... und am Abend sprach er von Sulina. Erinnerungen an eine Flussfahrt

... und am Abend sprach er von Sulina. Erinnerungen an eine Flussfahrt

von: Günther Lazay

engelsdorfer verlag, 2013

ISBN: 9783862686759

Sprache: Deutsch

333 Seiten, Download: 387 KB

 
Format:  EPUB

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... und am Abend sprach er von Sulina. Erinnerungen an eine Flussfahrt



(S. 41-42)

Herzlich willkommen heißt sie uns. Da drüben auf dem Damm könnten wir zelten. Die sanitären Anlagen (Frau Swoboda meinte, wie wir vor Ort feststellten, das Plumpsklo, dem jeglicher Luxus, auch nur in bescheidenen Ansätzen, abhanden gekommen oder schon beim Richtfest gar nicht vorhanden gewesen war) seien recht einfach. Man sollte sie, vor allem bei höheren Tagestemperaturen, aber auch in heißen Nächten, nur im alleräußersten Notfall benutzen.

Im Bootshaus stünden modernere Einrichtungen, natürlich auch Duschen warm und Duschen kalt zur Verfügung. Frau Swoboda zeigt uns auch die Zille, mit der wir, falls hygienisch-sanitäres Verlangen bestünde, den Regatta-Kanal überqueren könnten. Hin und zurück! Mit einer Art verlängertem Stechpaddel kann man die Zille auf Kurs halten. Hin und zurück! Wir sind Frau Swobodas einzige Gäste und richten uns ein auf dem schmalen Streifen zwischen Regattastrecke und Donau. Nachdem dies geschehen ist, bewegen wir die Zille mehrmals hin und her, ohne hygienisch-sanitäres Bedürfnis, einfach so, der Übung wegen. Und es gelingt vortrefflich. Schiffsjunge und Kapitän beherrschen die diffizile Technik sehr schnell, um die Zille von hier nach dort und von dort nach hier zu lenken.

Sehr gern möchten wir nun die Wiener Küche. Ob wir sie im Kahlenberger Dorf in ihrer gerühmten Einzigartigkeit finden werden, darüber sind wir uns nicht ganz klar. Aber wir machen uns auf den Weg. „Ausgsteckt“ heißt es da alle paar Schritte an manchen Häusern, über deren Eingang ein Besen hängt, manchmal ein wenig stilisiert. Da ist ein Fragezeichen. Die Antwort finden wir schnell, als wir aus einigen mit „Ausgsteckt“ gekennzeichneten Häusern sehr gesprächsbereite schwankende Gestalten kommen sehen, vorwiegend männlichen Geschlechts. Da denken wir an die schwäbischen Besenwirtschaften und fühlen uns beinahe heimisch. Ausgsteckt heißt, wie uns Frau Swoboda am anderen Morgen erläutert: Hier gibt es Heurigen.

Und den sollte man in Wien keinesfalls versäumen. Hat nicht auch Hans Moser ein Liedchen gesungen vom Heurigen? Oder war das der Hörbiger? Wir kehren ein. Gebackene Leber bestellen wir, dazu einen Heurigen, worauf mich der Schiffsjunge etwas missbilligend ansieht. Recht hast du, Moses, wir sind in Wien und hofften doch eigentlich nur auf Passau. Recht hast du. Den Äquator haben wir nicht überquert, und es bestand keine Veranlassung, dich ins Wasser zu werfen. Oft genug bist du über Bord gesprungen in den Donaustrom zu einem erfrischenden Bad. Recht hast du. Wir sind in Wien und träumten doch maximal nur von Linz. Wir sind in Wien und essen gebackene Leber.

Warum solltest du nicht, nachdem wir auch die Wachau zügig hinter uns gelassen haben, warum solltest du nicht hier in Wien, im Kahlenberger Dorf, wo ausgsteckt ist, zu der gebackenen Leber einen Heurigen trinken? Das Angebot stößt auf keinen Widerstand. Und so trinken wir in harmonischer Gemeinsamkeit den Heurigen, von dem wir eigentlich gar nicht wissen, warum er „der Heurige“ heißt. Wir fragen den Wirt. Und der hat eine Antwort. Eine ganz irrige Meinung sei es, dass es den Heurigen nur in Grinzing gäbe, meint er einleitend und versichert, dass der Heurige seine wirkliche Heimat im Kahlenberger Dorf habe, weil er hier am besten mundet. Das nun wiederum läge an der typischen und gesunden Kahlenberger Luft. Warum der Heurige aber Heuriger heißt, da wird der Wirt mit der Antwort ein bisschen zurückhaltend. Dann trabt er mit der Erklärung über mehrere Eselsbrücken.

„Wissen Sie, der Heurige, das ist eben der neue Wein.“ – „Nun ja, aber wir haben doch erst Anfang August, da kann der Heurige so neu nun auch wieder nicht sein.“ – „Freilich, aber Sie müssen wissen, am neunten November war der Marsch zur Feldherrnhalle, dann kommt der Martinstag, und der neue Wein, der nach dem Martinstag kredenzt wird, bis zum nächsten Martinstag, das ist der Heurige.“ Leuchtet ein. „Bringen Sie mir bitte noch ein Glas!“ Das war jenes sprichwörtliche eine Glas zu viel, wenngleich Moses daran nicht teilhatte. Aber nichts spricht dagegen, dass er die Zille vom Bootshaus zum Zeltplatz steuert. Geübt haben wir das ja. Doch es ist stockdunkel. Frau Swoboda schläft sicherlich schon.

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