In meinem Element - Wie wir von erfolgreichen Menschen lernen können, unser Potenzial zu entdecken

In meinem Element - Wie wir von erfolgreichen Menschen lernen können, unser Potenzial zu entdecken

von: Ken Robinson

Arkana, 2010

ISBN: 9783641040468

Sprache: Deutsch

352 Seiten, Download: 896 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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In meinem Element - Wie wir von erfolgreichen Menschen lernen können, unser Potenzial zu entdecken



Vor ein paar Jahren hörte ich eine wunderschöne Geschichte, die ich hier sehr gerne weitererzähle: Eine Grundschullehrerin unterrichtete eine Gruppe sechsjähriger Kinder im Zeichnen. In einer der hinteren Bänke saß ein kleines Mädchen, das normalerweise in der Schule nicht besonders aufmerksam war. Aber jetzt, im Zeichenunterricht, war es ganz bei der Sache. Über zwanzig Minuten saß die Kleine da, ihr Zeichenblatt fest vor sich, und war völlig vertieft in das, was sie da tat. Die Lehrerin war fasziniert. Schließlich fragte sie das Mädchen, was es malen würde. Ohne aufzuschauen sagte die Kleine: »Ich male ein Bild von Gott.« Überrascht erwiderte die Lehrerin: »Aber niemand weiß, wie Gott aussieht.«
Das Mädchen sagte: »Warten Sie einen Moment, gleich wissen Sie es.«
Ich liebe diese Geschichte, denn sie erinnert uns daran, dass kleine Kinder ein wunderbares Zutrauen in ihre Fantasie haben. Die meisten von uns verlieren diese Sicherheit, wenn sie größer werden. Fragen Sie eine Klasse von Erstklässlern, wie viele von ihnen sich für kreativ halten, und alle Hände fliegen in die Höhe. Stellen Sie die gleiche Frage einer Gruppe von College-Studenten, und die meisten Hände bleiben unten. Ich glaube felsenfest, dass wir alle mit außerordentlichen natürlichen Talenten geboren werden, aber zu einem Großteil von ihnen den Kontakt verlieren, je länger wir in dieser Welt sind. Paradoxerweise sind dafür vor allem Erziehung und Ausbildung verantwortlich. Die Folge? Viel zu viele Menschen finden nie den Kontakt zu ihren wahren Begabungen und wissen nicht, zu welchen Leistungen sie fähig sind.
Insofern wissen sie nicht, wer sie sind.
Ich bin sehr viel auf Reisen und arbeite mit Menschen auf der ganzen Welt - mit Bildungsträgern, Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen. Überall begegnen mir Schüler und Studenten, die versuchen, sich über ihre Zukunft klar zu werden und nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Mir begegnen besorgte Eltern, die ihnen dabei zu helfen versuchen, sie aber oft von ihren wahren Talenten abbringen, weil sie meinen, ihre Kinder müssten die üblichen Wege zum Erfolg einschlagen. Mir begegnen Arbeitgeber, die sich bemühen, die unterschiedlichen Begabungen ihrer Mitarbeiter zu verstehen und besser einzusetzen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Menschen ich getroffen habe, die nicht so richtig wissen, welche individuellen Talente und Passionen sie haben. Das, was sie tun, macht ihnen keinen Spaß, aber sie wissen auch nicht, was sie stattdessen ausfüllen würde.
Andererseits habe ich Menschen kennengelernt, die auf den unterschiedlichsten Gebieten sehr erfolgreich waren, ihrer Beschäftigung leidenschaftlich gern nachgingen und sich nicht vorstellen konnten, irgendetwas anderes zu tun. Ich glaube, dass ihre Geschichten uns etwas Wichtiges über das Wesen des menschlichen Potenzials und eines erfüllten Lebens sagen können. Bei meinen Vorträgen rund um die Welt habe ich festgestellt, dass solche wahren Geschichten die Zuhörer mindestens ebenso sehr wie Statistiken und Expertenmeinungen davon überzeugen, dass wir zu uns und dem, was wir mit unserem Leben machen, eine andere Einstellung brauchen; dass wir die Erziehung und Ausbildung unserer Kinder überdenken müssen und ebenso die Art, wie wir unsere Firmen führen.
