Brandstätter versus Brandstetter - Diskurs

Brandstätter versus Brandstetter - Diskurs

von: Helmut Brandstätter, Wolfgang Brandstetter

Verlag Kremayr & Scheriau, 2018

ISBN: 9783218011389

Sprache: Deutsch

220 Seiten, Download: 396 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Brandstätter versus Brandstetter - Diskurs



KAPITEL 2


ÜBER DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN POLITIKERN UND JOURNALISTEN


»Wie kann man bei persönlicher Nähe
sachlich bleiben?«

Helmut Brandstätter

Als Berufspolitiker ist ja wahrscheinlich die große Gefahr, dass man, wie in anderen Karrieren auch, den nächsten Schritt machen möchte. Aber es kann nicht jeder Bundeskanzler werden. Interessant ist, dass wir jetzt einen Bundeskanzler haben, der ein reiner Berufspolitiker ist, der aber ausschließlich Leute gesucht hat, die nicht Berufspolitiker sind. Wenn man bösartig wäre, könnte man ihm unterstellen, dass er vielleicht niemanden ranlassen wollte, der diese Kenntnisse und Fähigkeiten hat, die er sich erworben hat, und ihm somit niemand politisch gefährlich werden kann.

Ich kann nur sagen, was Sebastian Kurz geschafft hat, ist ein historisches Verdienst. Er hat es geschafft, die politischen Verhältnisse in Österreich komplett zu drehen. Man möge sich bitte daran erinnern, wie die Umfragen vor zwei Jahren waren. Da war Heinz-Christian Strache nahezu uneinholbar vorne. Das hat Sebastian Kurz umgedreht. Und dabei habe ich ihm, besonders als Vizekanzler, gern geholfen.

Das klingt ja jetzt fast nach Propaganda.

Nein, nein, das sind nur Fakten, an die man sich erinnern sollte.

Mein Punkt war ein anderer. Warum nimmt sich er, der reine Berufspolitiker, ausschließlich Leute, die keine politische Erfahrung haben?

Naja, einige haben schon politische Erfahrung. Aber ich glaube, letztlich ist auch hier der entscheidende Faktor das persönliche Vertrauen. Er braucht jetzt die Leute, denen er hundertprozentig vertrauen kann.

Und er vertraut anderen Berufspolitikern nicht?

Das ist sicherlich auch die Erfahrung, die ihn geprägt hat im Bereich der Parteipolitik. Da kommen wir wieder zurück zu deinem Spruch »Parteifreund – Todfeind«.

Noch einmal zu den Journalisten. Jeder gute Strafverteidiger kennt mehr Journalisten als Politiker.

Der Umgang mit Journalisten war mir nicht neu.

Man kann es machen wie Manfred Ainedter, man muss aber nicht. Man muss als Strafverteidiger nicht in den Seitenblicken sein.

Das war ich auch als Strafverteidiger nie, als Politiker schon.

Hilft das einem Strafverteidiger?

Beim Umgang mit Journalisten hilft es natürlich.

Bekommt Manfred Ainedter mehr Aufträge, weil er viel in den Medien ist?

Das weiß ich nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mediale Aufmerksamkeit für den Mandanten eher schlecht ist. Es mag aber Ausnahmen geben.

Du bist ja fast ein Gegenstück zu Manfred Ainedter, was das öffentliche Auftreten betrifft. Er hat großen Wert darauf gelegt, sehr bekannt zu sein, du hast großen Wert darauf gelegt, im Hintergrund zu arbeiten, bescheiden aufzutreten. Bei unserem oben beschriebenen Telefonat über deine mögliche Ministerschaft habe ich unhöflich, aber sehr freundschaftlich gesagt: Kauf dir bitte einen gescheiten Anzug. So bescheiden, wie du als Professor herumläufst, kannst du ja nicht zur Angelobung gehen. Und du hast gesagt, ich habe keine Zeit. Aber offenbar hast du dann doch mal ordentliche Anzüge gekauft.

Ich habe dann kurzfristig Anzüge gebraucht, hab’ einen meiner Pendlerfreunde, der leider kürzlich verstorben ist, angerufen, der hat beim »Teller« gearbeitet auf der Landstraße, und ich habe zu ihm gesagt, dass ich dringend einen Anzug brauche, und zwar sofort. Er hat gesagt, komm zu mir, ich bereite alles vor. Ich fuhr auf die Landstraße, mein Freund hat mich in einer Stunde eingekleidet, es war ein Spitzenservice, so gesehen hat mir die Pendlerfreundschaft enorm geholfen. Unmittelbar darauf konnte ich mich dem Bundesvorstand der ÖVP, wo mich ja niemand kannte, in einem perfekten Anzug präsentieren. Als ich dort erwähnte, Niederösterreicher zu sein, brach schallendes Gelächter aus. Auf meine Frage nach dem Grund meinte ein Tiroler in unverkennbarem Tirolerisch: »Dos is, wei ma grod drüber g’redt hom, dass gor viel Niederösterreicher in der Regierung sein«. Erwin Pröll, den ich natürlich kannte, hat sich darüber köstlich amüsiert.

