Ich war noch niemals auf Saturn - Eine Reise durchs Universum

Ich war noch niemals auf Saturn - Eine Reise durchs Universum

von: Michael Büker

Ullstein, 2016

ISBN: 9783843712965

Sprache: Deutsch

224 Seiten, Download: 3294 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Ich war noch niemals auf Saturn - Eine Reise durchs Universum



Vor der Haustür: Auf den Spuren der Raumfahrt

Der erste Schritt, den wir ins Weltall wagen, bringt uns dorthin, wo sich tatsächlich schon andere Menschen herumgetrieben haben und sogar in diesem Augenblick tummeln. Dieser Teil des Alls ist sehr überschaubar, um nicht zu sagen: winzig. Trotzdem ist die Reise alles andere als einfach oder eintönig. Folgen wir also zunächst den waghalsigen Raumfahrern vergangener Jahrzehnte und den routinierten Astronauten von heute, und begeben wir uns später sogar auf die Spur von Raumsonden und Landerobotern an all den Orten im Sonnensystem, die wir noch nicht mit unserer persönlichen Anwesenheit beglücken konnten.

Doch zuvor müssen wir kurz darüber sprechen, wie wir auf unserer Reise Entfernungen beschreiben: Wir brauchen geeignete Maßeinheiten. Wie wäre es mit Kilometern? Der Vorteil ist, dass so ziemlich jeder ein Gefühl für Kilometer haben dürfte: Zur Schule oder Arbeit sind es soundso viele Kilometer, die nächste Großstadt liegt ein paar Dutzend Kilometer weg, und auf einer langen Flugreise legt man auch schon mal Tausende Kilometer zurück. Und zunächst können wir auch tatsächlich bei Kilometern bleiben. Wir sollten uns aber nicht zu sehr daran gewöhnen, denn schon innerhalb des Sonnensystems werden Kilometer bald unhandlich klein. Das ist wie beim Einrichten eines Zimmers: Die Breite des Schranks notiere ich als »120 Zentimeter«, aber die Entfernung zum Möbelmarkt merke ich mir nicht als »dreihundertfünfzigtausend Zentimeter«, sondern lieber gleich als »dreieinhalb Kilometer«. Auf unserem Streifzug durchs Universum werden sich die Entfernungseinheiten gewissermaßen die Klinke in die Hand geben, und wir müssen immer wieder unsere Perspektive wechseln, um mit den enormen Entfernungen Schritt zu halten. Aber das regeln wir, wenn es so weit ist. Niemand muss befürchten, ohne Anmoderation mit einer »Astronomischen Einheit« (ja, die heißt wirklich so) oder einem »Lichtjahr« konfrontiert zu werden. Für die Neugierigen sei vorab verraten: Eine Astronomische Einheit steht für knapp 150 Millionen Kilometer, ein Lichtjahr für nicht ganz zehn Billionen Kilometer.

Ein Problem gibt es allerdings doch mit unseren altbekannten Kilometern: Wir benutzen sie als Maßeinheit, wenn wir beschreiben möchten, wie weit wir uns auf der Erde fortbewegen. Nach oben, also von der Erde weg und in Richtung des Weltalls, sind die Dimensionen schon ganz andere. Ich selbst fahre zum Beispiel oft zwölf Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das ist keine bemerkenswerte Entfernung (obwohl ich trotzdem furchtbar stolz darauf bin). Zwölf Kilometer nach oben wären allerdings für jeden Fahrradfahrer eine handfeste Sensation! Die höchsten Berge der Erde sind gerade mal acht bis neun Kilometer hoch, und in zehn bis zwölf Kilometern Höhe tummeln sich vor allem Passagierflugzeuge. Im Flugzeug ist dabei übrigens von einer Flughöhe zwischen 30 000 und 40 000 Fuß die Rede – jede Unternehmung hat eben ihre eigenen Einheiten.

