Grießnockerlaffäre - Der vierte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi

Grießnockerlaffäre - Der vierte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi

von: Rita Falk

dtv, 2014

ISBN: 9783423417099

Sprache: Deutsch

240 Seiten, Download: 1603 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Grießnockerlaffäre - Der vierte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi



11. Mai

Liebe Frau Schübler,

auf dieser Postkarte sehen Sie die Insel. Ich hab mit der Füllfeder einen Punkt gemacht, wo der kleine Hafen liegt und das Dorf. – Eine Bitte! Mir ist eingefallen, daß ich in der Abstellkammer das Klappfenster offengelassen habe. Da ich ja noch Monate wegbleibe, wäre sicher von Vorteil, man würde es schließen. Könnten Sie das tun, wenn Sie bei mir oben das nächste Mal gießen? Dank im voraus!

Ich hoffe, es geht Ihnen gut, und niemand im Haus macht Scherereien. Herzlich grüßt Sie

Ihre Magda Bernsteiner

17. Mai

Liebe Frau Bernsteiner!

Eigentlich wollte ich Sie anrufen, aber ich weiß keine Nummer. Um zu sagen, daß Sie eine gute Idee gehabt haben. Es war nämlich eine Taube in der Abstellkammer, die hat sich verirrt, und ein großer Wirbel mit ihr. Lukas hat mir geholfen, sie wieder hinauszukriegen, und ich habe alles geputzt.

Jetzt ist das Fenster zu.

Die Insel sieht schön aus. Ich habe leider im Moment nur diese Karte mit den Margeriten, wollte Ihnen aber rasch schreiben, Adresse weiß ich ja. Erholen Sie sich gut!

Das wünscht Ihnen mit den besten Grüßen Ihre

Maria Schübler

25. Mai

Meine liebe Maria Schübler,

da bin ich Ihnen aber von Herzen dankbar, und dem Lukas auch. Und natürlich auch mir selbst, weil ich gottlob diesen Einfall hatte! Stellen Sie sich vor, die Taube wäre unentdeckt geblieben, hätte nicht mehr hinausgefunden und in meiner Kammer ihren Tod gefunden … Nein, stellen Sie sich das lieber nicht vor. Vor allem nicht, wie meine Wohnung schließlich gerochen hätte …

Es sind herrliche Tage hier, das Meer ist manchmal wirklich so blau wie auf dieser Karte. Wie ist denn das Wetter daheim? Hoffentlich schlecht! Das erhöht nämlich immer den Genuß, wenn man weit weg ist und sich an einem Ort befindet, wo unermüdlich die Sonne scheint!

Grüße von Magda B.

31. Mai

Liebe Frau Bernsteiner! Ich wünsche Ihnen viel Genuß, Sie können ihn brauchen, aber es tut mir leid, wir haben auch einen sehr schönen Mai. Die Kastanien hinter dem Haus blühen wie verrückt. Wenn ich Zeit habe, setze ich mich unter den Bäumen auf eine Parkbank. So, wie Sie das oft tun.

Die Sonne soll sehr unermüdlich auf Sie scheinen!

Ihre Maria Schübler

5. Juni

Liebe Maria,

dieser Brief erreicht Sie über mein Büro, eines der Mädchen kommt bei Ihnen vorbei, wundern Sie sich bitte nicht. Ich habe ihn gefaxt, die Post geht ja so schwerfällig hin und her. Wenn Sie mir antworten wollen, bringen Sie doch einfach Ihren Brief in die Humboldtgasse 8 (gleich bei uns, rechts um die Ecke, Firma Ölig-Versand) zu Herrn Peter Kreuz, der faxt ihn mir dann hierher ans Postamt der Insel. Da haben sie ein Faxgerät, ich habe es durch Zufall entdeckt, als ich was aufgegeben habe.

Heute regnet es. Ich sitze im Zimmer, vor der geöffneten Balkontüre. Das Meer ist grau, die Schaumkronen jedoch blendend weiß, als würden sie von irgendwoher beleuchtet. Und das, obwohl die Wolken tief hängen und der Tag sehr düster ist.

