Teufelskoller - Ein dämonischer Kriminalroman

Teufelskoller - Ein dämonischer Kriminalroman

von: Peter Wehle

Haymon, 2014

ISBN: 9783709935989

Sprache: Deutsch

416 Seiten, Download: 9218 KB

 
Format:  EPUB

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Teufelskoller - Ein dämonischer Kriminalroman



Sonntag, 13. Juli 2008, 9.45 Uhr


Langsam begann Wotan wirklich an Wunder zu glauben, denn anders schien es ihm nicht erklärbar, dass er an einem Sonntagvormittag in unmittelbarer Nähe der Kirche auf Anhieb einen großen und sogar legalen Parkplatz fand.

»Guten Morgen, Wotan. Hast du dich wieder etwas erholt?«

»Jaja, Tante Agathe. Danke der Nachfrage. Und grüß Gott, lieber Herr Furm... oh, entschuldigen Sie vielmals, ich hab Sie mit jemandem verwechselt.«

»Macht nix! Trotzdem auch grüß Gott.«

»Ja, danke, ebenfalls.«

Wotan wandte sich verdattert seiner Tante zu.

»Tante Agathe, ich hätte gedacht, dass …«

»Wotan, ich bitte dich! Erstens würde der Bertl hier auf der wöchentlichen Dorftratschbörse mich – und auch sich – nie so in Verlegenheit bringen und demonstrativ neben mir stehen. Und zweitens dient der Bertl an einem Sonntagvormittag im Juli in seiner Küche und nicht dem Herrn in der Kirche, wobei manche Feinschmecker durchaus die Meinung vertreten, dass er in der Küche dem Herrn viel mehr dienen würde, so gut, wie er kocht! Aber das war jetzt blasphemisch! Entschuldige, mein lieber Neffe.«

»Gerne, Tante Agathe. Und jetzt verrate mir noch, warum du wolltest, dass wir einander schon um 10 Uhr hier treffen, obwohl die Messe doch erst um 11 Uhr beginnt? Noch dazu sind so viele Leute hier, da können wir uns doch gar nicht miteinander …«

»Eben deshalb, Wotan, eben deshalb! Wie schon gesagt, du siehst hier die örtliche Kommunikationszentrale – Sonntagvormittag, Kirchenplatz. Und nach der Messe geht’s beim Frühschoppen in der Post weiter, aber für dich als befristeten Neo-Einheimischen reicht die Kirchenplatz-Einheit vollkommen. Also, wirf dich ins pralle Sankt Nepomuker Leben … noch dazu, wo doch eh jeder auf dich neugierig ist. Ach übrigens, noch etwas … ein Schulfreund von dir, ein gewisser Schurli, hat angerufen. So genau habe ich seinen Bericht nicht verstanden, aber er kommt dich auf jeden Fall besuchen. So, und jetzt … ab mit dir in das Sankt Nepomuker Gesellschaftsleben!«

Auf den Schurli freute er sich, vielleicht würde der ihn wirklich besuchen. »Man wird sehen! – sprach der Blinde zum Tauben« … das war einer ihrer Lieblingssprüche gewesen. Vor allem bei Professor Meyerer hatten sie ihn oft laut durch die Klasse gezischt, denn der Herr Professor hatte nicht nur zwölf Dioptrien, er konnte infolge einer Explosion, die ein blödsinniger Schüler im Chemielabor der Schule verursacht hatte, auch nur mehr sehr schlecht hören.

Aber lange hielt die Schurli-Vorfreude nicht an. »Da wär ich jetzt lieber beim Furmaier – dem Herrn, der mir Gerichte macht, als hier bei der Gerüchteschlacht«, reimte Wotan mürrisch vor sich hin. Seine Laune sank mit jedem Schritt mehr in die Niederungen beginnender Depressionen, da er, kaum dass er sich von seiner Tante abgewandt hatte, von mehreren Seiten mit geflüsterten und mitten in der Formulierung abgebrochenen Bosheiten misshandelt wurde.

Doch plötzlich … Ruhe!

Er musste lächeln. Offenbar war seine katholische Erziehung so tief in ihm verankert, dass er automatisch in das Innere der Kirche geflohen war. Und ganz falsch lag er mit diesem Fluchtreflex ja nicht, denn als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er … niemanden.

Himmlische Stille.

»Herr Perkowitz.«

Wotan zuckte so erschrocken zusammen, dass sein Gegenüber ebenfalls unkontrolliert zurückwich.