Dieses Buch enthält einen bunten Strauß von Geschichten über die kreativen Reisen ganz unterschiedlicher Menschen. Viele von ihnen wurden speziell für dieses Buch interviewt. Sie erzählen, wie sie ihre speziellen Talente entdeckt haben und dadurch, dass sie tun, was sie lieben, auch finanziell sehr erfolgreich geworden sind. Mich hat beeindruckt, dass diese Menschen oft nicht den konventionellen Wegen gefolgt sind. Vielmehr war ihre Lebensreise voller Brüche, Wendungen und Überraschungen. Oft sagten die Interviewten, die Gespräche zu diesem Buch hätten ihnen Gedanken und Erlebnisse deutlich gemacht, über die sie so noch nie gesprochen hätten. Der Augenblick der Erkenntnis. Die Entwicklung ihrer Begabungen. Die Er- oder Entmutigung durch Familienangehörige, Freunde und Lehrer. Das, was sie trotz zahlreicher Hindernisse weiter vorantrieb.
Trotzdem sind ihre Geschichten keine Märchen. All diese Menschen haben ein kompliziertes Leben, das sie vor viele Herausforderungen gestellt hat. Ihr Weg verlief nicht glatt und reibungslos. Jeder hatte seine Triumphe und seine Katastrophen. Keiner hat ein »perfektes« Leben. Aber alle erleben regelmäßig Augenblicke, die sich nahezu vollkommen anfühlen. Ihre Geschichten sind oft faszinierend.
Trotzdem geht es in diesem Buch nicht um diese Menschen. Sondern um Sie.
Ich habe dieses Buch geschrieben, damit Ihre Perspektive auf das Potenzial und die Kreativität von Menschen sich erweitert und Sie die Vorteile erkennen, die es für uns alle hat, wenn wir den Kontakt zu unseren individuellen Talenten und Passionen herstellen. Es geht um Themen, die für unser Leben und das unserer Kinder, Schüler und Mitarbeiter extrem wichtig sind. Ich verwende den Begriff Element, um den Ort zu beschreiben, an dem das, was wir gern tun, und das, was wir gut können, zusammenkommen. Ich halte es für unbedingt notwendig, dass jeder sein »Element« findet - nicht nur, weil jeder Einzelne dann ein erfüllteres Leben hat, sondern weil in einer bewegten Welt wie der unseren die Zukunft der Gemeinwesen und Institutionen darauf angewiesen ist.
Die Welt verändert sich schneller als je zuvor in unserer Geschichte. Für die Zukunft können wir nur hoffen, dass wir für das Potenzial des Menschen ein neues Paradigma entwickeln, das einer neuen Ära menschlichen Daseins gerecht wird. Wir müssen erkennen, wie wichtig die Förderung menschlicher Begabungen ist, und dass Talent sich bei jedem von uns anders äußert. Wir müssen - an unseren Schulen, Arbeitsplätzen und öffentlichen Institutionen - Umgebungen schaffen, in denen jeder dazu ermutigt wird, kreativ zu wachsen. Wir müssen dafür sorgen, dass jeder die Chance hat, das zu tun, was im Innersten in ihm angelegt ist, und auf seine Weise sein Potenzial entdeckt.
Dieses Buch ist der atemberaubenden Vielfalt an Begabungen und Passionen gewidmet und unserem unglaublichen Potenzial, zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Es handelt auch von den Umständen, unter denen menschliche Talente gedeihen oder verdorren. Es handelt davon, wie wir alle mehr in der Gegenwart sein und uns gleichzeitig auf die einzig mögliche Weise auf eine völlig unbekannte Zukunft vorbereiten können.
Um aus uns selbst und unseren Mitmenschen das Beste zu machen, brauchen wir dringend ein komplexeres Verständnis vom menschlichen Potenzial. Wir müssen unser Element finden.

