Innere Medizin für Pflegeberufe

Innere Medizin für Pflegeberufe

von: Ulrich Gerlach, Hermann Wagner, Wilhelm Wirth

Georg Thieme Verlag KG, 2015

ISBN: 9783131522085

Sprache: Deutsch

840 Seiten, Download: 34346 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Innere Medizin für Pflegeberufe



© Thieme Verlagsgruppe |

1 Einführung in die Innere Medizin


Wilhelm Wirth

Das Fach Innere Medizin ist das umfassendste Gebiet der gesamten Medizin. Die Zunahme unserer Kenntnisse über die einzelnen Erkrankungen und der technische Fortschritt in Diagnose und Therapie haben dazu geführt, dass innerhalb der Inneren Medizin eine Reihe von Fachdisziplinen entstanden ist. So finden sich heute unter dem Dach der Inneren Medizin Spezialgebiete wie Kardiologie (Herz- und Kreislauferkrankungen), Nephrologie (Nieren- und Hochdruckkrankheiten), Gastroenterologie (Magen-, Darm-und Lebererkrankungen), Hämatologie (Blutkrankheiten und Gerinnungsstörungen), Onkologie (bösartige Tumore), Rheumatologie (Gelenk- und Bindegewebserkrankungen), bis hin zu Endokrinologie, Infektionskrankheiten und Altersmedizin. In allen Fächern muss sich der Internist, will er sich spezialisieren, besondere Kenntnisse und Fähigkeiten durch eine Zusatzausbildung aneignen.

Um dem Kranken gerecht zu werden, ist bei aller Spezialisierung immer die Kenntnis der gesamten Inneren Medizin notwendig. Statistische Erhebungen zeigen, dass etwa 60% der Patienten bei der Krankenhausaufnahme in eine Innere Abteilung zunächst nicht eindeutig einer Spezialabteilung zuzuordnen sind. Zudem leiden in unserer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen gleichzeitig an mehreren Krankheiten: Übergewicht, Zuckerkrankheit, Hochdruck und Gelenkarthrose sind keine Seltenheit bei ein und demselben Patienten (Multimorbidität). In der Inneren Medizin müssen deshalb Ärzte und Pflegekräfte über eine fachliche Spezialisierung hinaus immer das Gesamtgebiet überblicken.

Ein Grundanliegen dieses Buches ist es deshalb, die Innere Medizin als Gesamtheit darzustellen.

In der Inneren Medizin begegnet man Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern in verschiedenen Krankheitsstadien. Neben Schwerkranken mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung finden sich andere, deren Kranksein eher auf einer Befindensstörung beruht. Beide sind Patienten, das heißt Leidende (lat. patiens – leidend), die der Zuwendung und fachlichen Hilfe bedürfen. Müdigkeit und Abgeschlagenheit in einer depressiven Stimmungslage können für den Einzelnen genauso belastend sein, wie Schmerzen und Appetitlosigkeit infolge eines Magengeschwürs. In beiden Fällen ist es nötig, durch eine unvoreingenommene internistische Untersuchung die Beschwerden abzuklären.

Prävention Eine besondere Aufgabe der Inneren Medizin stellt die Vorsorge (Prävention) von Krankheiten dar. Sie soll nicht nur frühzeitig sich entwickelnde Krankheiten erkennen, sondern vor allem helfen, die Entstehung von Krankheiten zu vermeiden. Zur Prävention gehören die Aufklärung über Risikofaktoren, wie Übergewicht, Rauchen oder Stress aber auch vorbeugende Impfungen. Es gibt beeinflussbare Risikofaktoren wie z.B. hohe Blutfettwerte, Bluthochdruck oder Bewegungsmangel. Andere Risikofaktoren sind nicht vermeidbar, wie z.B. Erbanlagen oder das Alter. In den einzelnen Kapiteln dieses Lehrbuches wird jeweils auf die Prävention von Krankheiten hingewiesen.

Erwartungen Die Erwartungen der Menschen an die Möglichkeiten der Medizin sind groß. Eine moderne apparative Ausrüstung wird vorausgesetzt. Mit Recht wird erwartet, dass die sog. Apparatemedizin kontrolliert wird durch eine Medizin, die den ganzen Menschen im Blick behält und fachliches Können immer mit menschlicher Zuwendung verbindet. Der mündige Patient erwartet ein durch Vertrauen geprägtes Gespräch mit Ärzten und Pflegenden über Risiken und Nebenwirkungen medizinischer Maßnahmen.

Palliativmedizin Todkranken muss ein Sterben in Würde ermöglicht werden. Diesem Ziel dient aus ärztlicher Sicht in besonderem Maße die ambulante und stationäre Hospizbetreuung.

Epidemiologie Für die Innere Medizin es wichtig, Ursachen, Verteilung, Häufigkeit und die Folgen von Krankheiten zahlenmäßig zu erfassen. Der Wissenschaftszweig Epidemiologie (gr. epidemos – im Volk verbreitet, logos- Kunde, Lehre) befasst sich mit quantitativen, statistischen Angaben dazu.

