Pflanzliche Antibiotika - Geheimwaffen aus der Natur

Pflanzliche Antibiotika - Geheimwaffen aus der Natur

von: Aruna M. Siewert

GRÄFE UND UNZER, 2020

ISBN: 9783833876967

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 8591 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Pflanzliche Antibiotika - Geheimwaffen aus der Natur



EINE ERFOLGSGESCHICHTE


Der Name Antibiotikum setzt sich zusammen aus dem griechischen »anti«, was so viel wie »gegen« oder »anstelle« bedeutet, und dem Wort »bios« – »Leben«. Diese Mittel sollen also Lebewesen bekämpfen, die dem Körper schaden können. Doch wie bei vielen Medikamenten gilt auch für Antibiotika: Was in einem Fall unser Leben retten kann, nützt uns das andere Mal wenig oder schadet sogar.

AM ANFANG WAR EIN PILZ


Die Geschichte der Antibiotika beginnt weit vor der Zeit des Bakteriologen Alexander Fleming (1881–1955), der allgemein als Entdecker dieser Medikamente gilt. Denn bereits 1893 isolierte der italienische Arzt und Mikrobiologe Bartolomeo Gosio (1863–1944) aus einem Schimmelpilz einen Stoff, der den Erreger der sehr gefürchteten Infektionskrankheit Milzbrand am Wachstum hindern konnte. Einige Jahre später kam es zu einer weiteren Entdeckung: Der französische Militärarzt Ernest Duchesne (1874–1912) wunderte sich darüber, dass die Pferdesättel des Militärs mit Absicht in dunklen, feuchten Räumen aufbewahrt wurden, wo sich Schimmelpilze auf den Sätteln bildeten. Die Begründung der Stallburschen für diese ganz besondere Aufbewahrungsart ließ ihn aufhorchen: Die Scheuerwunden der Soldaten, die durch das Reiten hervorgerufen wurden, würden auf den von Schimmelpilz befallenen Sätteln besser abheilen, hieß es. Ohne die Gründe für die Heilwirkung benennen zu können, hatten also bereits die Stallburschen mithilfe antibiotisch wirkender Substanzen krank machende Bakterien erfolgreich bekämpft!

Erste wissenschaftliche Versuche

Duchesne begann nun, diese Erkenntnisse in seine Forschungen zu integrieren, und bereitete eine Lösung aus Schimmelpilzen zu, die er kranken Versuchstieren injizierte. Die Tiere gesundeten. 1897 schrieb Duchesne seine Doktorarbeit über diese antimikrobielle Wirkung von Schimmelpilzen. Vielleicht war er mit 23 Jahren zu jung, vielleicht war er auch einfach seiner Zeit zu weit voraus, auf jeden Fall wurde die Doktorarbeit abgelehnt. Es dauerte noch eine ganze Zeit, bis das Wissen um die bakterienzerstörende Wirkung des Schimmelpilzes von der Wissenschaft anerkannt und zielgerichtet genutzt wurde.

Durch Zufall entdeckte der Bakteriologe Alexander Fleming 1928 in seinem Labor das Penicillin.

Penicillin: eine Zufallsentdeckung

1921 isolierte dann der schottische Bakteriologe Alexander Fleming (1881–1955) in seinem Labor ein Enzym, das er Lysozym nannte. Es ist in der Lage, die Zellwände von krank machenden Bakterien zu zerstören und dadurch die Bakterien abzutöten. Von Natur aus kommt dieses Enzym in unseren Körperflüssigkeiten vor, besonders in den Schleimhäuten und somit auch in Tränen, Speichel und so weiter. Es unterstützt unser körpereigenes Immunsystem dabei, Krankheitskeime zu bekämpfen, sofern diese nicht in allzu großen Mengen auftreten.

Einige Jahre später, 1928, entdeckte Fleming eher zufällig einen Pilz, der in der Lage war, Staphylokokken aufzulösen – gefährliche Bakterien, die bis heute für zahlreiche schwere Erkrankungen verantwortlich sind. In einer in Vergessenheit geratenen Petrischale mit den Krankheitserregern hatte sich – wahrscheinlich aus einer hygienischen Unachtsamkeit heraus – ein Schimmelpilz gebildet. Fleming erkannte, dass dieser Pilz offensichtlich in der Lage war, die Staphylokokken aufzulösen. Der Pilz heißt Penicillium chrysogenum (früher P. notatum). Alexander Fleming isolierte den keimtötenden Stoff aus dem Pilz – das Penicillin war geboren! Zunächst war es damals allerdings noch nicht möglich, eine Substanz mit den Eigenschaften des Penicillins chemisch herzustellen. Man brauchte die Pilze und musste daraus immer erst die bakterientötende Substanz isolieren. Deshalb konnte der antibiotische Stoff noch nicht in größeren Mengen eingesetzt werden. Im Anschluss an Flemings Entdeckung bedurfte es daher vieler weiterer Forschungen und Bemühungen von Bakteriologen wie Gerhard Johannes Paul Domagk (1895–1964), Biochemikern wie Sir Ernst Boris Chain (1906–1979) und Pathologen wie Howard Walter Florey (1898–1968), bis es 1942 endlich so weit war: Mitten im Zweiten Weltkrieg konnte Penicillin erstmals in größeren Mengen heilbringend eingesetzt werden. Mit dem großflächigen Einsatz von Antibiotika wurde bei schwer verwundeten Soldaten drohenden Infektionen entgegengewirkt und es konnten viele Leben gerettet werden.

Später wurde das als wahres Wundermittel gelobte Penicillin auch in der Zivilbevölkerung eingesetzt. Wirksam bekämpfte man damit bis dahin oft tödlich verlaufende Infektionserkrankungen wie Wundinfektionen, Blutvergiftungen, Lungen- und Gehirnhautentzündungen oder Tuberkulose.