KAPITEL EINS
Das Element
Gillian war zwar erst acht Jahre alt, aber ihre Zukunft stand bereits auf der Kippe. Ihre schulischen Leistungen waren eine Katastrophe, zumindest nach Meinung ihrer Lehrer. Hausaufgaben lieferte sie zu spät ab, ihre Handschrift war schrecklich, und Tests schaffte sie mit Ach und Krach. Aber nicht nur das, sie störte auch den gesamten Unterricht, indem sie mal geräuschvoll herumzappelte, mal aus dem Fenster starrte, so dass der Lehrer den Unterricht unterbrechen musste, um sie zur Ordnung zu rufen, und dann wieder irgendetwas anderes anstellte, das die Kinder um sie herum störte. Das alles machte zwar Gillian nicht großartig etwas aus - sie war es gewohnt, dass Autoritätspersonen sie korrigierten und hielt sich nicht für ein schwieriges Kind -, wohl aber der Schule. Die Situation spitzte sich zu, als die Schule ihren Eltern einen Brief schrieb.
Die Schulleitung war der Ansicht, Gillian hätte irgendeine Lernbehinderung und wäre in einer Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen vielleicht besser aufgehoben. All das fand in den 1930er Jahren statt. Ich glaube, heute würde eine Schulleitung sagen, Gillian hätte eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), und sie mit Ritalin oder Ähnlichem behandeln lassen. Aber damals war die ADHS-Epidemie noch nicht erfunden. Sie stand als Pathologie nicht zur Verfügung. Die Leute wussten nicht, dass sie so etwas haben konnten, und mussten ohne diesen Begriff zurechtkommen.
Gillians Eltern bereitete der Brief von der Schule große Sorgen, und sie wurden sofort aktiv. Gillians Mutter zog ihrer Tochter die besten Kleider und Schuhe an, band ihre Haare zu Zöpfen und brachte sie zu einem Psychologen, um dessen Urteil zu hören. Sie befürchtete das Schlimmste.
Gillian erzählte mir, sie würde sich daran erinnern, dass sie in einen großen, eichenvertäfelten Raum geführt wurde, in dem in Leder gebundene Bücher auf den Regalen standen. Neben einem riesigen Schreibtisch stand ein imposanter Mann im Tweedjackett. Er führte Gillian ans andere Ende des Raums und ließ sie auf einem ausladenden Ledersofa Platz nehmen. Gillian kam mit ihren Füßen nicht ganz auf den Fußboden, und die Umgebung schüchterte sie ein. Sie hatte Angst, einen schlechten Eindruck zu machen und setzte sich auf ihre Hände, damit sie nicht herumzappelten.
Der Psychologe ging zu seinem Schreibtisch zurück, und in den nächsten zwanzig Minuten fragte er Gillians Mutter nach den Schwierigkeiten, die Gillian in der Schule hatte und den Problemen, die sie nach Meinung der Schule machte. Obwohl er Gillian nicht direkt befragte, beobachtete er sie die ganze Zeit über aufmerksam. Gillian fühlte sich deshalb extrem unbehaglich, und ihr schwirrte der Kopf. Obwohl sie noch ein Kind war, wusste sie, dass dieser Mann eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen würde. Sie wusste, was es bedeutete, eine »Sonderschule« zu besuchen, und das wollte sie keinesfalls. Sie hatte nicht das Gefühl, irgendwelche echten Probleme zu haben, aber alle anderen schienen dieser Meinung zu sein. In Anbetracht der Art, wie die Mutter die Fragen beantwortete, war es möglich, dass auch sie so dachte.
Vielleicht, dachte Gillian, haben sie ja recht.
Schließlich hörten Gillians Mutter und der Psychologe auf zu reden. Der Mann stand von seinem Schreibtisch auf, ging zum Sofa und setzte sich neben das kleine Mädchen.
»Gillian, du warst sehr geduldig, und dafür danke ich dir«, sagte er. »Aber ich fürchte, du musst dich noch ein bisschen länger gedulden. Ich muss jetzt mit deiner Mutter allein reden. Wir gehen ein paar Minuten nach draußen. Hab keine Angst; wir sind nicht lange weg.«
Gillian nickte ängstlich, und die zwei Erwachsenen ließen sie allein auf dem Sofa sitzen. Aber bevor der Psychologe das Zimmer verließ, lehnte er sich über den Schreibtisch und schaltete das Radio ein.
