Dietrich Bonhoeffer: Freiheit hat offene Augen - Eine Biographie

Dietrich Bonhoeffer: Freiheit hat offene Augen - Eine Biographie

von: Josef Ackermann

Gütersloher Verlagshaus GmbH, 2006

ISBN: 9783579071091

Sprache: Deutsch

305 Seiten, Download: 1211 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Dietrich Bonhoeffer: Freiheit hat offene Augen - Eine Biographie



VII. KAPITEL Pfarramt und Kirchenkampf in London (S. 119-120)

Ich bin nicht Deutscher Christ und kann die Sache der Deutschen Christen auch draußen ehrlicherweise nicht vertreten.Dietrich Bonhoeffer an Theodor Heckel 19331

ImAugust 1933 hat Bonhoeffer am »Betheler Bekenntnis« mitgearbeitet, hat an den späteren Überarbeitungen jedoch aus Unmut über die Verwässerung »seines Entwurfs« nicht mehr teilgenommen.2 Seine Enttäuschung darüber – so stellt er es in einem Schreiben an Karl Barth dar – sei auch ein Grund für seinen Weggang nach England gewesen. Er schreibt: »Ein Symptom war mir außerdem noch, daß für das Betheler Bekenntnis, an dem ich wirklich leidenschaftlich mitgearbeitet hatte, so fast garkein Verständnis aufgebracht wurde. Daß mich das nicht persönlich verstimmt hat, glaube ich bestimmt zu wissen; dazu war auch wirklich nicht der geringste Anlaß. Ich wurde einfach sachlich unsicher.«3 Er arbeitete daher an der Veränderung der Fassung nicht weiter mit. Seine Enttäuschung hatte auch noch einen anderen Grund: Bonhoeffer sieht sich in einer ziemlich isolierten Lage im Kreis der Kollegen, die seine unnachgiebige Haltung bei grundlegenden theologischen Entscheidungen, wie zum Beispiel in der Frage der Einführung des »Arierparagraphen« in der Kirche, nicht teilen.

Ein Ausweg aus dieser Situation bietet sich ihm an durch das Angebot zweier deutscher Auslandsgemeinden in London, die dortige Pfarrstelle zu übernehmen. Die Weichen dafür werden schon im Juli 1933 gestellt – ohne kirchenpolitische Beziehungen, wie Bonhoeffer betont. Denn die Anregung, nach London zu gehen, stammt offenbar nicht von dem Oberkonsistorialrat im Kirchenbundesamt in Berlin, Theodor Heckel,4 wie man dem Schreiben entnehmen könnte, das dieser am 19. Juli 1933 an Friedrich Singer schickt. Heckel teilt dem Pfarrer der deutschen Gemeinden Sydenham und St. Paul den Namen des vom Bundesamt vorgesehenen Nachfolgers mit. Das Amt empfiehlt den beiden Gemeinden Dietrich Bonhoeffer. »Es steht«, schreibt Heckel, »für Ihre Nachfolge ein ganz ausgezeichneter jüngerer Geistlicher zur Verfügung. Er ist Studentenpfarrer, war als Austauschstudent bereits in Amerika, dann als Hilfsprediger in Spanien, spricht verschiedene Sprachen und erfüllt außerdem noch, wenn nicht ganz, so doch zur Hälfte, den einen Wunsch, den Sie haben, nämlich daß er zu 50 Prozent Württemberger ist; sein Vater stammt aus Württemberg. Der Herr Kollege kommt in der nächsten Woche … nach drüben und würde sehr gern einmal mit Ihnen Fühlung nehmen … [Die Herren des Kirchenvorstandes] könnten dann einen Eindruck gewinnen von dem Geistlichen, der mir persönlich ganz ausgezeichnet gefällt, und der sich hier auch in den verschiedenen Lagen gut bewährt hat. Daß er unverheiratet ist, kommt außerdem noch als ein besonderer paulinischer Vorzug hinzu.«

Bereits am 31. Juli 1933, wenige Stunden nachdem Bonhoeffer in beiden Kirchen, also Sydenham und St. Paul in London, einen Gottesdienst abgehalten und sich dem gemeinsamen Wahlausschuss vorgestellt hat, wird beim Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss von den beiden Kirchengemeinden beantragt, Dietrich Bonhoeffer zur Übernahme des Pfarramtes nach London zu entsenden.6 Die Kirchenkanzlei des Kirchenbundesamtes fordert ihn daraufhin auf, zum 1. Oktober die beiden Gemeinden zu übernehmen. Bonhoeffer stimmt zu und versucht gleichzeitig, eine Beurlaubung von seiner Dozententätigkeit an der Universität zu erreichen. Wilhelm Lütgert, Professor für Systematische Theologie in Berlin, an dessen Lehrstuhl Bonhoeffer eine Assistentenstelle innehat, beantragt beim Preußischen Wissenschaftsministerium diese Beurlaubung. Für die Fakultät wäre es ein empfindlicher Verlust, wenn Bonhoeffer aus dem Lehrbetrieb ausscheide. Er habe einen großen Lehrerfolg und einen tiefgehenden Einfluss auf die Studentenschaft. Unter den jüngeren systematischen Theologen sei er der Begabteste. Daher sei es berechtigt, wenn Bonhoeffer entsprechend seinem Wunsch nach der Auslandstätigkeit in die akademische Lehre zurückkehren könne, denn er habe eine ausgesprochene Begabung für wissenschaftliches Arbeiten. Im Interesse einer möglichst umfassenden theologischen Bildung als künftiger akademischer Theologe hält Lütgert es für wünschenswert, dass Bonhoeffer auch England kirchlich und theologisch näher kennen lernt. Man solle ihm aber sagen, wenn er ein Urlaubsgesuch einreiche, dass die Regierung seine Arbeit schätze und auf seine künftige Mitarbeit nicht verzichten wolle, sonst bleibe er vielleicht bei der deutschen Gemeinde in England.

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