Vielleicht wundern Sie sich, liebe Maria Schübler, daß ich Sie Maria nenne und Ihnen jetzt einen Brief schreibe. Es geschieht, weil ich Vertrauen zu Ihnen habe und mich an einen vertrauenswürdigen Menschen wenden muß. Sonst sterbe ich hier. Ich sage Ihnen das in aller Offenheit und hoffe, daß Sie sich davon nicht belästigt fühlen. Sollte mein Schreiben Sie irritieren, dann antworten Sie mir einfach nicht, ja?

Tatsache ist, daß mir alle Menschen abhanden gekommen sind, denen ich sonst schreiben könnte. Sie wissen, glaube ich, daß es mir sehr schlecht gegangen ist, eine Zeitlang. Ich wollte mich hier erholen. Jetzt weiß ich, daß ich hier mein Ende finden werde. Nicht unbedingt den Tod, aber das Ende aller Hoffnung. Ich habe die Zukunft hinter mir gelassen, verstehen Sie?

Ob ich diesen Brief wirklich faxen lasse? Herr Kreuz ist sehr diskret, er würde ihn ungelesen in ein Kuvert stecken und Ihnen bringen lassen. Aber ich habe Sorge, Sie zu verwirren. Außer, daß Sie wöchentlich bei mir saubermachen und meine Pflanzen gießen, wenn ich weg bin, hat uns bisher nur verbunden, daß wir freundlich zueinander waren. Obwohl das, an der Unfreundlichkeit der Welt gemessen, sehr viel ist. Sie kennen mich nicht, und ich kenne Sie nicht. Aber daß Ihnen aufgefallen ist, wie oft ich unter den Kastanienbäumen gesessen bin, in letzter Zeit, läßt mich irgendwie annehmen, daß Ihnen auch mein Zustand aufgefallen ist. Und daß Sie eine Taube davor bewahrt haben, in meiner Abstellkammer zu verrecken –

Und daß Sie ein Gesicht haben, an das ich mich gerade jetzt sehr genau erinnere – energisch und sanftmütig zugleich – Sie haben meist leicht gerötete Wangen, vielleicht, weil Sie viel körperlich arbeiten –

Liebe Frau Schübler, sollte Ihnen lästig sein, das zu lesen, dann werfen Sie den Brief weg. Daß ich jetzt durch den Regen zum Postamt wandern werde, eine gute Stunde lang, tue ich nur, um Zeit zu vernichten. Die Zeit liegt so unbeweglich um mich, daß ich fast an ihr ersticke. Verzeihen Sie mir.

Magda

6. Juni

Liebe Frau Magda Bernsteiner.

Sie machen einem aber Sorgen. Gestern gegen Abend hat mir ein Fräulein den Brief gebracht, ich wollte gleich antworten, aber der Lukas wollte nach dem Abendessen unbedingt ins Kino. Heute bringe ich den Brief gleich zum Fax in Ihre Firma. Was ist denn los mit Ihnen? Bevor Sie dort sterben, kommen Sie lieber rasch wieder zurück. Und es waren doch immer wieder viele Freunde bei Ihnen zu Besuch, ich weiß es vom Wegräumen, wo sind denn die auf einmal alle? Daß Sie so gar niemand haben? Aber wenn es Ihnen einfällt, schreiben Sie immer mir. Ich bin nicht geschickt im Antworten, aber lesen kann ich gut. Auch unter den Zeilen, wie man so sagt. Ihnen geht es nicht gut, und dazu der Regen, glaub ich. Das ist nicht gut an einem Meer, wenn man allein ist. Ich hoffe, Sie schreiben mir bald wieder. Herzliche Grüße

Ihre Maria

(bitte sagen Sie unbedingt Maria zu mir!)

8. Juni

Liebe Maria,

ich habe fest angenommen, daß Sie mir nicht antworten werden. Ehrlich gesagt habe ich mich geschämt, nachdem mein Brief gesendet wurde und ich danach das Original nochmals gelesen habe. Gestern haben die vom Postamt bei meinem Zimmerwirt angerufen, daß für mich ein Fax bei ihnen läge, und heute habe ich es mir geholt. Es regnet nicht mehr, mir war sogar sehr heiß beim Wandern. Ich habe hier kein Auto und mache alle Wege zu Fuß.