Sobald sie draußen auf dem Flur waren, sagte der Arzt zu Gillians Mutter: »Bitte bleiben Sie einen Augenblick hier stehen und beobachten Sie, was Ihre Tochter tut.« Es gab ein Fenster in den Raum, und die beiden stellten sich seitlich von ihm hin, so dass Gillian sie nicht sehen konnte. Fast sofort sprang Gillian auf und bewegte sich zu der Musik im Raum herum. Die zwei Erwachsenen standen still da und beobachteten sie ein paar Minuten, sprachlos angesichts von so viel Anmut. Jedem wäre aufgefallen, dass Gillians Bewegungen etwas ganz Natürliches hatten und aus ihrem tiefsten Inneren zu kommen schienen. Auch ihr seliger Gesichtsausdruck war unübersehbar.
Schließlich wandte der Psychologe sich an Gillians Mutter und sagte: »Wissen Sie, Mrs. Lynne, Gillian ist nicht krank. Sie ist eine Tänzerin. Melden Sie sie bei einer Ballettschule an.«
Ich fragte Gillian, was dann passiert sei. Sie sagte, ihre Mutter hätte genau das getan, was der Psychologe vorgeschlagen hatte. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie herrlich es war«, erzählte sie mir. »Ich ging in diesen Raum hinein, und da waren lauter Menschen wie ich, die nicht stillsitzen konnten. Menschen, die sich bewegen mussten, um denken zu können.«
Gillian besuchte die Ballettschule jeden Tag, und täglich übte sie zu Hause. Schließlich tanzte sie an der Schule des Royal Ballet in London vor und wurde angenommen. Später gehörte sie dem Ensemble des Royal Ballet an, wurde Primaballerina und gab Vorstellungen auf der ganzen Welt. Als dieser Abschnitt ihrer Karriere endete, gründete sie ihre eigene Tanztruppe und produzierte eine Reihe von Shows, die in London und New York sehr erfolgreich waren. Schließlich lernte sie Andrew Lloyd Webber kennen und schuf mit ihm zusammen einige der erfolgreichsten Musicalproduktionen aller Zeiten, darunter Cats und Das Phantom der Oper.
Die kleine Gillian, das Mädchen mit der gefährdeten Zukunft, wurde von der Welt als Gillian Lynne umjubelt, eine der fähigsten Choreografinnen unserer Zeit und jemand, der Millionen Menschen Freude gebracht und Millionen Dollar verdient hat. All das konnte geschehen, weil jemand ihr tief in die Augen gesehen hatte - jemand, der Kinder wie sie schon gesehen hatte und ihre Zeichen zu lesen verstand. Ein anderer hätte ihr vielleicht Medikamente gegeben und ihr gesagt, sie solle sich beruhigen. Aber Gillian war kein Problemkind. Sie brauchte nicht auf eine Sonderschule zu gehen.
Sie brauchte nur zu sein, wer sie wirklich war.
Anders als Gillian hatte Matt in der Schule keine Probleme; seine Noten waren ganz ordentlich, und er bestand alle wichtigen Tests. Aber er langweilte sich enorm. Um sich bei Laune zu halten, fing er an, während des Unterrichts zu zeichnen. »Ich war ständig am Zeichnen«, erzählte er mir.
»Und ich wurde darin so gut, dass ich zeichnen konnte, ohne hinzusehen, so dass der Lehrer dachte, ich würde aufpassen.« Für Matt war der Kunstunterricht eine Gelegenheit, seiner Leidenschaft mit Hingabe zu frönen. »Wir malten Malbücher aus, und ich dachte, ich werde mich nie darauf beschränken können, dass die Farben innerhalb der Umrisse bleiben. Das war dermaßen ätzend!« Matts Kreativität erreichte eine völlig andere Ebene, als er in die Highschool kam. »Wir hatten Kunstunterricht und die anderen Kinder saßen bloß da, der Kunstlehrer war desinteressiert und die Malutensilien lagen herum; niemand benutzte sie. Also malte ich so viele Bilder, wie ich konnte - dreißig in einer einzigen Stunde. Ich sah mir die einzelnen Bilder an, wie sie wirkten, und dann gab ich ihnen einen Titel. >Delfin im Seetang<, okay! Das Nächste! Ich erinnere mich, dass ich jede Menge Bilder malte, bis sie schließlich merkten, dass ich so viel Papier verbrauchte, dass sie mich stoppten.
