Le Parkour & Freerunning - Basisbuch für Schule und Verein

Le Parkour & Freerunning - Basisbuch für Schule und Verein

von: Jürgen Schmidt-Sinns, Saskia Scholl, Alexander Pach, Heinz Aschebrock, Rolf-Peter Pack

Meyer & Meyer, 2014

ISBN: 9783840334979

Sprache: Deutsch

320 Seiten, Download: 38733 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Le Parkour & Freerunning - Basisbuch für Schule und Verein



3 Handlungsfähigkeit bei Parkour und Freerunning – orientiert an pädagogischen Perspektiven und an der Vermittlung von Kompetenzen


Seit Bewegung, Spiel und Sport als Gymnastik, Leibesübungen, Turnen, Leibeserziehung, Körperkultur und heute als Sport mehr oder weniger umfangreich und gleichberechtigt in den Fächerkanon der Schulen aufgenommen worden sind, unterliegt dieses Fach dem Rechfertigungsdruck, sich als förderlich und unersetzlich für die Bildung, Entwicklung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu legitimieren und als gleichwertig zu anderen Fächern anerkannt zu werden.

Schon zu Beginn der modernen Leibeserziehung suchten die Philanthropen ihre „gymnastischen Übungen“, die bezüglich ihrer Brauchbarkeits-, Nützlichkeits- und Gesundheitsaspekte ausgewählt wurden, als notwendige Erziehungsmittel zu begründen.

Auch in den folgenden zwei Jahrhunderten wurden immer wieder mit unterschiedlichen Schwerpunkten die Erziehungsziele, -inhalte und -methoden der schulischen Leibesübungen diskutiert, wobei die gesundheitlichen Aspekte immer eine Rolle spielten.

Diese notwendige didaktische Begründung manifestiert sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Reformbestrebungen der Sportlehrpläne, die den Erziehungs- und Bildungsauftrag sowie die Zielsetzungen des Schulsports präzisieren. Sie bieten eine Orientierung für Lehrende, mit welchen Bewegungsinhalten „wozu“ und „wie“ sie den Schulsport anbieten können.

Trotz weiterer Konzepte – wie das „Sportartenkonzept“ von Söll oder das der „Körpererfahrung“ von Funke-Wieneke – hat sich die Qualifizierung zur Handlungsfähigkeit im Sport und durch Sport von Kurz als Leitidee in vielen Bundesländern durchgesetzt.

In diesem „pragmatischen“ Konzept, das die Ausrichtung auf normierte Sportarten aufbricht und sich gegenüber der Lebenswelt öffnet, sollen die Schüler zum selbstbestimmten Sporttreiben qualifiziert werden, sodass sie Bewegung, Spiel und Sport vernünftig und sinnvoll in ihr Leben einbinden können.

Hier sind neben den selbsttätigen, mehrperspektivisch mit Sinn unterlegten sportlichen Bewegungshandlungen, -erfahrungen und -erlebnissen auch die Erkenntnisse von Bedeutung, die über kommunizierende Reflexion dieser Tätigkeiten gewonnen werden können.

Die Erziehung zur Handlungsfähigkeit ist umso notwendiger, da der „selbstorganisierte informelle Freizeitsport“ mit zunehmendem Alter der Jugendlichen eine immer größere Bedeutung genießt (vgl. DSB-Sprint-Studie, 2006, S. 110).

Die Förderung der Handlungsfähigkeit wird in den Rahmenvorgaben für den Schulsport NRW als Doppelauftrag so formuliert:

Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport und

Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur

3.1 Pädagogische Perspektiven im Sportunterricht


In diesem Sinne soll Unterricht so konzipiert werden, dass die Inhalte, unter pädagogischen Leitperspektiven akzentuiert, dem pädagogischen Anspruch der Lehrenden entsprechen und deren Sinnhaftigkeit für die Ausübenden erfahrbar wird.

Abb. 29: Die Sinnzuweisungen des Sports und die daraus entstandenen pädagogischen Perspektiven, wie sie in den Sportlehrplänen für den Schulsport in NRW formuliert sind (nach Kurz).

Die pädagogischen Perspektiven in den NRW-Lehrplänen, „als Prototyp einer neuen Lehrplangeneration“ (vgl. DSB-SPRINT-Studie, 2006, S. 13), an denen sich Unterricht orientieren soll, präzisieren die frühere Zielsetzung „Handlungsfähigkeit“. Sie entstanden aus den von Kurz formulierten „Sinnperspektiven des Sports“, wobei Kurz ursprünglich von der Leistung „als zentralem Sinn des Sports“ ausging (vgl. Kurz, 2000, S. 9ff.).

Die Bezeichnung pädagogische Perspektiven erläutert Kurz damit, dass neben der Sinnbelegung zusätzlich der erzieherische Ansatz verdeutlicht werden soll, den die Sportlehrpläne als elementare Aufgabe des Schulsports herausstellen.

Als „Sichten auf den Sport“ sind sie für ihn von gleichrangiger Bedeutung, die sich von wechselnden Standpunkten erschließen und keine trennscharfen Abgrenzungen vorweisen (vgl. Kurz, 1995, S. 69).