Ich bin sehr dankbar, daß ich Ihnen schreiben darf.

Ja, es gab reichlich Menschen in meinem Leben, aber da ist etwas bei mir ausgebrochen, das sie alle vertrieben hat. Ich glaube, es lag daran, daß ich begonnen habe, Menschen zu suchen. Man darf Menschen nicht suchen. Nur finden. Und dann kam da noch meine Krankheit, vor der jeder – oder fast jeder – zurückschreckt. Keine Sorge, Maria, ich habe nicht Krebs. Nichts, das für meinen Körper lebensbedrohend wäre. Aber ich wurde gemütskrank. Ihnen gegenüber verwende ich lieber diesen einfachen Ausdruck, denn ich möchte Ihnen nicht erzählen, was Depressionen sind, es deprimiert mich zu sehr.

Während ich den letzten Satz geschrieben habe, mußte ich lachen. Ich sitze unter einem Olivenbaum, neben mir eine Steinbrüstung, dahinter das Meer, und lache laut vor mich hin. Sie sehen also – es ist nicht so, daß ich das Lachen verlernt hätte. Oder das Schöne um mich herum nicht wahrnehmen könnte. Oder auf Menschen, denen ich flüchtig begegne, einen düsteren oder kranken Eindruck mache. Aber ich kann nicht leben.

Wieder habe ich das Gefühl, daß ich Ihnen nicht schreiben soll, daß ich Sie mit solchen Mitteilungen überfordere. Deshalb werde ich jetzt, ehe ich weiter an Sie schreibe, diesen Brief losschicken und Sie nochmals fragen, ob es Ihnen nicht zu blöd ist. Und was sagt sich denn Lukas, wenn er das mitbekommt? Ich möchte vor allem keinen Menschen belästigen. Wie kommen Sie dazu, daß ich Sie mir quasi zur Briefpartnerin erwählt habe.

Bitte antworten Sie mir ehrlich, ich brauche das. Meine Unsicherheit ist so groß geworden. Nie bin ich mir sicher, ob Menschen nicht annehmen, ich würde mich auf sie stürzen, wenn ich nichts anderes zu tun glaube, als menschliche Nähe zu beanspruchen.

»Beanspruchen« ist auch so ein Wort, und es ist mir jetzt entwischt. Auf etwas Anspruch haben. Das bezweifle ich eben. Daß ich auf etwas Anspruch haben dürfte. Auch nicht auf Ihre Nettigkeit. Ich glaube, das war jetzt mein letzter Brief an Sie. Trotzdem schicke ich den noch ab. Sie sehen, in allem bin ich inkonsequent und ungenau.

Vergessen Sie mich lieber.

Magda

9. Juni

Liebe Frau Magda.

Daß eine so gescheite Frau wie Sie sich so viele dumme Gedanken macht, hätte ich nie geglaubt. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, weil ich das so hingeschrieben habe. Aber es ist meine Meinung, tut mir leid. Ich bin geehrt von Ihren Briefen, verstehen Sie? Mein Mann Lukas ist ja einigermaßen in Ordnung, bis auf ein paar Sachen, aber er ist dumm. Sie wissen, was ich meine, weil Sie ihn kennen. Ich habe auch nur die Hauptschule besucht und bin ungebildet. Aber ich wollte schon immer was lernen, was nicht Putzen und Waschen und Bügeln ist. Wenn Sie sich mit mir unterhalten haben, habe ich mich deshalb gefreut. Weil ich mich so gefühlt habe, als würde ich etwas lernen können dabei. Verstehen Sie mich? Jetzt habe ich gut das Wort »beanspruchen« gelernt. Tun Sie das bitte. Mich beanspruchen. Was der Lukas dazu sagt, ist unwichtig, weil er eh nie was sagt. Was Gescheites, meine ich.

Es ist so traurig, daß Ihr Gemüt krank ist. Man muß es doch wieder...

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