Ein beispielloser Siegeszug der Wissenschaft über die Bakterien hatte durch einen Zufall seinen Anfang genommen. Alexander Fleming wurde für seine Entdeckung geadelt, war Ehrendoktor an verschiedenen Universitäten in Europa und Amerika. 1945 erhielt er zusammen mit Howard Walter Florey und Ernst Boris Chain den Nobelpreis für Medizin.

»Manchmal findet man, wonach man gar nicht gesucht hat.«

Alexander Fleming

DAS WIRKPRINZIP DER ANTIBIOTIKA


Der Einsatz von Antibiotika im Zweiten Weltkrieg zeigte es erstmals: Diese Medikamente können bei schweren bakteriellen Erkrankungen lebensrettend sein. Die Entdeckung des Penicillins und die Entwicklung der weiteren antibiotischen Substanzen bedeuteten einen Siegeszug der Medizin gegen viele lebensgefährliche Krankheiten und Epidemien. Erkrankungen, die früher in den allermeisten Fällen tödlich verliefen, heilen heute mithilfe von Antibiotika oft komplikationslos.

Erreger töten, Körperzellen verschonen

Bis heute werden manche Antibiotika aus natürlichen Stoffen gewonnen, die teilweise chemisch verändert werden. Es gibt aber auch viele Antibiotika, die komplett synthetisch hergestellt werden.

Die Ausgangssubstanzen sind die Stoffwechselprodukte von Organismen wie Pilzen, die in niedrigen Dosierungen Krankheitserreger entweder in ihrem Wachstum hemmen (bakteriostatisch) oder sie töten (bakterizid), indem sie die Auflösung ihrer Zellwand bewirken (bakteriolytisch). Antibiotika wirken also gegenüber bestimmten Zellen tödlich, während sie die gesunden Zellen des menschlichen Organismus zwar beeinflussen, aber nicht dauerhaft zerstören. Das liegt daran, dass die Zellwände von Bakterien anders beschaffen sind als die menschlicher Zellen: Während die äußere Schicht der menschlichen Zelle aus einer Plasmamembran besteht, die eine Zelle von der anderen abgrenzt, besteht die Zellwand eines Bakteriums aus einer Schicht Zucker-Aminosäuren-Molekülen, auch Murein (von lat. murus = Mauer) genannt. In der Bakterienzelle sind mehr Teilchen als außerhalb. Wird die Wand beschädigt, strömt durch den Druckunterschied Wasser in die Zelle und zerstört sie.

DIE ABWEHR ZUSÄTZLICH UNTERSTÜTZEN

Antibiotika wirken also nach dem gleichen Prinzip wie das körpereigene Lysozym (siehe >), das die Zellwände schädlicher Bakterien angreift und unser Immunsystem in die Lage versetzt, mit diesen Bakterien fertigzuwerden. Sind es allerdings einmal zu viele, braucht der Körper Unterstützung von außen. Dann helfen unter anderem Stoffe wie Penicillin, die Wachstum und Vermehrung der Bakterien eindämmen.

UNERWÜNSCHTE NEBENWIRKUNGEN
  • Leider besteht das Risiko, dass Erreger gegen Antibiotika unempfindlich werden, also Resistenzen entwickeln (mehr dazu lesen Sie ab >).

  • Zudem werden auch Bakterien, die für unsere Gesundheit wichtig sind (siehe >), häufig Opfer einer Antibiotikatherapie, was langwierige Folgen haben kann.

  • Außerdem kann es durch Antibiotika zu schweren Durchfällen kommen. Suchen Sie in einem solchen Fall umgehend den Arzt auf.

Wie Sie unerwünschte Nachwirkungen einer Antibiotikatherapie mit natürlichen Mitteln verringern können, lesen Sie ab >.

HEUTE GEBRÄUCHLICHE ANTIBIOTIKA


Welche Arten von Antibiotika gibt es heute und wie wirken sie? Um darauf eine Antwort zu finden, müssen wir etwas tiefer in die Materie eintauchen. Je nachdem, wo und gegen welche Art Bakterium die einzelnen Antibiotika wirken, werden sie in verschiedene Gruppen unterteilt. Der Arzt muss von Fall zu Fall genau prüfen, welches Mittel den größten Nutzen verspricht.

Aminoglykosid-Antibiotika

In erster Linie werden diese Medikamente bei bakteriellen Infektionserkrankungen als Injektion eingesetzt, etwa bei Hirnhaut-, Herzklappen- oder Knochenmarkentzündungen. Nur wenn, zum Beispiel bei einer bevorstehenden Operation, im Darm weitgehende Keimfreiheit gewünscht ist, werden sie als Tablette verabreicht. Aminoglykoside vernichten eine große Zahl verschiedener Erreger. Sie binden sich in der Zelle an die Ribosomen, das sind Zellorgane, die für die Herstellung von Eiweißen zuständig sind. Dadurch werden die Eiweiße funktionsunfähig, das Bakterium stirbt. Das funktioniert vor allem bei aeroben Bakterien, die Sauerstoff zum Leben brauchen. Bei den verbreiteten Streptokokken sowie bei manchen anaeroben Bakterien wirken diese Mittel nicht. Vor allem bei der Einnahme in Tablettenform treten Nebenwirkungen wie Nierenschäden und Schäden im Innenohr auf, ebenso Störungen der Blutbildung und Sehstörungen. Während der Schwangerschaft oder bei schweren Nierenerkrankungen sollte man auf Aminoglykoside verzichten.

Zu der Wirkstoffgruppe gehören unter anderem Gentamicin, Tobramycin, Streptomycin und Amikacin.

ß-Lactam-Antibiotika

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