The Big O - Kriminalroman

The Big O - Kriminalroman

von: Declan Burke

Edition Nautilus, 2016

ISBN: 9783960540038

Sprache: Deutsch

288 Seiten, Download: 963 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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The Big O - Kriminalroman



MITTWOCH


KAREN


In der Bar, Karen trank Wodka Tonic, Ray einen Brandy, um seine Nerven zu beruhigen, erzählte sie ihm, dass die Leute auf einen Überfall so ähnlich wie auf den Tod reagierten: mit Schock, Fassungslosigkeit, Wut, Unterwerfung.

»Der Trick ist«, sagte Karen, »die Wutphase möglichst zu überspringen und sie direkt in die Unterwerfung zu treiben.«

»Du gehst also einfach den Gang entlang …«

»Einen Seitengang. Niemals den mittleren.«

»Deshalb hab ich dich nicht kommen sehen«, sagte Ray. »Du kamst durch den Seitengang, mit einem Motorradhelm auf dem Kopf.«

»Immer. Visier runtergezogen. Getönt.«

»Klar. Und in der Hand so ein Ding, das mir wie eine 44er Magnum vorkam.«

»Genau.«

»Aber du sagst trotzdem immer ›Entschuldigen Sie bitte‹, wenn du an der Theke stehst?«

»Damit sich niemand aufregt. Vor allem ich nicht.«

»Du hast also ihre Aufmerksamkeit. Was dann?«

»Ich frag sie, ob sie Kinder haben. Normalerweise haben sie das. An den meisten Abenden muss ich die Knarre nicht mal durchladen.«

»Da hatte ich ja Glück«, sagte Ray. Er nahm einen Schluck von seinem Brandy und warf Karen über den Rand des Glases hinweg einen Blick zu. »Ich darf mir also was drauf einbilden, dass du nicht anders konntest, als auf mich zu schießen?«

»Ich hab ja nicht genau gezielt«, sagte sie.

»Aber du hast abgedrückt.«

»Versetz dich mal in meine Lage. Du tauchst ganz plötzlich aus dem Nichts auf. Schleichst dich ran.«

»Ich wollte mir bloß ein Cornetto-Erdbeer aus der Kühltruhe holen.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Und als ich mich wieder aufrichte, wird mir beinahe der Schädel weggeblasen.«

Karen hatte Ray erst spät am Rand ihres Blickfelds bemerkt. Es hatte ausgesehen, als wollte er sich auf sie stürzen. Also hatte sie sich halb zur Seite gedreht und abgedrückt. Leerschuss. Es war vorbei gewesen, bevor er es überhaupt richtig mitbekommen hatte.

Nur dass Karen sich noch sehr genau erinnerte, was in dem Moment mit seinen Augen passiert war. Sie wurden heller, blieben aber absolut ruhig. Tigeraugen, haselnussbraun mit goldenen Einsprengseln. Und obwohl Karen wusste, dass er ihr Gesicht hinter dem getönten Glas nicht sehen konnte, hätte sie ihm beinahe zugezwinkert.

Dann hatte der Chinese hinter dem Tresen gesagt: »Ich hab gerade abgeschlossen. Das Geld ist im Safe. Sind aber nur Säcke mit Kleingeld.«

»Gib mir dein Portemonnaie«, hatte sie erwidert und auf dem Führerschein seine Adresse kontrolliert. »Ich weiß jetzt, wo du wohnst«, hatte sie dem Chinesen gesagt und das Portemonnaie zurück auf die Theke geworfen. Der Chinese hatte mit den Schultern gezuckt und auf seine Armbanduhr geschaut.

Draußen auf dem Vorplatz, Ray stand ziemlich lässig herum, mit dem Cornetto in der Hand, hatte Karen gefragt: »Lust auf’n Drink?«

Und Ray hatte geantwortet: »Soll mir recht sein.«

RAY


Danach hatte Karen erst mal das Motorrad weggebracht. Ray hatte ihr gesagt, er käme nach und würde sie dann in der Bar treffen. Jetzt saßen sie an der Ecke eines L-förmigen Tresens, Ray am kurzen Ende des L, mit dem Rücken zur Wand, so dass er die Tür im Auge behalten konnte. Karen kippte den ersten Wodka Tonic, bestellte einen zweiten und einen Kaffee für Ray.

»Und was machst du so, Ray?«, fragte sie.

»Ich bin im Ruhestand.«

»Schön für dich. Von was ruhst du dich denn aus?«

»Vom Babysitten.«

»Du bist Babysitter?«

»Nicht mehr. Ich hab aufgehört. Was ist mit dir, sind Raubüberfälle deine Hauptbeschäftigung?«

»Nee. Erzähl mir mehr über dein Babysitten.«

Ray bemerkte ein Leuchten in ihren Augen, und es waren wirklich sehr hübsche Augen.

