Was kann einer allein gegen Zen Buddhisten - Philosophisches, Gedichte, Politisches, Erzähltes und Dramatik

Was kann einer allein gegen Zen Buddhisten - Philosophisches, Gedichte, Politisches, Erzähltes und Dramatik

von: Mani Matter

Zytglogge Verlag, 2017

ISBN: 9783729621374

Sprache: Deutsch

191 Seiten, Download: 596 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Was kann einer allein gegen Zen Buddhisten - Philosophisches, Gedichte, Politisches, Erzähltes und Dramatik



Mir mangelt dessen Impetus,

der Alles weiss und sagen muss.

Ich halte hier und da was fest

und schaue, ob sich’s reimen lässt.

 

 

 

 

 

 

[Entwurf]

Du schreibst und schreibst und schreibst wie wild

Du weisst Bescheid. Du bist im Bild.

Ich halte hier und da was fest.

Und schaue, ob sich’s reimen lässt

Von mir wird nicht die Welt erbeben.

Ein Spiel? Mag sein. Doch lass mich leben.

Geständnis


Warum ich mir die Mühe nehme

und mich gereimter Form bequeme?

Warum ich, da man heutzutage

doch frei ist, mich in Fesseln schlage?

 

Beim Eid, ich habe nichts dagegen,

dass andre freier sich bewegen,

und was sie leisten, acht’ ich sehr.

Doch, ich gesteh’s, mir ist’s zu schwer.

In der Zeitung steht ein Gedicht

unterm Strich.

Ich wäre, läse ich es nicht,

nicht ich.

 

Was einer nämlich in Versen schreibt

muss wahr sein;

das dürfte, auch wenn es ungesagt bleibt,

klar sein.

Skylla und Charybdis


Ist unsre Zeit so übel dran,

dass man jetzt nur noch dichten kann,

wie man zuvor noch nie gedichtet,

hat sie sich freilich selbst gerichtet;

 

Doch falls, nach ewigem Beschluss,

man jetzt noch immer dichten muss,

wie X und Y noch dichten,

so will ich lieber drauf verzichten.

Anleitung, um Gedichte zu schreiben, wie sie der Bürger gerne in seiner Wochenzeitung liest


Greif aus den menschlichen Problemen

dir eins heraus, das jeder kennt;

nur keines von den unbequemen,

das dir die Leser übel nähmen,

auch keins, das auf den Nägeln brennt.

 

Es sei recht harmlos, unpolitisch,

am besten auch etwas banal;

doch schreib darüber äusserst kritisch,

und konzessionslos analytisch

als schriebst es du zum ersten Mal.

 

Die Form? – Am besten lässt sich’s drehen

im Stil den Kästner schon erprobt;

das Neue braucht nebst Mut Ideen,

es mag’s nicht jeder gerne sehen –

was nützt’s, wenn erst die Nachwelt lobt?

Welch ein Vergnügen, Sätze mit Wörtern zu füllen

erstaunend, was für Bilder und Gedanken sie enthüllen,

welch ein Vergnügen, sie aneinander zu fügen

das Nichts zu schildern, von Blumen zu sprechen, zu

lügen!

Winterspaziergang


Heute spaziere ich durch den Schnee.

Meine Schuhe sind wieder dicht.

Wenig Geld im Portemonnaie

stört mich nicht.

 

Was ich mir wünschte, wäre ein Paar

feurige Rosse, mit Schlitten.

Autsch! – Jetzt wäre ich um ein Haar

ausgeglitten.

 

Die Natur ist noch mehr Natur,

wenn sie so schön überschneit ist.

Ausserdem: man sieht seine Spur.

Kinder kreischen. Sie freuen sich nur,

dass richtig Winterszeit ist.

 

Nun, ich glaube, ich muss wieder heim;

das mit den Schuhen stimmt nicht.

Schön war es doch. Noch schnell einen Reim:

beendigen wir das Gedicht.

Bekenntnis


Uhren, Schreibmaschinen

und Zigaretten

retten

mein Gleichgewicht.

 

Sogar im Liebesspiele

bedarf ich der Kühle,

des Abstands.

 

Ich bin intellektuell

nervös und grell

und eitel.

 

In meinen Träumen

weisse Häuser

im Mondlicht.

 

Mein Gott hat keine Gestalt.

Er spricht.

Nein, heute nicht,

heute kein Gedicht!

Auf dem Papier meines Herzens steht

heute nichts als Banalität.

Banalität,

Brutalität,

Bestialität –

eine scheussliche Mentalität.

Lasst mich lieber ins Kino gehn!

Auf Wieder–sehn. – –

Das was heute indifferent

tief in meinem Innern pennt:

vielleicht tritt es morgen ans Tageslicht!

(Vielleicht auch nicht.)

