Zwanzig Erfolgsfaktoren der extremen Rechten: Zwanzig Gegenstrategien - Wie Deutschland aus den Fehlern Österreichs lernen kann

Zwanzig Erfolgsfaktoren der extremen Rechten: Zwanzig Gegenstrategien - Wie Deutschland aus den Fehlern Österreichs lernen kann

von: Alexander Pollak

Books on Demand, 2017

ISBN: 9783744860239

Sprache: Deutsch

132 Seiten, Download: 287 KB

 
Format:  EPUB

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Zwanzig Erfolgsfaktoren der extremen Rechten: Zwanzig Gegenstrategien - Wie Deutschland aus den Fehlern Österreichs lernen kann



20 Erfolgsfaktoren der extremen Rechten


Was macht nun die populistische und extreme Rechte so attraktiv für die Wählerschaft? Wie gelingt es ihr, trotz Fehltritten, Skandalen, internen Streitigkeiten, Spaltungen und zwischenzeitlichen Tiefs, immer wieder neu zu mobilisieren? Ich werde im Folgenden 20 Faktoren nennen, auf denen der Erfolg der FPÖ in Österreich aufbaut. Es handelt sich zum Teil um strukturelle Faktoren, die im politischen, medialen und gesellschaftlichen System eingeschrieben sind, und zum Teil um kommunikative Mittel, die von den Rechten zu ihrem Vorteil verwendet, weiterentwickelt und von den Zentrumsparteien über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt wurden.

Ich habe versucht, die 20 Faktoren nach ihrem Gewicht für den Erfolg der populistischen und extremen Rechten zu reihen. An jeden dieser Faktoren schließe ich einen Warnhinweis für Deutschland an.

1. Die große Koalition

Starkmacher Nummer eins für die FPÖ war und ist das Regierungsmodell der großen Koalition. Der Erfolgslauf der FPÖ begann, als die große Koalition im Jahr 1986 – nach 20 Jahren Pause – wiederbelebt wurde. Unterbrochen wurden die Wahlerfolge der FPÖ nur in der Phase zwischen 2000 und 2006, als es keine große Koalition gab. Als Anfang 2007 erneut eine große Koalition gebildet wurde, ging es mit dem Stimmenanteil der FPÖ wieder rasant bergauf.

Große Koalitionen bringen fundamentale Probleme für das demokratische Gefüge mit sich, und zwar ganz besonders dann, wenn diese Regierungsform zur Dauereinrichtung wird. Wenn beide großen Zentrumsparteien die Regierung bilden, wird das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition gestört. Eine Abwahl der Regierung ist dann nur bei einer Abwahl beider Zentrumsparteien möglich. Das heißt, wer in Österreich die SPÖ-ÖVP-Regierung loswerden will, darf weder SPÖ noch ÖVP wählen, sondern muss auf andere, tendenziell näher am politischen Rand angesiedelte Parteien ausweichen.

Verstärkt wird dieser Effekt durch die schwindende Unterscheidbarkeit der Zentrumsparteien, wenn diese über einen längeren Zeitraum eine gemeinsame Regierung bilden. Das Profil der beiden Parteien wird verschwommener – umso reizvoller erscheint es dann, eine Oppositionspartei mit scharfem, kantigem Profil zu wählen.

In Österreich profitierte von der großen Koalition unter allen Oppositionsparteien am stärksten die FPÖ. Das hat mit ihrem Kommunikationsstil zu tun, den wir noch näher beleuchten werden, aber auch damit, dass sie die härteste Oppositionslinie verfolgt.

In diesem Punkt unterscheidet sich Deutschland von Österreich: Während es in Österreich mit der FPÖ nur eine starke rechte Wutpartei gibt, die den Großteil der Proteststimmen einsammeln kann, gibt es in Deutschland ein breiteres Wutparteienspektrum, zu dem auch eine linksgerichtete Protestpartei zählt.

Große Koalitionen hatten in Österreich lange Zeit den Ruf, sehr stabil zu sein und besonders geeignet dafür zu sein, große Beschlüsse zu fassen und wichtige Reformen umzusetzen. Doch in der Wahrnehmung vieler Menschen ist mittlerweile der Eindruck entstanden, die Zentrumsparteien würden sich aus Gründen des puren Machterhalts aneinanderklammern. Während in nahezu ganz Europa nach Ausbruch der Finanzkrise amtierende Regierungen abgewählt und Regierungskonstellationen geändert wurden, waren in Österreich SPÖ und ÖVP selbst durch herbe Wahlniederlagen nicht aus der Regierung zu bringen.

Doch zwischenzeitlich drohte der vormals großen Koalition der totale Absturz. Kamen SPÖ und ÖVP im Jahr 1986 noch zusammen auf mehr als 84 Prozent der Stimmen, so waren es bei der Wahl 2013 gerade einmal noch 50,8 Prozent. Doch damit war der Tiefpunkt noch nicht erreicht. Im Verlauf der Regierungsperiode rutschten die beiden Parteien in vielen Umfragen gemeinsam bereits unter die 50-Prozent-Marke. Mit einem solchen Wahlergebnis wäre die große Koalition mit einem lauten Paukenschlag Geschichte. Durch den Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann und die Übernahme der Amtsgeschäfte durch seinen Nachfolger Christian Kern konnte sich die große Koalition allerdings wieder stabilisieren und sogar etwas an Boden gutmachen.