»Der Typ, für den ich arbeite«, sagte er, »für den ich gearbeitet habe, muss manchmal Leute für eine Weile festhalten. Ich bin derjenige, der sie festhält.«

»Festhalten?«

»Manchmal schuldet jemand einem anderen Geld und hat es nicht so eilig mit dem Zurückzahlen. Oder manchmal soll ein Job erledigt werden, für den Insiderwissen nötig ist, zum Beispiel wenn einer den Sicherheitscode kennt. Also schnappt man sich jemanden, mit dem er bekannt ist. Meistens die Ehefrau. Mit Kindern kann’s nervig werden.«

»Und du kümmerst dich dann gut um die Frauen?«

»Bisher hat sich noch niemand beschwert.«

»Netter Job.«

»Du hast immerhin eine 44er Magnum dabeigehabt.«

»Benutzt du keine Waffen?«

»Nicht immer. Kommt auf die Umstände an. Manche Leute passen sich besser an als andere.«

»Ich dachte, es hätte sich noch niemand beschwert.«

»Meistens sind sie ja geknebelt.«

Karen nippte an ihrem Wodka Tonic. »Und wieso hast du dich zur Ruhe gesetzt?«

»Entweder man geht oder man wird gegangen. Der Kühlschrank ist verschwunden. Und ein neuer Kredithai hat das Geschäft übernommen.«

»Der Kühlschrank?«

»Der Typ hat ziemlich viel gegessen.«

»Was ist mit ihm passiert?«

»Das, was mit jedem Kühlschrank irgendwann passiert«, sagte Ray. »Liegt jetzt unten im Kanal. Durchlöchert.«

FRANK


Mit menschlichem Fleisch zu arbeiten, erklärte Frank gern seinen Patienten, in menschlichem Fleisch zu arbeiten, sei ein Privileg, das es einem schlichten Chirurgen ermöglicht, den Status eines Künstlers zu erlangen. Mehr noch, das Vertrauen, das zwischen dem Künstler und seinem lebenden Material existiere, sei absolut einmalig. Michelangelo, fügte Frank dann mit einem augenzwinkernden Seitenblick auf die Büste des Renaissancekünstlers in der Ecke seines Besprechungszimmers hinzu, hatte sich keine Sorgen darüber machen müssen, ob der Marmor ihm vertraut oder nicht.

An diesem Punkt versicherte die nervöse Patientin ihm eilig – schon benommen angesichts der Vorstellung von Nadeln und Skalpellen und voller Angst vor einer öffentlichen Blamage –, sie hätte völliges Vertrauen in seine Fähigkeiten, woraufhin Frank mit leichtem Zögern die Einverständniserklärung über seinen Mahagoni-Schreibtisch schob.

Das waren die Momente, in denen Frank sich am tollsten fühlte. Er hatte alles im Griff, er war der Mann, der diesen kleinen, aber feinen Unterschied ausmachte.

Dies hier war allerdings ein ganz anderer Moment.

»Meinst du das wirklich ernst?«, fragte er. Es fiel ihm nicht leicht, seine Stimme im Zaum zu halten, während er sich über den Tisch beugte.

»Absolut narrensicher«, sagte Bryan leichthin und klopfte dabei die imaginäre Asche von seiner nicht brennenden Ritmeester-Zigarre. »Felsenfest. Unkaputtbar, wenn ich das mal so sagen darf.«

»Okay, das will ich ja gar nicht anzweifeln. Ich will bloß wissen, ob du es ernst meinst? Oder ob du wieder auf irgend so einem Trip bist.«

»Jesses, Frank. Bleib ruhig.« Bryan schaute über die Schulter, während er den winzigen Knoten in seiner Krawatte noch fester zog. Er beugte sich vor und stemmte die Ellbogen auf den Tisch, wodurch das schlanke Glas mit dem tschechischen Import-Bier gefährlich ins Wackeln geriet. »Steht alles im Kleingedruckten, Frank. Und es ist ja nicht so, dass wir hier was Illegales tun würden.«

»Die ganze Scheißaktion ist total illegal«, flüsterte Frank heiser.

Denn wenn es nicht illegal wäre, dann würden sie jetzt nicht flüsternd in der hintersten Nische der Bar im Golfklub sitzen, oder? Frank fragte sich, ob er jemals zuvor so weit weg vom Tresen gesessen hatte, und es fiel ihm kein einziger Grund ein, das zu rechtfertigen.

Wutentbrannt sah er zu, wie Bryan seine Zigarre kupierte. »Hör mal, ich hab dich gebeten, dafür zu sorgen, dass diese Schlampe mich nicht mehr ausnehmen und mir das letzte Hemd vom Leib reißen kann. Und das ist das Einzige, was dir dazu einfällt?«

Bryan kniff die Bügelfalte seiner Hose zusammen. »Entspann dich, Frank. Sie mussten zwangsläufig ein Schlupfloch finden. Oder zwei.«

»Ein Schlupfloch? Der ganze Ehevertrag ist ein Fass ohne Boden, Bryan. Alles, was darin aufgeführt wird, verschwindet auf Nimmerwiedersehen.«

Frank konnte noch immer nicht fassen, was Margarets Anwalt in den letzten sechs Monaten für einen Aufstand gemacht hatte. Der Typ war schlimmer als ein Heuschreckenschwarm. Ihm war schon mehr als einmal der Verdacht...

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