Die Mechanik des Seelenwagens. Eine neuronale Theorie der Handlungsregulation

Die Mechanik des Seelenwagens. Eine neuronale Theorie der Handlungsregulation

von: Dietrich Dörner

Hogrefe AG, 2002

ISBN: 9783456938141

Sprache: Deutsch

382 Seiten, Download: 8533 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Mechanik des Seelenwagens. Eine neuronale Theorie der Handlungsregulation



6. Die Insel (S. 249-250)

6.1 Wie prüft man komplexe Theorien?

Wir haben jetzt eine vollständig formale Theorie über kognitive Prozesse und ihre Einbettung in motivationale und emotionale Prozesse geschildert. Diese Theorie ist nichts anderes als ein Bündel von Hypothesen.
 
Jede einzelne Hypothese besteht aus einer «wenn . . . dann . . .-Aussage».

Wie prüft man Hypothesen? Jeder Psychologiestudent lernt in den methodischen Veranstaltungen im Grundstudium, wie das zu machen ist. Man unterscheidet zunächst die Prädiktoren (oder die «unabhängigen Variablen») von den Kriteriumsvariablen (oder den «abhängigen Variablen»). Dann variiert man die Prädiktorvariable und stellt fest, ob diese Variation die Kriteriumsvariable beein.usst. Wenn dieser Ein.uss vorhanden und außerdem theoriekonform ist, dann ist die Prüfung der Theorie positiv ausgefallen. Man kann die Theorie (vorerst einmal) für richtig halten. – Man überprüft also z. B., ob sich Ärger auf die Rechenleistung auswirkt, indem man zwei Versuchspersonengruppen bildet und die Personen der einen Gruppe auf irgendeine Weise ärgert, die der anderen nicht.

Dann lässt man die Versuchspersonen beider Gruppen die gleichen Rechenaufgaben lösen und stellt Fehleranzahl oder Lösungszeit oder beides fest und überprüft mit dem geeigneten statistischen Verfahren, ob ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen besteht. Wenn dieser vorhanden und außerdem theoriekonform ist, dann ist die Theorie richtig. Man könnte z. B. die Hypothese gebildet haben, dass Ärger auf der einen Seite aktiviert und deshalb das Handeln beschleunigt, auf der anderen Seite aber zu ungenauem Arbeiten verführt, so dass die «ärgerlichen» Versuchspersonen einerseits mehr Aufgaben in Angriff nehmen, andererseits aber mehr Fehler machen. Wenn das herauskommt, ist die Theorie bestätigt.

Hat man mehr Prädiktorvariablen und auch mehr Kriterienvariablen, dann greift man am besten zu einem varianzanalytischen Planversuch und prüft die Effekte der Variation von mehreren Prädiktorvariablen zugleich. Soweit so gut; man kann mit solchen Verfahren sicherlich unter bestimmten Umständen eine Menge anfangen. Für die Überprüfung der Ø-Theorie aber sind diese Verfahren aus mehreren Gründen unbrauchbar. Die Anzahl von Variablen, über die Zusammenhänge behauptet werden, ist in der Ø-Theorie außerordentlich groß. Es ist schwer, überhaupt die Anzahl von Hypothesen abzuschätzen, die in die Ø-Theorie eingehen.

Denn wie soll man das machen? Soll man jeden einzelnen synaptischen Übergang von einem Quad eines Schemas zu einem anderen als besonders zu prüfende Hypothese betrachten? Zweifellos ist es eine Hypothese, wenn behauptet wird, dass ein bestimmtes Schema existiert, welches in der und der Weise gebraucht wird. Ein Schema ist ein Gefüge synaptischer Übergänge. Wenn wir auf dieser Ebene prüfen wollen, dann besteht die Theorie aus Hunderttausenden von Teilhypothesen, und es ist gänzlich unmöglich, sie alle zu prüfen, ganz davon abgesehen, dass es gar nicht möglich ist, die neuronalen Prozesse im einzelnen (z. B. durch Mikroelektroden) zu erfassen.

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