote.«

»Bitte an Magister Morawetz senden, oder wir machen es jetzt gleich, kein Problem.«

Ich deutete zu meinem Chopper. »Jetzt fahre ich auf ein Bier, es ist Feierabend.«

»Bene«, strahlte er, »arrivederci.«

Die Scheibe glitt hinauf, er lächelte und fuhr los. Ich ging zu meinem Chopper, setzte den Helm auf und startete. Der kraftvolle Zweizylinder erwachte mit tiefem Blubbern zum Leben. Das Motorrad, ein ehrliches Stück Schwermetall ohne jede Elektronik war zehn Jahre alt, aber viele hielten es für neu. Im Frühjahr, nach dem Winterlager, ließ ich in meiner Leibwerkstatt in den Viaduktbögen eine komplette Revision machen. Nichts ist umsonst, und das Geld ließ ich lieber hier im Land, als es nach Japan zu schicken.

Girotti war rechts abgebogen, also fuhr ich links. Ich musste nachdenken. Das ging am besten auf einer ruhigen Straße. Einer der Vorzüge Innsbrucks war, dass man in wenigen Minuten die Stadt verlassen hatte. Ich steuerte Kematen an und tauchte in die Schlucht der Melach ein. Sowie man drin ist, wird es kühl. Das bemerkt man aber nur, wenn man nicht im Raumanzug auf dem Motorrad sitzt, was beim Chopper selbstverständlich ist.

Signor Girotti war ein aufmerksamer, gepflegt wirkender Herr mit guten Manieren. Er hatte nicht den Fehler begangen, einfach wegzufahren, nachdem ich ihn gesehen hatte. Sein Deutsch war viel besser, als er vorgab, es zu sprechen. Zweifellos erzielte in einem Gespräch in wenigen Minuten mehr als seine Begleiterin in Stunden, auf deren Hilfe er angeblich nicht verzichten konnte. Einen Vorschuss herauszurücken, fiel ihm nicht schwerer, als den Wagen zu starten. Er war perfekt.

Der Motor blubberte zufrieden, ich glitt durch die Kurven der Schlucht. Nachdem ich die letzte Lawinengalerie verlassen hatte, wurde es wieder warm. Der...

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