Cybersurfer - Angriff der Superhirne

Cybersurfer - Angriff der Superhirne

von: Collin McMahon

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783838746678

Sprache: Deutsch

127 Seiten, Download: 2946 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Cybersurfer - Angriff der Superhirne



4B 61 6E 6E 73 74 20 44 75 20 61 20 6C 65 73 65 6E 3F

Mit dieser rätselhaften Zeile ging alles los. Ich war im Chat von hackerblog.de eingeloggt, einer Website für Hacker, Cracker und alle, die sich dafür hielten. Alles ganz harmlos. Meistens ging es nur darum, Links auf Piratensoftware auszutauschen und die neusten Cheatcodes und Cracks für die aktuellsten Computerspiele zu besprechen. Alles Amateure eigentlich. Manchmal so eine scheinheilige Frage wie: »Mein ebuy-Konto ist gehackt worden, wie kann das sein?«, und dann folgte von irgendwem anders eine genaue, detaillierte Anleitung, wie man ein ebuy-Konto knacken kann. Natürlich nur, damit das arme Opfer sich nächstes Mal besser schützen konnte. Oder es kam die Frage, bei welchen Online-Shops man den Code in der Adress-Leiste bei einer Bestellung so verändern könnte, dass der Preis gleich 1 Cent würde. Alles ganz harmlos und meistens auch legal.

4B 61 6E 6E 73 74 20 44 75 20 61 20 6C 65 73 65 6E 3F

Da tauchte diese Zeile auf einmal auf meinem Monitor auf, die die anderen im Chat einfach ignorierten, weil sie ihnen nichts sagte und außerdem nichts mit Call of Duty oder World of WarKraft zu tun hatte. Doch das war es genau, was mich interessiert hat.

»Onkel Tarkan! Guck dir das mal an!« Ich saß nämlich – wie jeden Tag nach der Schule – im Elektronik-Laden von meinem Onkel, im Hinterzimmer zwischen Bauteilen, Lötkolben, Messgeräten und Monitoren, und surfte im Netz. Mein Onkel hatte so einen kleinen Computerladen am Hauptbahnhof, wo es nach Arbeit und Zigaretten riecht und nie ein Mädchen drin gesehen wurde. Hier um den Bahnhof waren früher mal Eisenwarenläden gewesen, jetzt waren es Computerläden. Für Geld gab’s da alles, was man haben wollte.

Onkel Tarkan war ein riesendicker Kerl, der sich über jeden lustig machte, der nicht so viel von Computern verstand wie er. Obwohl er noch nie was studiert hatte, wusste er mehr über Computer als sonst wer auf der Welt, und die User, die in den schicken Läden in der Fußgängerzone nicht weitergekommen waren, brachten ihre PCs zu ihm und ließen sie von ihm reparieren. Nachdem er sich ein bisschen über sie lustig gemacht hatte. Aber das ließen sie mit sich machen. Trotz Zigarettenqualm und blöder Sprüche kamen sie immer wieder zu ihm. Denn Onkel Tarkan war der Beste, der Schnellste und der Billigste.

Für mich war es das Paradies. Meine Mutter hatte einen Putzjob und musste sowieso den ganzen Tag arbeiten, seitdem Papa weg war. Ihr war es auch lieber, dass ich bei Tarkan saß, anstatt mit meinen vierzehn Jahren irgendwo im Bahnhofsviertel mit den ganzen Gaunern, Betrügern und Aufschneidern in irgendeiner Zockerhölle zu hocken. Und sobald ich meine Hausaufgaben fertig hatte, durfte ich bei Tarkan so lange surfen, wie ich wollte. Ich sag ja: einfach das Paradies.

Tarkan war wie immer mit drei Kunden gleichzeitig beschäftigt und hatte noch das Handy am Ohr, als er mir über die Schulter guckte. »Na, wird irgendwas auf Unicode sein. Kannst du überhaupt lesen?«

Nur blöde Sprüche von dem. Unicode. Klar. Das ist die Art, wie Computer Buchstaben in Zahlen übersetzen. Die verstehen nämlich nur Zahlen. Also suchte ich im Netz einen Umwandler, der die Zeile entschlüsseln konnte: 4B ist k, 61 ist a, 6E ist n und so weiter. Am Ende stand da:

Kannst du das lesen?

Oh je, genauso ein Schlaumeier wie mein Onkel, dachte ich mir. Na, was der kann, kann ich schon lang. Ich tippte einen Text in den Unicode-Umwandler und klebte das Ergebnis in das Chat-Fenster:

4E 61 20 6B 6C 61 72 20 64 75 20 42 6C F6 64 6D 61 6E 6E 21

Was so viel bedeutet wie:

Na klar du Blödmann!

Stille. Keine Antwort. Das hatte wohl gesessen. Doch dann kam wieder eine Zeile. Und diese Zeile, die sollte mein Untergang werden. Hätte ich sie doch nie gelesen. Dann wären die ganzen Rechner im Laden von meinem Onkel nicht abgestürzt und Tarkan hätte mir nicht die Ohren lang gezogen und ich hätte nicht alles dransetzen müssen, rauszufinden, wer sich hinter der rätselhaften Nachricht verbarg. Denn die nächste Zeile war nicht verschlüsselt, sondern so unscheinbar gefährlich, wie es nur irgendetwas in der Computerwelt sein kann:

Dann klick mal auf http://www.binhexer.de.