Lasst mich lieber ins Kino gehn!

Auf Wiedersehn.

(Es würde mich heute niemand verstehn.)

Wenn man Worte sagt, spricht man.

Einer, der zufällig vorbeigeht,

kann es verstehen.

 

Wenn man dagegen pfeift, wird man

mit etwas Glück

für eine Amsel gehalten.

Auf einer Bank im Dunkeln sitzend,

dicht’ ich, indem ich

in die Nacht hinein

pfeife.

 

Worauf ich pfeife, bleibt mein Geheimnis.

Die Nacht ist schwarz

Nein! Blau ist die Nacht,

Grau vielleicht,

violett sogar

rot!

Ach Gott!

Die Nacht ist schwarz

Warum nicht?

Die Pflastersteine um mich her

Sie klagen auch, sie weinen,

Du musst nicht weinen

Ich weine ganz allein.

 

Bäume rauschen!

Horch! Im Dickicht

Wie sie flüstern, wie sie [… ?]

Räubergeschichten und Narrengeschichten

längst vergangener Zeiten berichtend.

Die Zeiten sind vergangen,

Ein Mann hat sich vergangen

Frauen kreischen!

Kinder schreien!

Weinen!

Nein!

Ach Gott! Dabei ist es bloss ein Wortspiel.

Die Nacht ist schwarz und undurchsichtig

Schwarz und schwarz und undurchsichtig

undurchsichtig

un – durch – sichtig

Schwarz.

So lass es gut sein, Dichter.

Einst erhob ich die glühende Stirn

vom geschriebenen Werk, und,

wie schon die Nacht

dem grauenden Tag wich,

glaubt ich’s vollendet;

doch hiess mich der Tag, der folgende,

als ich erwacht vom belehrenden Schlafe

erbärmlich es sehen.

Und so zerriss ich’s.

Nur das Motiv blieb

mir im Gedächtnis,

seitdem find ich es öfters wieder

im Wechsel des Lebens.

Werd ich mich jemals

müde, doch heiter,

vom Schreibtisch erheben, sagend:

«Nun ist’s vollendet!»?

Das späte Lied


Verregnet ist mein Herz und menschenleer

Wie nach Gewittern;

Oktoberkühl huscht Nässe um mich her

Die Bäume zittern

 

Und durch die Rinde meines Hirnes zieht

Ein spätes Lied.

Was soeben passiert ist:


Ich bin nach Hause gegangen.

In der Stadt umher laufen ist nicht gesund,

und bringt einen auf den Hund.

Es haben die Strassen, das Asphaltgrau

etwas, was zermürbt, ich weiss nicht genau

woran es liegt. Es ist,

ein Ungeziefer, das einen zerfrisst,

wie Motten einen Rock:

Die Seele wird löchrig, sieht schäbig aus. –

 

Drum ging ich lieber ins Zimmer, nach Haus

in den siebenten Stock

 

So bin ich nach Hause gegangen.

Zu Hause legte ich mich auf mein Bett

nahm Bleistift, Papier und erzählte ganz nett

der Nachwelt, die sicher an meinen Lippen gehangen

warum ich nach Hause gegangen.

Mein Zimmer


Der Tisch aus Messing, viele Bücher, wirr geschichtet,

der Vorhang rot, Rauch, der zur Decke steigt,

das Bett mit bunten Kissen, Freunde, Kommen, Gehen,

bei dunklem Wein Gespräche, bis um Vier,

der Schein der Lampe, vielerlei Gedanken

die an den Dingen kleben, der Aschenbecher,

das Glas durchschimmernd etwas farbig scheint.

Faulheit


Mir träumte letzthin wunderlich:

 

von einem Faulpelz – der war ich –,

der Tag und Nacht im Lehnstuhl sass,

nichts tat, und auch nicht einmal ass,

sich niemals nur bewegte,

auch seinen Geist nicht regte,

nichts sah, nichts hörte und nichts las,

zuletzt sich selber gar vergass,

und so verging viel Zeit; so viel,

bis rings um ihn das Haus verfiel

und er von Spinnweb ganz bedeckt …

 

Aufwachend war ich sehr erschreckt.

Wer liebt nicht sein Bett! Wer liebt nicht sein Kissen!

Und den letzten Blick, nachts, zum Fenster hinaus!

Leben in Saus und Leben in Braus –

doch wem das fehlt, der muss viel vermissen.

Die strassenlaternenbeleuchtete Nacht –

einzige wirkliche ‹Landschaft der Seele› –

die Blickparallele

über Bettdecke, Fensterkreuz, Schatten gedacht –

ach Gott! was ich bloss erzähle …

 

Leute, die nachts ihre Vorhänge schliessen,

sollte man kraft Gesetzes erschiessen.

Ich denke einen grauen Morgen

und,...

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