Es erscheint aufgrund dieser Neuaufstellung nun nicht mehr ausgeschlossen, dass SPÖ und ÖVP ein weiteres Mal zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen und Mandate erhalten könnten.

Dennoch die Warnung Nummer eins an Deutschland: Die große Koalition ist auf Dauer gesehen ein gefährliches Regierungsmodell. Demokratische Spielräume werden eingeschränkt und politische Außenkräfte werden gestärkt. In Österreich hat sich die große Koalition als Lebenselixier für die extreme Rechte erwiesen. Für die beiden großen Zentrumsparteien ist die gemeinsame Koalition wie eine Droge, die rasch keinen Kick mehr bietet, sondern nur noch das Festklammern an der Regierungsmacht bewirkt. Je länger diese Droge konsumiert wird, je mehr die große Koalition zur Dauereinrichtung wird, desto schwieriger wird für die Zentrumsparteien der Entzug. In Österreich hat die große Koalition wesentlich dazu beigetragen, die populistische und extreme Rechte so stark zu machen, dass es nahezu keine Regierungsvariante mehr ohne sie gibt.

2. Populisten und Extremisten bestimmen die Themen

„Ich werde Dinge sagen, die absolut berichtenswert sind, Dinge, die Aufmerksamkeit auf mich lenken. Und für alle anderen Kandidaten wird kein Sauerstoff mehr zum Atmen übrig bleiben. Und wenn das Interesse an mir geringer wird und sich die Kameras auf andere Kandidaten richten, dann sage ich wieder etwas Unerhörtes. So fallen alle anderen Kandidaten aus dem Rennen und so gewinne ich die Wahl.“ Mit diesen Worten erläuterte Donald Trump seine Strategie für die amerikanische Präsidentenwahl, wie sein Weggefährte Michael Caputo berichtete.

Populistische Politiker und Parteien beherrschen es ausgezeichnet, Äußerungen auf eine Weise zuzuspitzen und so zu provozieren, dass sie immer wieder die politische Tagesordnung bestimmen. Wenn sie dabei über das Ziel hinausschießen und sich massiver Kritik ausgesetzt sehen, rudern sie etwas zurück, um dann gleich wieder in den Angriffsmodus überzugehen und die eigenen Botschaften unter die Menschen zu bringen.

Wesentlich früher und deutlich konsequenter als andere Parteien hat die populistische und extreme Rechte sich mit der Mediengesellschaft beschäftigt und verstanden, dass der Kampf um den politischen Erfolg ganz wesentlich ein Kampf um mediale Aufmerksamkeit ist.

Dazu muss dem Medienpublikum durch provokatives Verhalten Gesprächsstoff – und auch Entertainment – geboten werden, selbst dann, wenn man dabei im ersten Moment nicht immer gut aussteigt. Mittelfristig lohnt es sich, begehrter Interviewpartner, Coverbild, Talkshowgast und intensiv beobachteter und analysierter politischer Reibebaum zu sein. Denn Populisten und Extremisten sind immer für eine Überraschung, einen Eklat, eine Schlagzeile gut.

Auf diese Weise schaffte es die FPÖ in Österreich über 30 Jahre – seit Jörg Haider die Obmannschaft übernahm –, mehr Aufmerksamkeit und Interesse auf sich zu ziehen als die anderen politischen Parteien. Die FPÖ lebt davon, dass sie sich ständig im Gespräch hält und damit auch dauernd die Gelegenheit bekommt, ihre Themen, Aussagen und Bilder im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu platzieren. Es verwundert daher auch nicht, dass Anfang 2017 ein internes Papier der Alternative für Deutschland (AfD) bekannt wurde, wonach „sorgfältig geplante Provokationen“ als Parteistrategie für das „Superwahljahr“ ausgegeben wurden.

Die Effekte des erfolgreichen Ringens um Aufmerksamkeit werden noch verstärkt, wenn sich Journalisten und politische Gegner damit zu profilieren versuchen, möglichst jede Provokation aufzugreifen und zu erwidern oder bloßzustellen, meist ohne zu unterscheiden, ob es sich um eine Provokation handelt, die den Provokateuren schadet oder nutzt. Als etwa die AfD-Obfrau Frauke Petry auf Facebook ein Bild postete, auf dem die tunesische Flagge zu sehen war und darüber der Slogan „Kuscheln mit Erdogan verhöhnt die Demokratie“, wurde das sofort von Medien und vielen Personen in sozialen Netzwerken aufgegriffen. Petry erntete Häme für die falsche Flagge. Doch sie erntete auch enorme Aufmerksamkeit für ihren Slogan, und zwar in einem Ausmaß, das sie nie erreicht hätte, wenn sie von Anfang an die richtige Flagge gepostet hätte. Nach wenigen Stunden löschte das Team von Petry das Erdogan-Posting mit der tunesischen Flagge und ersetzte es durch eines mit der türkischen. Die Mission war erfüllt. Die AfD hatte große Aufmerksamkeit bekommen und sich als die Anti-Erdogan-Partei positionieren können – und ein Großteil der Medien und viele Menschen in sozialen Netzwerken haben brav mitgespielt.

Wie wirksam Provokationsstrategien sind, zeigt auch das folgende Beispiel. Der AfD-Landesobmann von...

Kategorien

Service

Info/Kontakt