Es war so ein Kribbeln - das besondere Gefühl, etwas zu erschaffen, was vorher nicht da gewesen war. Als meine Technik besser wurde, war es witzig, sagen zu können >Hey, das sieht ja wirklich ungefähr so aus, wie es aussehen soll.< Aber dann merkte ich, dass meine Zeichnungen nicht viel besser wurden, also fing ich an, mich auf Geschichten und Witze zu konzentrieren. Ich dachte, das wäre unterhaltsamer.«
Matt Groening, der auf der ganzen Welt als Erfinder der Simpsons bekannt ist, fand seine wahre Inspiration durch die Arbeit anderer Künstler, deren Bilder zwar in technischer Hinsicht keine Meisterwerke waren, aber einen charakteristischen Kunststil mit fantasievollen Geschichten kombinierten. »Es ermutigte mich, wenn ich Leute sah, die nicht zeichnen konnten, aber trotzdem ihren Lebensunterhalt verdienten, zum Beispiel James Thurber. Auch John Lennon war sehr wichtig für mich. Seine Bücher In seiner eigenen Schreibe und Ein Spanier macht noch keinen Sommer sind voll von seinen wirklich lausigen Zeichnungen, und dazu witzige Prosagedichte und verrückte Geschichten. Ich durchlief eine Phase, in der ich versuchte, John Lennon zu imitieren. Auch Robert Crumb hatte sehr großen Einfluss auf mich.«
Matts Lehrer und seine Eltern - sogar sein Vater, der Karikaturist und Filmemacher war - rieten ihm, mit seinem Leben etwas anderes zu machen. Sie schlugen vor, er solle aufs College gehen und sich einen seriöseren Beruf aussuchen. Tatsächlich hatte er bis zum College (in seinem Fall eine unkonventionelle Einrichtung ohne Noten oder feste Klassen) nur einen Lehrer, der ihn wirklich inspirierte. »Meine Lehrerin aus der ersten Klasse bewahrte die Bilder auf, die ich im Unterricht gemacht hatte. Sie bewahrte sie tatsächlich auf, jahrelang. Ich war gerührt, denn sie hat ja mit Hunderten von Kindern zu tun. Sie heißt Elizabeth Hoover. Ich habe eine Figur aus den Simpsons nach ihr benannt.«
Die skeptische Haltung der Autoritätspersonen schreckte Matt nicht ab, weil er im tiefsten Inneren wusste, was ihn wirklich inspirierte.
»Wenn ich als Kind spielte und Geschichten erfand und kleine Figuren benutzte - Dinosaurier und solches Zeug -, wusste ich, dass ich das für den Rest meines Lebens machen würde. Ich sah Erwachsene mit Aktentaschen in Bürogebäude gehen und dachte: >Das kann ich nicht. Eigentlich will ich nur das hier machen.< Die anderen Kinder in meinem Umfeld dachten das Gleiche, aber nach und nach zwitscherten sie ab und wurden seriöser. Für mich ging es immer darum, zu spielen und Geschichten zu erzählen.
Ich wusste, welche Phasen ich durchlaufen sollte - Highschool, College, ein Zeugnis bekommen, in die Welt hinausgehen und einen guten Job antreten. Ich wusste, dass das bei mir nicht funktionieren würde. Ich wusste, dass ich mein ganzes Leben lang Cartoons zeichnen würde.
An der Schule fand ich Freunde, die die gleichen Interessen hatten. Wir hingen zusammen herum und zeichneten Comics, und dann brachten wir sie in die Schule mit und zeigten sie herum. Als wir älter und ehrgeiziger wurden, fingen wir an, Filme zu machen. Es war super. Zum Teil kompensierte es die Tatsache, dass wir uns gesellschaftlich sehr unsicher fühlten. Statt am Wochenende zu Hause zu bleiben, gingen wir aus und machten Filme. Statt freitags abends zum Football-Spiel zu gehen, gingen wir zur örtlichen Universität und sahen uns Underground-Filme an.