Auch eine Reise zur Internationalen Raumstation ISS verdeutlicht den Unterschied zwischen Kilometern geradeaus und Kilometern nach oben. Die ISS umkreist die Erde in einer Höhe von gut 400 Kilometern. Das entspricht auf der Erde etwa der Strecke Hamburg – Köln. Doch der Unterschied ist, dass die ISS selbst in Bewegung ist. Man kann sie also nicht direkt anfliegen, sondern muss mindestens sechs Stunden lang auf die Raumstation zusteuern und dabei die Triebwerke feuern, um genauso schnell zu werden wie sie. Bevor 2013 ein neues Anflugmanöver entwickelt wurde, dauerte der Flug fast zwei Tage! Die Enge in der Kapsel, die schwindelerregende Beschleunigung und die Vibrationen beim Start, die schweren Raumanzüge und die rudimentären Toilettenanlagen: Auch wenn viele gern über die Bahn schimpfen, ist der Flug zur ISS mit Sicherheit wesentlich unangenehmer, als vier Stunden im ICE zu sitzen.

Also dann, auf nach oben! Unsere ersten Schritte ins All beginnen mit Höhen, die man zu Fuß erreichen kann. Wer auf einem der höchsten Gebäude der Welt steht, befindet sich rund einen Kilometer über dem Boden. Die Unregelmäßigkeit der Erdoberfläche sorgt sogar für überraschende Situationen: Auf jedem beliebigen Barhocker in Mexiko-Stadt sitzen Sie höher über dem Meeresspiegel als auf dem Dach irgendeines der zehn höchsten Gebäude der Welt (und der Tequila ist in Mexiko auch besser).

Auf eine größere Höhe als die zehn bis zwölf Kilometer, die große Passagierflugzeuge auf langen Strecken erreichen, verschlägt es die wenigsten Menschen jemals. Forschungs- und Militärpiloten kratzen bisweilen an der Grenze zum Weltraum, und wer höher als 100 Kilometer über dem Meeresspiegel fliegt, darf sich Astronaut oder Astronautin nennen. Diese Grenze wurde von der Fédération Aéronautique Internationale festgelegt, die seit über 100 Jahren Rekorde in der Luft- und Raumfahrt verwaltet. So hoch können Menschen nur mit speziellen Flugzeugen fliegen – oder eben mit Raumschiffen. Im Deutschen ist übrigens, ebenso wie im Englischen, der Begriff »Astronaut« üblich. Juri Gagarin, der erste Mensch im All, wurde allerdings »Kosmonaut« genannt, und in zahlreichen Ländern Osteuropas und Asiens ist dieser Begriff weiterhin üblich. Das Französische kennt zusätzlich auch den Begriff »spationaute«. In den 2000er Jahren hat sich für Raumfahrer aus China der Begriff »Taikonaut« eingebürgert. All diese Begriffe sind Kunstwörter mit griechischen oder lateinischen Wurzeln und bedeuten wörtlich so viel wie »Raumfahrer«. Es ist gut möglich, dass in der Zukunft weitere Länder mit eigenen Raketen in die Raumfahrt einsteigen und der Tradition folgend eine eigene Wortschöpfung etablieren.

Der entscheidende Unterschied zwischen Flugzeugen und Raumschiffen ist die Strategie, mit der sie oben bleiben. Ein Flugzeug macht sich zum Fliegen den Luftstrom um die Flügel zunutze, der ihm Auftrieb verleiht, während die Triebwerke es nach vorne drücken. Dabei bewegt sich der Rumpf weitgehend parallel zum Erdboden, während das Flugzeug vorwärtsfliegt. Das ist enorm praktisch, weil man dann als Passagier festen Boden unter den Füßen hat und sich genauso schwer fühlt wie am Boden, während der Pilot in Flugrichtung vorwärts aus dem Cockpitfenster schauen kann. Diese Technik ist aber nur bis zu einer gewissen Flughöhe anwendbar, denn irgendwann ist die Luft zu dünn, um dem Flugzeug genügend Auftrieb zu verleihen.