Prävalenz (Häufigkeit) gibt die Anzahl einer Krankheit in einer bestimmten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder, z.B. 8 Erkrankungsfälle von Masern auf 100000 Einwohner.

Inzidenz (Fallzahl) gibt die Zahl an Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum innerhalb einer bestimmten Population wieder, z.B. 8 Masernfälle auf 100000 Einwohner pro Jahr.

Lebenserwartung Früher begrenzten Hunger, Kriege und große Seuchen wie Pest, Cholera und Tuberkulose die Lebenserwartung der Menschen in Europa. Heute stehen in der westlichen modernen Welt chronische Erkrankungen im Vordergrund. Dazu gehören Herz- und Kreislauferkrankungen, die Arteriosklerose, Krebsleiden, Atemwegserkrankungen, Stoffwechselstörungen und auch rheumatische Verschleißerkrankungen. Weltweit bedrohen neue, früher nicht bekannte Infektionen die Menschen, z.B. AIDS, Vogelgrippe oder Ebola.

Krankheitsursachen Viele Krankheiten haben eine genetische Grundlage. Abweichungen vom normalen Genmuster bestimmen beim einzelnen Menschen eine Krankheitsanlage oder den besonderen Verlauf einer Erkrankung. Die Aufschlüsselung der Genmuster beim einzelnen Menschen erlaubt es in vielen Fällen, Krankheitsrisiken aufzudecken und das Ansprechen auf eine Therapie vorauszubestimmen. So ist es möglich, z.B. Antikörper gegen Leukämiezellen zu entwickeln, die genau zu der individuellen Krankheit passen (personalisierte Therapie).

Umweltfaktoren wie Ernährung, Lebensstil, Arbeitsbedingungen aber auch chronische Entzündungen können die Anlagerung von Methylgruppen an die DNS der Gene in Zellen verändern. Die Aktivität der Gene. d.h. ihre An- bzw. Abschaltung wird dadurch gesteuert. Der Phänotyp wird modelliert und den Erfordernissen angepasst. Diese erworbene Anpassungsfähigkeit kann weiter vererbt werden und wird als Epigenetik bezeichnet. Die eigentliche Erbsubstanz, unser Genotyp wird dabei nicht verändert.

Für die Innere Medizin haben diese wissenschaftlichen Erkenntnisse eine besondere Bedeutung. Sie geben Hinweise auf eine frühe Prägung und auf die Vererbbarkeit von Anlagen für die große Zahl von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Diabetes, Hochdruck. Eventuell geben sie auch Hinweise auf einen vorzeitigen Abbau geistiger Fähigkeiten (Demenz). Dies zu verhindern durch Prävention, rechtzeitige Diagnose und frühzeitige Therapie gehört zu den großen Aufgaben der Inneren Medizin.

1.1 Wege zur Diagnose und Therapie in der Inneren Medizin


1.1.1 Die Anamnese


Die internistische Untersuchung beginnt mit der Befragung des Patienten nach seinen Beschwerden. Die Anamnese (gr. anamnesis – Erinnerung) sollte möglichst in einer ruhigen und geschützten Umgebung erhoben werden und beschränkt sich zunächst auf das Zuhören. Der Patient soll seine Beschwerden schildern, wie er sie empfindet. Die Art, wie der Patient über seine Krankheit spricht, ob sachlich nüchtern, überhastet, überbetont oder ängstlich zurückhaltend, gibt dem Arzt wichtige Anhaltspunkte über die Persönlichkeit des Patienten und dessen Auseinandersetzung mit seinem Leiden. Die Kunst der Anamnese besteht darin, gezielte und verständnisvolle Fragen zu stellen und für die Erkrankung Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Manchmal muss der Arzt lange zuhören (Sprech–Stunde!), in anderen Fällen die Beschwerdeschilderung der Patienten unterbrechen, um einen nicht endend wollenden Redefluss zu stoppen. Wichtig ist zu erfragen, wie lange und wie häufig die Beschwerden bestehen, wann sie erstmals aufgetreten sind und ob sie sich verstärkt haben.

Die Sozialanamnese gibt Auskunft über Risiken am Arbeitsplatz, die häusliche Versorgung, sportliche Aktivitäten und besondere Erkrankungen im Umfeld (z.B. Tuberkulose).

Nach dieser Eigenanamnese ist die Familienanamnese aufschlussreich für die Diagnosefindung. Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt, Hochdruck oder Krebs bei Familienangehörigen können auf eine erbliche Veranlagung hinweisen. Zur Familienanamnese gehören auch Fragen nach erreichtem Lebensalter und Todesursachen bei Eltern, Geschwistern und Großeltern. Die Befragung von Familienangehörigen (Fremdanamnese) ist wichtig, insbesondere wenn eine Bewusstseinseintrübung oder demenzielle Vergesslichkeit beim Patienten besteht. Gegen den Willen des Patienten darf man Fremde in die Anamnese nicht einbeziehen.

Die aktuelle Erkrankung steht im Vordergrund der Befragung. Vage Beschwerdeschilderungen werden durch gezielte Fragen...

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