Anatomie für die Tiermedizin

Anatomie für die Tiermedizin

von: Hans Geyer, Uwe Gille, Franz-Viktor Salomon

Enke, 2015

ISBN: 9783830412908

Sprache: Deutsch

872 Seiten, Download: 79194 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Anatomie für die Tiermedizin



1 Allgemeine Anatomie der Haussäugetiere


Franz-V. Salomon

1.1 Das Stoffgebiet der Anatomie


Der Begriff „Anatomie“ ergibt sich aus der grundlegenden Methode dieses Faches, der Zergliederung des Körpers in seine Bauelemente (anatemnein, gr.: zerschneiden). Aus der Beschreibung der beim Zergliedern sichtbar werdenden Strukturen leitet sich der Begriff der deskriptiven Anatomie ab. Sofern es sich um mit dem bloßen Auge sichtbare Strukturen handelt, ist deren Beschreibung Gegenstand der makroskopischen Anatomie (makros, gr.: groß; skopein, gr.: betrachten). Die mikroskopische Anatomie (mikros, gr.: klein) bedient sich optischer Hilfsmittel. Mit Licht- oder Elektronenmikroskopen werden dabei für das bloße Auge nicht wahrnehmbare Details sichtbar gemacht.

Die makroskopische Anatomie kann unter zwei Aspekten betrieben werden. Als systematische Anatomie beschäftigt sie sich mit Organgruppen, deren Aufgaben eng miteinander verknüpft sind. Der enge funktionelle Zusammenhang zwischen bestimmten Organen ist der Anlass, diese zu Organ- oder Funktionssystemen zusammenzufassen (z.B. Verdauungssystem, Atmungssystem).

Wenn in der makroskopischen Anatomie die regionale Gliederung des Tierkörpers und die Lagebeziehungen der Organe untereinander im Vordergrund der Betrachtung stehen, spricht man von topografischer Anatomie (topos, gr.: Ort). Bei den topografisch-anatomischen Betrachtungen spielen Anwendungsaspekte die Hauptrolle. In Abhängigkeit von unterschiedlichen Zielstellungen wird die topografische Anatomie etwa als Oberflächenanatomie, chirurgische Anatomie oder Röntgenanatomie betrieben. Unter dem Anwendungsgesichtspunkt haben sich für die topografische Anatomie auch die Bezeichnungen angewandte Anatomie oder klinische Anatomie eingebürgert. Die Grenzen zwischen den Bezeichnungen für verschiedene topografisch-anatomische Vorgehensweisen sind fließend.

Die mikroskopische Anatomie umfasst die Gewebelehre, Histologie (histos, gr.: Gewebe), und die Zellenlehre, Zytologie (kytos, gr.: Zelle). Mit Lichtmikroskopen wird ein Auflösungsvermögen von bis zu 0,2 μm und eine bis zu 1500-fache Vergrößerung der untersuchten Objekte erreicht. Elektronenmikroskope arbeiten mit einem Auflösungsvermögen von etwa 0,2 nm und vergrößern bis 250 000-fach.

Das jüngste Teilgebiet der Anatomie ist die molekulare Anatomie, die sich mit dem molekularen Aufbau einzelner Zellbestandteile befasst.

Zum Gesamtgebiet der Anatomie gehört auch die Embryologie (embryon, gr.: ungeborene Leibesfrucht). Sie befasst sich mit der Bildung von Geweben (Histogenese) und Organen (Organogenese) sowie der Entwicklung der Körpergestalt (Morphogenese, [morphe, gr.: Gestalt]). Diese Vorgänge beginnen mit der Befruchtung der Eizelle und werden in ihrer Gesamtheit als Ontogenese (on, gr.: seiend) bezeichnet.

Selbstverständlich ist es das Anliegen einer modernen Anatomie, die morphologischen Sachverhalte zu einem funktionellen Gesamtbild (funktionelle Anatomie) zusammenzufügen. Daraus ergeben sich enge Wechselbeziehungen zwischen Anatomie, Physiologie, Biochemie und einer ganzen Reihe weiterer Disziplinen.

Die stammesgeschichtliche Entwicklung, Phylogenese, ist Gegenstand der vergleichenden Anatomie. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst die einzelligen (Protozoen) und die mehrzelligen (Metazoen) Lebewesen. Protoplasma und Zellkern einzelliger Lebewesen haben die Fähigkeit zu allen Elementarfunktionen, die der Organismus zum Leben braucht (Stoffwechsel, Informationsaustausch, Atmung, Zirkulation). Bei mehrzelligen Organismen differenzieren sich für diese Aufgaben eigene Organsysteme.