Das war also sozusagen der Angelobungsanzug. Da sind wir schon beim Punkt, denn eigentlich war das ein Übergriff von mir. Freundschaftlich kann man raten, kauf dir einen Anzug. Als Journalist einem Politiker zu sagen, »Sie sollten sich einen gescheiten Anzug kaufen«, geht überhaupt nicht, würde ich sagen. Und zu einer Frau kann ich schon gar nicht sagen, »Ziehen Sie sich anständig an, wenn Sie zu einer Angelobung gehen«.

Das führt mich zu einem wichtigen Punkt: Nehmen wir an, ein Journalist und ein Politiker kennen einander gut. Oder ein Journalist ist befreundet mit jemandem und diese Person wird nachher Politiker. Was sollen die machen, können die dann noch normal weiter miteinander reden?

Hoffentlich, wir können es ja auch.

Wir haben nie ein Interview miteinander gemacht, das war mir von Anfang an klar. Ich habe mir gesagt, ich traue mir das nicht zu, ich würde den Killerinstinkt verlieren und dann vielleicht eine unangenehme, aber dringend notwendige Frage nicht stellen.

Oh, ich habe das immer so verstanden, dass ich hierarchisch nicht hoch genug war. Interviews, die der Chefredakteur macht, die macht er ja nur mit dem Bundeskanzler. Ich hingegen habe als ÖH-Chefredakteur den ÖH-Boss Brandstätter interviewt.

Obwohl wir nie gemeinsam auf Urlaub waren, aber ich wollte nie eine Tarek Leitner-Kern-Diskussion, so nach dem Motto: Die kennen sich schon lange, wie können die gemeinsam ein Interview machen?

Der KURIER hat mich in einigen Themenbereichen wirklich nicht geschont, von Kittner über Peyerl bis Pammesberger.

Na Gott sei Dank!

Ich will mich ja eh nicht beklagen, aber es ist so.

Jetzt sind wir beim Punkt der Nähe. Die Leute studieren miteinander, mögen einander oder streiten, wenn sie in einer Studentengruppe sind. In der Wiener SPÖ sind sie auch noch verheiratet, eine Zeit lang jedenfalls. Wie kann man bei persönlicher Nähe sachlich bleiben, in der Politik oder im Verhältnis Journalisten – Politiker?

Ich glaube schon, dass das geht. Man muss sich ein bisschen disziplinieren. In unserem Fall kommt hinzu, dass wir uns kennengelernt haben, als wir beide im weiteren Sinne politisch tätig waren. Und wenn du dich erinnerst, die Mechanismen, die wir damals erlebt haben, die waren den heutigen nicht so unähnlich. Wir haben begonnen als ÖSU, dann gab es interne Streitigkeiten, das Problem, dass die ÖSU an Ansehen verloren hat, endlose Querelen usw. Dazu habe ich dich in dem Interview im »Juristl« ja auch hart befragt, aber wahrscheinlich nicht hart genug (siehe Anhang S. 234 f.).

Weil du gerade das Interview mit mir erwähnt hast, dazu muss man Folgendes sagen: Wir waren beide Mitte der 1970er Jahre bei der ÖSU (Österreichische Studenten-Union, Anm.) aktiv. Wir Wiener ÖSUler haben damals darauf gedrängt, dass die Salzburger und die Linzer ÖSU mit Ernst Strasser und Willi Molterer ausgeschlossen werden, weil wir der Meinung waren, das sind Linksabweichler, die das Bundesheer abschaffen wollten und Ähnliches, und uns das in Wien geschadet hätte.

Der einfache Student hat das für ein Kasperltheater gehalten und das Vertrauen in die ÖSU verloren, also haben wir sie umbenannt. Plötzlich hat es Studentenforum geheißen, mit Schwerpunkt auf Studentenservice.

Das war aber nach meiner Zeit.

Schon, aber mit dem Service hast du noch begonnen. Wir wollten den Studenten etwas bieten, was sie wirklich brauchen, und diese Streitigkeiten wollten sie überhaupt nicht. Das hat sich schon abgezeichnet, und es war eine Frage des Marketings. Natürlich auch unterlegt mit einer Änderung in eine Richtung, die den Studenten mehr gefallen hat. Mehr effektives Service und weniger allgemeinpolitisches Mandat. Und das Ergebnis waren tolle Wahlerfolge.

Ja, wir hatten absolute Mehrheiten an der Uni Wien und an anderen Universitäten, und im Zentralausschuss, der Bundesvertretung der Studierenden, auch eine Mehrheit. Und das in den 1970er Jahren, als die SPÖ im Nationalrat unter Bruno Kreisky die absolute Mehrheit und in Wien fast eine Zweidrittelmehrheit hatte. Wissenschaftsministerin war Hertha Firnberg.

Das war damals das Umfeld.

Ich habe später beweisen müssen, dass ich Journalist kann, weil Politik habe ich an der Uni schon gemacht. Du hast später beweisen müssen, dass du Politiker kannst, denn Journalist warst du vorher, bei uns in der Hochschülerschaft...

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