Taschenatlas Notfallmedizin

Taschenatlas Notfallmedizin

von: Hans Anton Adams, Andreas Flemming, Lars Friedrich, Heiner Ruschulte

Georg Thieme Verlag KG, 2016

ISBN: 9783131674531

Sprache: Deutsch

240 Seiten, Download: 15061 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Taschenatlas Notfallmedizin



2 Spezielle Notfallmedizin


2.1 Innere Medizin


2.1.1 Akutes Koronarsyndrom – ACS


2.1.1.1 Grundlagen

Das ACS (Acute Coronary Syndrome; akutes Koronarsyndrom) ist eine häufige Einsatzindikation im Rettungsdienst. Das Syndrom ist durch eine wechselnde und oft untypische Symptomatik sowie hohen Handlungsdruck gekennzeichnet.

Das Unter dem Begriff ACS – mit dem Leitsymptom akuter Brustschmerz bzw. Angina pectoris (AP) – werden folgende Diagnosen subsumiert (▶ Abb. 2.1):

  • Instabile AP, ACS mit normalem Troponin

  • NSTEMI (non-STEMI), akuter Myokardinfarkt ohne ST-Hebung

  • STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction), akuter Myokardinfarkt mit persistierender ST-Hebung bzw. STE-ACS (ST-Elevation Acute Coronary Syndrome)

Von der asymptomatischen koronaren Herzkrankheit zum akuten Koronarsyndrom.

Abb. 2.1 

Durch rasche Diagnosestellung und Therapie konnte die Mortalität in den letzten Jahren gesenkt werden, allerdings versterben – bezogen auf die Gesamtmortalität – zahlreiche dieser Patienten in der Prähospitalphase, davon die meisten in der ersten Stunde nach Symptombeginn. Ursache ist häufig ein Kreislaufstillstand infolge von Kammerflimmern.

2.1.1.2 Pathogenese und Pathophysiologie

Meist führen atherosklerotische Veränderungen zu Stenosen der Herzkranzgefäße und damit – meist belastungsabhängig – zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot im Myokard (▶ Abb. 2.2).

Koronare Herzkrankheit – Pathophysiologie und Verlauf.

Abb. 2.2 

Die Angina pectoris ist durch eine prinzipiell reversible Myokardischämie gekennzeichnet, während es beim Myokardinfarkt zur irreversiblen ischämischen Myokardnekrose kommt.

Letzter Auslöser ist häufig eine Plaqueruptur mit konsekutivem thrombotischem Verschluss im betroffenen Koronargefäß. Eine seltene Form der AP ist die Prinzmetal-Angina, der eine koronare Spastik zugrunde liegen soll.

Präklinisch ist eine sichere Differenzierung zwischen einer instabilen AP und einem NSTEMI nicht möglich, hierzu müssen intrahospital der Troponin-Wert und der Verlauf bewertet werden.

Ein akuter Myokardinfarkt kann in kurzer Zeit zu weiteren schwersten Komplikationen führen. Dazu zählen ein Linksherzversagen mit Lungenödem, der kardiale Schock sowie maligne Herzrhythmusstörungen.

Grundsätzlich ist jeder Patient mit ACS in Begleitung des Notarztes unter engmaschiger Überwachung der Vitalfunktionen und in Defibrillationsbereitschaft in ein geeignetes Krankenhaus – grundsätzlich mit PCI-Bereitschaft – zu bringen.

2.1.1.3 Anamnese

Zunächst wird der Patient kurz nach Art, Dauer, Intensität, Lokalisation und evtl. Atemabhängigkeit der Beschwerden befragt. Danach sind kardiale Vorerkrankungen mit Medikation (Nitrate, ASS usw.) sowie operative Eingriffe am Herzen (Operationsnarbe?) und Katheterinterventionen (PCI) zu eruieren. Es ist gezielt nach dem Vorliegen eines thorakalen oder abdominalen Aortenaneurysmas zu fragen, dessen Symptomatik bei beginnender Dissektion mit einem ACS verwechselt werden kann und eine strikte KI für eine Antikoagulation ist. Als weitere Hinweise sind kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus oder Nikotinkonsum zu werten.

2.1.1.4 Symptomatik und Befunde

Allgemeine Symptomatik

Die Symptome eines ACS können sehr unterschiedlich sein und schnell an Dramatik gewinnen. Im Rahmen der klinischen Basisuntersuchung werden zunächst die Vitalparameter Bewusstsein, Atmung und Kreislauffunktion bewertet.

Regelhafte, jedoch nicht obligate Symptome des ACS sind der Brustschmerz und die Stenokardie, das thorakale Engegefühl. Dieses bildet sich bei einer AP nach Nitrat-Gabe zurück, während dies bei einem Myokardinfarkt nicht der Fall ist.

Die typische atemunabhängige Schmerzmanifestation ist retrosternal bis linksthorakal – ggf. mit Ausstrahlung in die linke Schulter bzw. den Armbereich – lokalisiert (▶ Abb. 2.3). Es kommen auch rechtsseitige Schmerzprojektionen sowie Ausstrahlung in den Unterkiefer und das Epigastrium sowie lumbagoähnliche Schmerzen vor. Eine vegetative Begleitsymptomatik (Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen) ist häufig. Bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie, Frauen und älteren Patienten kann die Symptomatik atypisch oder maskiert sein.

Schmerzmanifestationen bei akutem Myokardinfarkt.

Abb. 2.3 

Beim Myokardinfarkt tritt häufig ein lang (> 20 Minuten) anhaltender retrosternaler Vernichtungsschmerz mit Atemnot, Unruhe und Todesangst auf, der im Gegensatz zur AP nitratresistent ist (▶ Abb. 2.4). Vor allem bei Diabetes mellitus kann dieser schwach ausgeprägt sein (bis zum schmerzlosen STEMI).

Wirkprinzip der Nitrate.

Abb. 2.4 

Bei Ausbildung eines kardialen Schocks ist die Haut des Patienten meist kaltschweißig, blass und marmoriert; die Extremitäten sind kühl und zyanotisch. Bei Rechtsherzbelastung sind die Halsvenen auch bei Oberkörperhochlagerung gestaut. Ein manifestes Linksherzversagen führt zum Lungenödem. Auskultatorisch finden sich dabei basal feuchte Rasselgeräusche; im fulminanten Verlauf ist bereits ohne Stethoskop ein Distanzrasseln wahrzunehmen. Bei der kardialen Auskultation können abgeschwächte Herztöne, Galopprhythmus und Geräusche weitere Hinweise ergeben. Es kann sowohl eine arterielle Hypotonie als Folge eines Pumpversagens als auch eine Hypertonie mit folgender koronarer Symptomatik vorliegen.

EKG-Befunde

Zur Abgrenzung eines STEMI von anderen Formen des ACS und den daraus folgenden Therapieentscheidungen ist die Ableitung eines 12-Kanal-EKG erforderlich. Das EKG ist unverzüglich abzuleiten. Neben den Infarktzeichen ist auch auf Ischämiezeichen zu achten (▶ Abb. 2.5).

Ischämie und Infarktzeichen.

Abb. 2.5 

Als Zeichen des...

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