Mein liebes Seelchen! Briefe von Martin Heidegger an seine Frau Elfride (1915-1970)

Mein liebes Seelchen! Briefe von Martin Heidegger an seine Frau Elfride (1915-1970)

von: Martin Heidegger

Deutsche Verlags-Anstalt, 2005

ISBN: 9783421058492

Sprache: Deutsch

417 Seiten, Download: 3358 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Mein liebes Seelchen! Briefe von Martin Heidegger an seine Frau Elfride (1915-1970)



Freibg. i. B. 9. XII. 15. (S. 20-21)

Liebes Fräulein Petri!

Während ich heute früh zu Ihnen sprach, sah ich, wie Ihr Blick nachdenklich und ernst und beklommen wurde. Der Dienst machte mich eilen u. so mußte ich Sie in einer qualvollen Unruhe lassen.

Nein, Sie können es nicht vergessen haben, was ich Ihnen dankbar anvertraute, daß die wundersam nachdenklichen Stunden für mich ein Ausruhen waren.

Noch viel viel mehr – ich fühlte es mit Ergriff enheit, wie meine Gedanken in Ihrer aufh orchenden Seele weiterschwangen – es liegt wie eine Weihe seitdem in meinem Studierzimmer – und Ihr schlichter Dank – Gott, es war alles so tief ursprünglich – daß mir diese Stunden unvergessen bleiben. Heute weiß ich, daß wir beide an die »Heilige u. ihr Narr« denken mußten; u. wenn wir uns Unruhe bringen, dann ist es jene, der gegenüber Worte ohnmächtig bleiben. Ich bitte Sie, liebes Fräulein Petri, seinen Sie ganz ohne Sorge um mich u. vor allem martern Sie sich nicht selbst mit Vorwürfen, die grundlos sind.

Wenn ich auch etwas überarbeitet bin, erholt habe ich mich bald wieder, weil ich mich plötzlich freuen kann. Was ist es ein köstlich Ding um die Sonne. Ich brauche Ihnen nicht zu begründen, daß Sie kommen sollen – »Seelchen«.

Herzlich grüßt Sie
Ihr dankbarer

Martin Heidegger.

Komm, Seelchen, und ruh Dich an meinem Herzen, ganz tief u. ewig lang will ich in Deine Märchenaugen schauen und Dir danken – Seelchen, Du – immer neue wunderbare Dinge darf ich an Dir erleben – Du bist mein – u. ich soll das unnennbare Glück ertragen, sind meine Hände heilig genug um die Deinen bebend zu umfassen, ist meine durch alle Schauer des Zweifels hindurchgepeitschte Seele der würdige Schrein, um Deine Liebe in Ewigkeit drin wohnen zu lassen.

Das große Glück drückt mich zu Boden – am Ende erleben gerade philosophische Naturen so ungewöhnliches Glück noch in seiner ganzen Fülle. Der Philosoph sieht aller Dinge Letztes, erlebt alles Daseins Urgründe, erschauert in diesem Gottgeboren wundersamen Glück – Seelchen, Du, dieses Wunderbare darf ich nur in jener schmerzlichen Ehrfurcht empfangen, die am End tiefer ist als, was wir Freude nennen; warum weinen oft die Menschen vor Glück? warum mußte ich mich, als ich Dein engelreines, märchendurchsonntes, kinderseligkeitstrunkenes Gedicht gelesen, niederwerfen u. meine Augen schließen? – waren es die Schauer der Ewigkeit, die mir wild durch die Seele jagten u. dann plötzlich jene sturmlose Bergstille in mir zurückließen, in der alle Gegenstände ins Unendliche wachsen?

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