Mit einer Rakete schaffen wir es dagegen weit über diese Höhe hinaus, etwa bis zur Internationalen Raumstation, 400 Kilometer über dem Meeresspiegel, oder sogar noch weiter. Allerdings ist es in einer Rakete mit dem Komfort vorbei, den ein Flugzeug bietet: Wir liegen auf dem Rücken in unserer Kapsel, während von unten die Triebwerke die Rakete senkrecht nach oben drücken. Wir erleben den Aufstieg wegen des starken Antriebs streckenweise so, als wären wir dreimal so schwer, wie wir tatsächlich sind! Zusammen mit den massiven Raumanzügen bedeutet das, dass wir uns kaum bewegen können. Damit man überhaupt die Instrumente benutzen und Knöpfe drücken kann, haben die russischen Raumkapseln namens »Sojus« kleine Stangen an Bord, mit denen man seinen Arm verlängert, um an die Steuerungen zu kommen. Zu allem Überfluss haben Raumkapseln meist nur winzige Fensterchen, durch die man auf dem Flug ins All nichts als den Himmel sehen kann.

Einmal im All angekommen, verspüren wir, sobald die Triebwerke abgeschaltet sind, plötzlich gar kein Gewicht mehr. Alles, was nicht an die Wand geklebt ist, schwebt nun durch die Gegend. Wie der Wissenschafts-Comiczeichner Randall Munroe in seinem hervorragenden Buch »What if? – Was wäre wenn?«* erklärt, legt das eine falsche Vorstellung nahe. Nämlich die, dass man aus der Erdatmosphäre hinaus ins All fliegt und dann mit seinem Raumschiff in enormer Höhe gewissermaßen bewegungslos »rumhängt«. Immerhin schweben ja auch die Astronauten selbst seelenruhig in der Mitte ihrer Kapsel und versuchen bisweilen erfolglos mit rudernden Bewegungen, ihr davontreibendes Abendessen aufzufangen, wenn sie es zu schwungvoll aus der Tüte gedrückt haben. Also könnte man vermuten, dass auch ihr Raumschiff seelenruhig und langsam vor sich hin schwebt. Doch in Wahrheit ist es ganz anders: Die Grenze von der Erde zum Weltall zu erreichen ist längst nicht das Schwierigste an so einem Raumflug. Oben zu bleiben ist die Herausforderung.

Um das Problem zu illustrieren, möchte ich den Science-Fiction-Klassiker »Per Anhalter durch die Galaxis« des britischen Autors Douglas Adams zu Rate ziehen. Sein Werk ist unter Physikern so beliebt, dass während meines Studiums ein Exemplar davon in der Bibliothek des Fachbereichs Physik an der Universität Hamburg stand und zu der Literatur gehörte, die uns zu Beginn des Studiums empfohlen wurde. Die International Astronomical Union (IAU) benannte nach Adams’ Tod sogar den Asteroiden »2001 DA42« in »25924 Douglasadams« um. In besagtem Klassiker gibt er eine Einführung zum Thema Fliegen ohne Hilfsmittel:

Es ist eine Kunst, sagt er, oder vielmehr ein Trick zu fliegen. Der Trick besteht darin, daß man lernt, wie man sich auf den Boden schmeißt, aber daneben. […] Zweifellos ist es dieser zweite Teil, nämlich das Verfehlen, der Schwierigkeiten bereitet.**

Es gibt bislang keine glaubhaften Berichte, nach denen irgendjemand diesen Tipp erfolgreich umsetzen konnte und das Fliegen erlernt hat. Douglas Adams’ Beschreibung des Problems kommt aber der tatsächlichen Situation in der Raumfahrt überraschend nahe.

Stellen wir uns einmal Kinder im...

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