Ich beschloss, in Zukunft meinen Lebensunterhalt mit meinem Grips zu bestreiten. Ich glaubte übrigens nicht, dass es funktionieren würde. Ich dachte, ich würde in irgendeinem miesen Job arbeiten und etwas tun, das ich hasste - in einem Reifenlager arbeiten beispielsweise. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet auf ein Reifenlager kam. Ich dachte, ich würde Reifen durch die Gegend rollen und in der Pause Cartoons zeichnen.«
Und dann ergab sich alles ganz anders. Matt zog nach Los Angeles, brachte schließlich seinen Comicstrip Life in Hell bei der Zeitung L.A. Weekly unter und begann sich einen Namen zu machen. Das führte dazu, dass der Fernsehsender Fox ihn aufforderte, für die Tracey Ullman Show kurze Animationen zu zeichnen. Während des Vorstellungsgesprächs bei Fox erfand Matt spontan die Simpsons - ohne vor dem Treffen jemals daran gedacht zu haben. Die Show entwickelte sich zu einer halbstündigen Sendung und läuft inzwischen seit neunzehn Jahren jeden Sonntag auf Fox. Filme, Comic-Bücher, Spielzeuge und zahllose andere Handelsartikel haben sich daraus ergeben. Mit anderen Worten: ein Popkultur-Imperium. All das wäre nicht passiert, hätte Matt Groening auf die Leute gehört, die ihm sagten, er solle eine »ordentliche« Karriere anstreben.
Nicht alle erfolgreichen Menschen hatten eine Abneigung gegen die Schule oder waren dort hoffnungslose Fälle. Der Highschool-Schüler Paul hatte sehr gute Noten, als er zum ersten Mal einen Hörsaal der Universität von Chicago betrat. Ihm war in diesem Moment nicht klar, dass das dazugehörige College eine der weltweit führenden Einrichtungen für das Studium der Ökonomie war. Er wusste nur, dass es nah an seinem Zuhause war. Minuten später war er, wie er in einem Artikel schrieb, »wiedergeboren«. »In der Vorlesung ging es an diesem Tag um die Theorie des Nationalökonomen Robert Malthus, der zufolge menschliche Bevölkerungen sich so lange wie die Kaninchen vermehren, bis die Bevölkerungsdichte pro Einheit Boden den Lohn auf jenes Existenzminimum absenkt, an dem die Sterberate so hoch wie die Geburtenrate ist. Es war so einfach, dieses ganze simple Differenzialgleichungszeugs zu verstehen, dass ich (irrtümlich) annahm, irgendeine mysteriöse Schwierigkeit würde mir entgehen.«
So begann Dr. Paul Samuelsons Leben als Ökonom - ein Leben, das er als »puren Spaß« beschreibt und in dem er als Professor am MIT arbeitete, Präsident der International Economic Association wurde, mehrere Bücher (darunter das meistverkaufte Ökonomie-Lehrbuch aller Zeiten) sowie Hunderte wissenschaftlicher Abhandlungen schrieb - und 1970 als erster Amerikaner den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.
»Als neunmalkluger Jugendlicher war ich immer gut in logischen Manövern und IQ-Tests, bei denen Rätsel gelöst werden mussten. Wenn also die Ökonomie für mich wie geschaffen war, muss man auch sagen, dass ich für die Ökonomie wie geschaffen war. Unterschätzen Sie nie, wie enorm wichtig es ist, dass Sie früh im Leben die Arbeit finden, die für Sie ein Spiel ist. Genau das verwandelt potenzielle Schulversager in glückliche Lebensgewinner.«
Drei Geschichten, eine Botschaft
Gillian Lynne, Matt Groening und Paul Samuelson sind drei ganz verschiedene Menschen mit drei ganz verschiedenen Geschichten. Aber sie verbindet eine unleugbar beeindruckende Botschaft: Alle fanden ein hohes Maß an Erfolg und persönlicher Zufriedenheit, nachdem sie die eine Sache entdeckt hatten, die sie von Natur aus gut konnten und die sie begeisterte. Ich nenne solche Geschichten »Offenbarungsgeschichten«, weil in ihnen etwas passiert, das die Welt in ein »Vorher« und ein »Nachher« einteilt. Die Offenbarungen haben das Leben dieser Menschen grundlegend verändert, ihnen ein Ziel und eine Richtung gegeben und sie beflügelt wie nichts anderes.