Der Metazoenorganismus zeigt einen hierarchischen Aufbau. Sein kleinstes, für sich teilungs- und lebensfähiges Element ist die Zelle. Zellen sind zu Verbänden, den Geweben, zusammengeschlossen, die wiederum Bestandteil von Organen sind. Ein Organ besteht aus einem spezifischen Gewebe, welches die Organleistung hervorbringt (z.B. Hepatozyten in der Leber) und als Parenchym bezeichnet wird. Dazu kommen weitere Gewebe, die Hilfsfunktionen erfüllen (Bindegewebe, Gefäße, Nerven). Funktionell miteinander verknüpfte Organe lassen sich zu Organsystemen zusammenfassen, die in ihrer Gesamtheit ein Individuum formen.

Hierarchischer Aufbau des Organismus:

  • Individuum

  • Organsystem

  • Organ

    • Parenchym

    • Gewebe mit Hilfsfunktionen

  • Gewebe

  • Zelle

Unter den Metazoen stehen die Säugetiere am Ende der Entwicklungsreihe der Wirbeltiere (Vertebraten). Deren erdgeschichtliche Reihenfolge beginnt mit den Fischen und führt über die Amphibien, Reptilien und Vögel zu den Säugetieren. Charakteristisch für die Vertebraten ist der Aufbau ihrer Wirbelsäule aus aufeinanderfolgenden ähnlichen Stücken (Wirbeln). Das Prinzip der segmentalen Gliederung wird als Metamerie (meros, gr.: Teil) bezeichnet. Die segmentale Gliederung ist mehr oder weniger unvollständig an verschiedenen Organsystemen, besonders an Blutgefäßen, Nerven und Muskeln, sichtbar. Im Übrigen gilt für die Wirbeltiere auch das Bauprinzip der Polarität, d.h. sie weisen einen vorderen und einen hinteren Körperpol auf.

Die Struktur des Gebietes Anatomie

Deskriptive Anatomie (als funktionelle Anatomie betrieben)

  • makroskopische Anatomie

    • systematische Anatomie

    • topographische (angewandte oder klinische) Anatomie

      • Oberflächenanatomie

      • chirurgische Anatomie

      • Röntgenanatomie

  • mikroskopische Anatomie

    • Histologie

    • Zytologie

  • molekulare Anatomie

  • Embryologie (behandelt die Ontogenese)

    • Histogenese

    • Organogenese

Vergleichende Anatomie (behandelt die Phylogenese)

1.2 Gliederung des Körpers nach Organsystemen


Nach funktionellen Gesichtspunkten kann der Körper in Organsysteme oder -apparate gegliedert werden. Zu einem Organsystem werden mehrere Organe zusammengefasst, die gemeinsam spezifische Leistungen wie Bewegung, Verdauung oder Fortpflanzung erbringen. Dabei wird sehr schnell deutlich, dass die Grenzen der Zuordnung eines Organs zu einem System fließend sind. So sind etwa Blutgefäße oder Nerven als Bestandteile des Herz-Kreislauf- und Abwehrsystems bzw. des Nervensystems am Aufbau aller anderen Organsysteme beteiligt. Auch gibt es verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung einzelner Organe zu Systemen. Dennoch ist die funktionelle Gliederung des Körpers aus didaktischen Gründen unverzichtbar. Die Organe der Haussäugetiere werden im Weiteren zu folgenden Organsystemen zusammengefasst:

Gliederung des Körpers nach funktionellen Gesichtspunkten:

  • Bewegungsapparat

  • Verdauungsapparat

  • Atmungsapparat

  • Harn- und Geschlechtsapparat

  • Herz-Kreislauf- und Abwehrsystem

  • Nervensystem

  • Sinnesorgane

  • endokrines System

  • äußere Haut

1.2.1 Bewegungsapparat


Zum Bewegungsapparat zählen die Knochen, die Gelenke und die Muskeln. Die Knochen bilden gemeinsam das Skelett. Das Skelett formt ein festes Körpergerüst, welches maßgeblich die Gestalt eines Individuums mitbestimmt. Die bewegliche Verbindung zwischen den Knochen erfolgt durch Gelenke. Die mit Sehnen am Skelett befestigten Muskeln bilden gemeinsam die Skelettmuskulatur. Durch Kontraktion der Muskeln werden in den Gelenken Bewegungen, z.B. Beugen oder Strecken, ausgelöst. Die Gelenkbewegungen ermöglichen die Fortbewegung des Individuums oder die Bewegung einzelner Körperabschnitte am Ort. Das Skelett ist überdies an der Ausbildung von Körperhöhlen beteiligt, die dem Schutz der Weichteile dienen. Schließlich stellt das Skelett das Hauptspeicherorgan für Kalzium und Phosphor dar. Bei Bedarf werden diese beiden...

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