Dabei nennt er es ein großes Missverständnis, wenn die pädagogischen Perspektiven so verstanden werden, dass es nur noch unter einer Perspektive um Können und Leisten gehe. Er führt dazu aus: „Um die Entwicklung von Können und Wissen (also um Leisten, der Verf.) geht es unter jeder Perspektive“ (Kurz, 2002, S. 76/77).

3.1.1 Schulsport versus Vereinssport?

Im Zusammenhang mit den pädagogischen und didaktischen Fragestellungen wird der Schulsport oft als „Abbild des Vereinssports“ kritisiert, wobei hier überwiegend die sportartspezifische und leistungsorientierte Ausrichtung der Trainingsgruppen in den Vereinen zum Vergleich herangezogen wird. Bewegungsangebote für Bewegungsbegabte also, die bestimmt sind durch Talentsuche, Spezialisierung, Auslese, Normierung und Wettkampf.

Dieser Fokussierung auf das leistungssportliche Training zur vorrangigen Steigerung der messbaren bzw. bewertbaren Leistung, deren Zweck in der Überbietung anderer im Wettkampf liegt, wird meist nur eine geringe oder einseitige pädagogische Absicht zugesprochen und auf den gesamten Vereinssport übertragen. Das ist aber – unabhängig von der Frage, ob die leistungssportliche Orientierung nicht ebenso Erziehung im positiven Sinn bedeuten kann – für einen ganz großen Teil auch der sportlichen Angebote der Vereine so nicht richtig. So besitzt beispielsweise das Ausbildungsmodul der Übungsleiterqualifikationen im breitensportlichen Turnen, „Pädagogische, didaktische und psychosoziale Aspekte bei der Vermittlung von Turnen und Sport“, mit entsprechenden Unterthemen in Theorie und Praxis einen hohen Stellenwert.

Das spiegelt sich durchaus auch in der Vereinspraxis wider. Die Arbeit der Turnvereine für insgesamt 2.002.861 Kinder und Jugendliche im DTB (Jahrbuch, 2007) hat sich noch nie einseitig auf das Training mit Leistungs- und Wettkampfgruppen beschränkt. Es besteht hier sogar überwiegend eine Vielzahl von freizeitlichen, gesundheitlichen und integrativen Bewegungsangeboten – angefangen vom Eltern-Kind-Turnen über das Kleinkinderturnen, bis hin zum Abenteuerturnen im Jugendbereich. Dabei werden als Inhalte des „Turnens“, seiner Identität entsprechend, nicht nur das Bewegen an Geräten vermittelt, sondern ebenso Spiele, Gymnastik und weitere Sportformen drinnen wie draußen, wobei auch immer wieder neue Trends (wie Jogging/Aerobic/Skaten/Ringen und Kämpfen/Klettern und eben auch Parkour und Freerunning) aufgenommen wurden und werden. Weiterhin gibt es Kursangebote, die spezifisch die Gesundheit (z. B. für schwergewichtige Kinder), das Miteinander (z. B. zur Integration von behinderten Menschen) oder den Wunsch nach Gestaltung und Darstellung (z. B. durch Aufbau von Vorführgruppen) betreffen. Zusätzlich dienen thematische Schwerpunkte, wie „Turnzirkus“ oder „Abenteuerspielplatz“, „Bewegungsgarten“, „Straßenturnen“, als Anlass für längere Bewegungsprojekte.

Besonders das Konzept des „freien Turnens“ (an Geräten), das im DTB alternativ zum traditionellen, wettkampforientierten Gerätturnen von einer Expertengruppe entwickelt wurde, konnte dieses bunte Kaleidoskop von vielfältigen turnerischen Bewegungsmöglichkeiten erweitern.

Frei von den Normen des Wettkampfsports steht im freien Turnen für alle

Zugänglichkeit und nicht Auslese,

das Bewegungserlebnis und nicht das Bewegungsergebnis,

das gemeinsame Bewegungshandeln und nicht die Konkurrenzorientierung,

die Vielfältigkeit und nicht das Spezialistentum

im Mittelpunkt der pädagogischen Überlegungen (vgl. Schmidt-Sinns, 2001, S. 24).

Abb. 30, 31, 32: Vielfältiges freies Kinder- und Jugendturnen: Pippi-Langstrumpf-Parcours, Auftritt der Trapezellis, Freestyle-Jumps mit Minitramps

Jürgen Dieckert, ein Mitglied der Expertengruppe und späterer DTB-Präsident, nannte es ein Integrationskonzept – was für die Teilnehmer und ihre Motive, für die angewandten Methoden und Inhalte sowie für unterschiedliche Konzepte und Sinnperspektiven gilt (vgl. Dieckert, 1987).

Inhaltlich war das Bewegen außerhalb der Turnhallen als „Straßenturnen“ ebenfalls in diesem Konzept enthalten.

Bei diesem hier nur verkürzt wiedergegebenen, vielfältigen, zum Teil auch sportartübergreifenden (turnerischen) Bewegungsprogramm gewinnt die...

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