»Na, des hab i jo net woll’n, Sie erschrecken! Na, wirklich net … tuat ma lad! I wollt jo nur … oiso … griaß Gott sog’n.«

»Aber nein, Sie haben mich nicht erschreckt …« – Wotan blickte in ein zutiefst skeptisches Gesicht, »also, ja, gut, doch, ich geb’s ja zu, ich bin halt sehr schreckhaft. Aber Sie können wirklich nichts dafür, Herr …«

»I bin’s do, der Kindsbauer! Vom Mohinger! Sie wer’n mi nimma kennan woll’n, wäu i wor … oiso, mir wor’n jo wirklich net sehr …«

»Nein, nein, Herr … Kindsbauer, ich erinnere mich noch sehr gut an Sie.«

»Jo, des fürcht i a. Übrigens, Fischlacher, Gott zum Gruße.«

»Ja, natürlich, Herr … Fischlacher. Es tut mir leid wegen grad eben, ich hab Sie nicht bemerkt. Ich hab nur die leere Kirche gesehen und …«

»Do is sie am schönsten, wann s’ so leer is. Nur der liebe Gott und ma söba.«

»Ja, da haben Sie recht. Und, sind Sie hier, weil Ihnen auch der Trubel draußen so auf die Nerven geht?«

»Jo, a. Owa vor allem derf i dem Herrn Pforra höfn.«

»Aha, womit?«

»I verteil die Zettel mit de Liedtexte, die wo in der Mess g’sungn wer’n.«

»Ah so, die druckt der Herr Pfarrer aus und Sie legen sie dann in die Bänke?«

»Aber wo! Vü besser! I … jo, i söba schreib die Texte aus’n Gesangsbuch in Schönschrift ab und die Zettel, die vervielfältigt der Herr Pfarrer dann. Des san dann de Zettel, die i eben immer vor der Messe verteil.«

»Und der Herr Pfarrer, der ruft Sie jede Woche an und sagt Ihnen, welche Texte Sie aus dem ‚Gotteslob‘ abschreiben sollen? Oder ruft er beim Mohinger an?«

»Na, Herr Perkowitz, noch vü schener! Zum Besprechen von den Liedern, die wo i dann von denen die Texte schön schreib, da lad’t mich der Herr Pfarrer zum Nachtmahl ins Pfarrhaus ein. Einmal in der Woche! Nur mich! Und wissen S’ was, Herr Perkowitz?«

»Nein?«

»Durt sauf i kan Alkohol! Oiso, durten trink i immer nur an ganz an feinen Tee, den der Herr Pfarrer extra für uns beide macht! Wissen S’, wia sche des is! Durt derf i a a Mensch sei, durt trink i nix!«

Wotan konnte sich nicht erinnern, je in ein so strahlendes Gesicht geblickt zu haben. Diese runzlige, ungepflegte Haut, diese aufgedunsene Röte eines schweren Alkoholikers – in dem Moment war das alles verschwunden, in dem Moment sah Wotan reiner Freude ins Gesicht. Seine Achtung vor Pfarrer Wobien stieg sprunghaft an. Zuerst das Gegenflugblatt und jetzt das!

»Darf ich Ihnen beim Verteilen helfen? Es wäre mir ein Vergnügen.«

»Na ja, Herr Perkowitz … oiso, jo, gern.«

Wotan nahm ein Päckchen der zahlreichen Zettel, auf denen in einer etwas altmodischen, aber gut lesbaren Handschrift unter den Texten der Zusatz »Lobet den Herrn! Kindsbauer« geschrieben stand. Wotan konnte es kaum glauben, ja, er schämte sich dafür, aber – er war tatsächlich zu Tränen gerührt. Und hier in der Stille und Einsamkeit erlaubte er sich ein Taschentuch-Wischen pro Wange.

Gleich nach der textilen Rührungsbeseitigung stellte Wotan erleichtert fest, wieder der alte Skeptiker zu sein, denn irgendetwas an den prallen Emotionen der letzten fünf Minuten störte ihn.

»Lobet den Herrn! Kindsbauer« – Wotan starrte auf die ebenso schlichten wie bedeutungsschweren Worte. Ihm war klar, dass es für Herrn Fischlacher eine zusätzliche Freude sein musste, jede Woche seine Unterschrift neben diese Worte zu setzen. Er, der von allen verachtete Kindsbauer, er schrieb am Ende der Liedtexte diese religiöse Formel, die allen zeigte, dass auch er Gott preisen durfte und konnte. Er schrieb sie …

Mein Gott, das war es!

Vor Schreck über seine Erkenntnis hatte Wotan die Kärtchen fallen lassen.

»Herr Perkowitz, is was?«

Fischlacher kam auf Wotan entsetzt zugehumpelt, was diesem wiederum diplomatisches Geplänkel ersparte.

»Herr Fischlacher, ganz ehrlich, wer schreibt Ihnen diesen Zettel Woche für Woche?«

...

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