Genauso wie die anderen Personen, die Ihnen in diesem Buch begegnen werden, haben die drei geschilderten Menschen für sich das Richtige gefunden: ihr Element, das heißt den Ort, an dem das, was sie gerne tun, und das, was sie gut können, zusammenkommen. Wer in seinem Element ist, hat sein Potenzial erkannt. Es äußert sich bei jedem anders, aber seine Komponenten sind immer die gleichen.
Lynne, Groening und Samuelson haben in ihrem Leben sehr viel erreicht. Aber sie sind nicht die Einzigen, die dazu in der Lage sind. Sie sind etwas Besonderes, weil sie das, was sie gerne tun, gefunden haben und tatsächlich tun. Sie sind in ihrem Element. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen das nicht sind.
Dass Sie Ihr Element finden, ist entscheidend für Ihr Wohlbefinden und letztlich auch für Ihren Erfolg, aufs Ganze gesehen damit also auch für die Gesundheit unserer Organisationen und die Effizienz unserer Bildungssysteme.
Ich glaube felsenfest, dass jeder von uns mehr leisten und glücklicher sein könnte, wenn er sein Element finden würde. Damit will ich nicht sagen, dass in jedem von uns eine Tänzerin, ein Cartoonist oder ein Wirtschaftswissenschaftler steckt, der den Nobelpreis erhält. Ich will sagen, dass jeder von uns charakteristische Talente und Passionen hat, die ihn dazu anregen können, sehr viel mehr zustande zu bringen, als er sich vorstellen kann. Diese Einsicht verändert alles. Und sie ist das Beste und vielleicht Einzige, was uns in einer äußerst ungewissen Zukunft echten und dauerhaften Erfolg verspricht.
Um unser Potenzial zu entdecken, müssen wir unsere einmaligen Begabungen und Leidenschaften finden. Warum ist das vielen von uns nicht gelungen? Vor allem deshalb, weil die meisten Menschen eine sehr begrenzte Vorstellung von ihren natürlichen Fähigkeiten haben. Und zwar in verschiedener Hinsicht.
Erstens haben wir eine begrenzte Vorstellung vom Umfang unserer Fähigkeiten. Wir alle werden mit einem unglaublichen Potenzial an Fantasie, Intelligenz, Gefühl, Intuition, Spiritualität sowie körperlicher und sensorischer Wahrnehmung geboren. Meist nutzen wir nur einen Bruchteil dieser Begabungen, und manche gar nicht. Viele Menschen haben ihr Element nicht gefunden, weil sie ihre Begabungen nicht kennen.
Zweitens ist uns nur teilweise klar, dass all diese Fähigkeiten ganzheitlich zusammenhängen. Häufig nehmen wir an, unser Verstand, unser Körper, unsere Gefühle und unsere Beziehungen zu anderen würden wie getrennte Systeme unabhängig voneinander funktionieren. Viele Menschen haben ihr Element nicht gefunden, weil sie das organische Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile verkennen.
Drittens haben wir eine begrenzte Vorstellung von unserem Entwicklungs- und Veränderungspotenzial. Wir meinen, das Leben würde linear verlaufen, unsere Fähigkeiten würden mit dem Alter abnehmen und verpasste Chancen kämen nie wieder. Viele Menschen haben ihr Element nicht gefunden, weil sie ihr kontinuierliches Erneuerungspotenzial verkennen.
Der begrenzte Blick auf unser Potenzial wird möglicherweise noch weiter eingeengt durch die gesellschaftliche Gruppe, mit der wir uns identifizieren, die Kultur, in der wir leben, und die Erwartungen, die wir an uns stellen. Ein zentraler Faktor für jeden ist jedoch das Bildungssystem.
Einheitsgröße passt nicht jedem
Einige der brillantesten, kreativsten Menschen, die ich kenne, waren Schulversager. Viele von ihnen entdeckten ihre Fähigkeiten - und ihre wahre Identität - erst, als sie die Schule verlassen hatten und sich von ihrer Ausbildung erholten.
Ich bin in Liverpool in England geboren und habe dort in den 1960er Jahren eine Schule namens Liverpool Collegiate besucht. Am anderen Ende der Stadt befand sich das Liverpool Institute. Einer der Schüler dort war Paul McCartney.

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