Und das (hätte ich auch mal ahnen können!) war eine Falle. Eine Falle, die mich vom Jäger zum Gejagten machte, vom Hacker zum Gehackten. Nichts ahnend klickte ich auf den rätselhaften Link, denn ich musste mir normalerweise im Internet keine Sorgen machen. Tarkan hatte eine bombensichere Firewall und alle möglichen Virenschutzprogramme, die uns vor bösen Angreifern schützen sollten. Doch das Problem an Virenschutzprogrammen ist, dass sie nur bekannte Viren erkennen können. Und das hier, meine Freunde, war ganz neu. Direkt vom Hersteller sozusagen. Ich merkte aber zuerst gar nichts, weil nämlich zuerst gar nichts passierte.

Was merkwürdig war, denn ein Link, ein solcher URL, verweist immer an einen anderen Server irgendwo. Und der muss eigentlich antworten. Sonst gibt’s eine Fehlerbenachrichtigung, meistens mit der Nummer 404. Überall im Internet sind sogenannte DNS-Server, die sind wie Telefonbücher, die die Adresse www.beispiel.com in eine Zahl umwandeln – in so etwas wie: 208.77.188.166. Das geht mehr oder weniger sofort. Und hat man erst mal die Zahl, die IP-Adresse, dann ist man auch direkt mit dem Webserver des anderen verbunden.

Das war in dem Fall das Problem. Denn wenn man freiwillig einen Link anklickte – so, wie ich das eben getan hatte – dann konnte der andere dir alles Mögliche unterjubeln, per HTTP. Das heißt Hypertext Transfer Protocol und sagt, wie die beiden Computer miteinander sprechen sollen. Aber sobald sie miteinander sprachen, war es praktisch schon zu spät.

Das merkte ich in dem Moment aber leider nicht. Ich merkte bloß, das nichts passierte. Ich klickte den Link noch mal an und wunderte mich. Ich starrte die Adresse an und fragte mich, was es mit dem Namen »Binhexer« auf sich haben könnte.

»Tarkan?«, rief ich meinem Onkel zu, der gerade mit dem Spannungsmesser in der einen Hand, dem Lötkolben in der anderen und einer frischen Zigarette im Mund etwas Unsägliches am Innenleben eines Rechners machte. »Weißt du, was BinHex bedeutet?«

Tarkan setzte sein überlegenstes allwissendes Gesicht auf und zündete sich die Fluppe mit dem Lötkolben an. »Das ist ein Umwandler von Binär in Hex. Kommt vom alten TRS-80, später auf’m Apple II, die verwenden das immer noch«, gab er süffisant bekannt, wobei er wissen ließ, dass diese uralten Kisten irgendwie was Besseres waren, obwohl sie nur einen winzigen Bruchteil der Power unserer modernen Computer hatten. Die musste man sich noch selber zusammenschrauben und löten. So hatte Onkel Tarkan angefangen, als Junge: Unser Opa war noch Schrotthändler gewesen. Frisch aus Anatolien stand er immer vor der Müllkippe, bevor so was »Wertstoffhof« hieß, und die Deutschen ließen sich von ihm ihren Schrott abschwatzen, statt dass sie ihn wegwarfen. Tja, Onkel Tarkan hatte es wirklich weit gebracht – jetzt hatte er seinen eigenen Laden, auch wenn es hier im Laden nicht viel anders aussah als auf dem Schrottplatz.

»Binär« und »hexadezimal«, das kannte ich, das waren so die Grundrechenarten eines Computers. Binär sind die Einser und Nullen, mit denen ein Computer rechnet, weil er nur bis eins zählen kann – da gibt es sozusagen nur »an« oder »aus«. Um höher zu zählen, muss er also ganz viele Einser und Nullen zusammennehmen. Wenn man vier davon nimmt, 0000 oder 1111 oder 1010, konnte man bis sechzehn zählen, das hieß dann hexadezimal.

»Wieso, was treibst du denn da eigentlich?«, fragte Tarkan nun. Er sah, dass ich immer noch gebannt auf den toten Bildschirm starrte, und wurde langsam misstrauisch.

»Kein Ahnung, jetzt hängt er«, versuchte ich, mich aus der Affäre zu ziehen. Aber am Datenbalken unten im Fenster konnte man sehen, dass der Computer nicht hing. Ganz und gar nicht. Er war sehr beschäftigt mit irgendwas. Und das konnte nichts Gutes sein. Wurde mir mit einem Schlag bewusst. Schockiert stürzte sich Tarkan auf die Tastatur und drückte Ctrl-Alt-Delete, die Tastenkombination für Neustart. Da poppte ein Fenster auf und wollte das Administrator-Passwort wissen. Tarkan war so aufgebracht und nervös, dass er reflexhaft sein Kennwort eintippte – und da geschah es. Alle Computer im Laden heulten mit einem Sirenengeräusch los, und auf den Bildschirmen erschien eine Bombe mit brennender Lunte und der Aufschrift »VX«.

»Ach du Sch...«, fluchte Tarkan, der gerade aus Versehen dem mysteriösen Hacker sein Passwort für unser gesamtes Netzwerk verraten hatte. Und Tarkan besaß jede Menge Firmenkunden, bei denen er in die Netzwerke kam und für die er alle Passwörter hatte. Und das wiederum hieß – dass der Hacker die jetzt auch hatte.

Da begannen auch schon im ganzen Laden die Telefone zu klingeln. Onkel Tarkans beide Handys auch. Die Kippe fiel ihm aus dem offenen Mund zu Boden und qualmte dort linoleumstinkend weiter. Er rannte mit bleichem Gesicht zum Sicherungskasten und warf den großen roten Schalter um. Es wurde dunkel. Das einzige Licht war das schwache Abendlicht und das rote Neon vom Bahnhofsviertel vorm Schaufenster. Die Computer gingen alle aus, das Telefon hörte zu klingeln auf. Nur sein Handy bimmelte noch panisch vor sich hin. Im Dunkeln hörte man Tarkan förmlich in sich zusammensacken. Und dann sagte er die schlimmsten Worte, die ich...

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