Sauerkrautkoma - Der fünfte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi

Sauerkrautkoma - Der fünfte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi

von: Rita Falk

dtv, 2014

ISBN: 9783423420792

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 2474 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Sauerkrautkoma - Der fünfte Fall für den Eberhofer Ein Provinzkrimi



Kapitel 1


»Wie, München?«, frag ich jetzt erst mal.

»Ja, München halt. Was verstehen S’ jetzt da nicht, Eberhofer?«, sagt der Bürgermeister, ohne sich umzudrehen. Er steht am Rathausfenster und schaut in unseren wunderbaren Hof hinaus.

»Einiges«, sag ich. »Das Wort ›Zwangsbeförderung‹ zum Beispiel. Und das Wort ›Versetzung‹ versteh ich auch nicht. Am wenigsten versteh ich das Wort ›München‹, Bürgermeister. Warum soll ich weg von Niederkaltenkirchen? Die haben doch bestimmt genug Beamte dort in München, die auf die Münchener aufpassen können, oder?«

»Herrschaft, Eberhofer! Die Anordnung kommt von ganz oben, kapiert? Und wenn wir einmal ehrlich sind, dann haben die doch seinerzeit diesen Posten hier bei uns im Rathaus eigentlich nur für Sie erfunden, Mensch. Was wär denn sonst aus Ihnen geworden – nach Ihren delikaten Verfehlungen damals, Eberhofer. Hä? Aber jetzt stehen die Dinge ja anders. Komplett anders, würd ich mal sagen. Sie haben ja direkt eine Karriere gemacht, eine ganz erstklassige, hähä. Und drum haben die vom Präsidium halt gemeint, dass man einen so dermaßen engagierten Polizeibeamten, der quasi jedes Jahr einen verzwickten Mordfall aufklärt, dass man den doch nicht so einfach in der Provinz versauern lassen kann, oder? Nein, der muss raus in die Welt, direkt ins Zentrum des Verbrechens sozusagen. Um dieses dann gleich im Keim zu ersticken, gell.«

»Soso, ins Zentrum des Verbrechens also. Ja, und wer bitte schön passt dann auf unsere Niederkaltenkirchner auf, wenn die Frage gestattet ist?«

»Hähä, die Niederkaltenkirchner halt. Ja, mei, Eberhofer, das ist so eine Sache, gell. Die vom Präsidium, also die haben gemeint, ein ganzer Polizeibeamter, der wär für ein Kaff, wie wir es sind, ohnehin zu viel. Weil, wenn wir einmal ehrlich sind, so arg viel passiert ja auch wirklich nicht hier.«

»Sieben Morde, eine Amoklage, eine Geiselnahme, ein entflohener Psychopath, das Köpfl vom Höpfl, die Sache mit dem Barschl und dem Hirschfänger …«

»Schluss jetzt, Eberhofer. Ich hab die Regeln nicht gemacht. Anordnung von ganz oben, wie gesagt. Außerdem, schauen S’ her, hier sind die Unterlagen, da hat Sie der Polizeipsychologe – Wie heißt der gleich noch? – wissen S’ schon, der, der Sie seinerzeit für plemplem erklärt hat, ja, der hat Sie praktisch vollkommen rehabilitiert. Da, schauen S’ selber«, sagt er weiter und drückt mir einen Ordner in die Hand.

»Der Spechtl?«

»Genau! Der Dr. Dr. Spechtl. Und was machen S’ eigentlich für ein Gestell? Freuen sollten Sie sich. Es ist eine Ehre, was Ihnen da widerfährt, und jeder andere Kollege würde stolz und dankbar sein, Menschenskinder. München! Weltstadt mit Herz«, sagt der Bürgermeister ganz versonnen, und dann ist er still. Ich hock auf seinem Schreibtisch, die Arme ein bisschen bockig verschränkt, und schau ihn eine Weile abwartend an. Aber nix. Scheinbar fällt ihm jetzt vor lauter Stolz und Dankbarkeit auch nichts mehr ein.

Plötzlich fliegt die Tür auf, und die Oma stürmt rein.

»Gott sei Dank, da bist du ja, Bub«, schreit sie und saust direkt auf mich zu. »Servus, Bürgermeister!«

»Grüß Sie Gott, Frau Eberhofer«, sagt der Bürgermeister und gibt ihr artig die Hand.

»Was machst denn du da, Oma?«, frag ich und zuck dabei mit den Schultern, um rein optisch ihr akustisches Defizit auszugleichen.

»Mei, Franz, es ist was Furchtbares passiert. Wirklich ganz furchtbar«, sagt sie und lässt sich in einen Bürostuhl plumpsen. Herrjemine, es wird doch diese miese Grippe, die den Papa schon seit Tagen quält, nicht für seinen Abgang gesorgt haben?, schießt es mir jetzt so durch den Kopf. Aber die Oma erlöst mich umgehend von dem Gedanken. Erst bin ich erleichtert, aber nur kurz. Weil: Was sie dann erzählt, ist keinen Deut besser. Mein heiß geliebter Bruder, der Leopold, der hat sich nämlich urplötzlich von seiner Gattin getrennt. Was eigentlich gar nicht so furchtbar ist, zumindest nicht für die Panida. Die ist nämlich eine total liebe kleine Thaifrau. Nein, die eigentliche Katastrophe ist, dass der Leopold nun gedenkt, bei uns daheim Einzug zu halten! Das ist vollkommen unerträglich. Zumindest für mich. Aber das muss ich kurz erklären. Also: So eine Familie ist ja an und für sich schon gar nicht so einfach. Da ist der eine zum Beispiel schwerhörig oder der andere sogar drogensüchtig. Oder einer hat meinetwegen einen ganz miesen Musikgeschmack, den er dazu noch erst ab einer gewissen Lautstärke befriedigen kann. Ja, so ist das halt mal. Und dann gibt es in fast jeder Familie so was wie ein schwarzes Schaf. Bei uns ist es ein Hammel. Und zwar eben der Leopold. Der Leopold, der ist ein Buchhändler. Gut, das allein spricht ja noch nicht gegen ihn. Aber er hat halt ständig Probleme mit seinen Weibern. Sein Problem? Stimmt. Aber dann ist er eben auch noch so eine dreckige Schleimsau vor dem Herrn. Das kann man kaum ertragen, wirklich. Besonders, was den Papa angeht. Weil sagen wir einmal so: Würde ich dem Papa mal in den Arsch kriechen wollen (was gar nicht so meine Art ist), dann könnt ich da gar nicht erst rein, weil der Leopold schon drinsteckt. Das aber nur so am Rande. Damit man halt weiß, warum die Vorstellung, dass er bei uns einzieht, keine Begeisterungsstürme in mir weckt.

»Ja, und überhaupt, was soll denn nun aus der Kleinen werden?«, fragt die Oma und wischt sich mit der Hand über die Augen. »Was wird nur aus unserer kleinen Uschi?« Dann kramt sie ihren Geldbeutel aus der Schürzentasche und holt ein Foto hervor.

»Mein allererstes Urenkerl, Bürgermeister«, sagt sie weiter und hält dem verwirrten Amtmann das Bild unter die Nase. Er betrachtet es aufmerksam und nickt mitfühlend.

»Du, Oma, da reden wir hernach daheim drüber, gell. Geh du schon mal vor, ich komm auch gleich nach«, sag ich, hake sie unter und bring sie zur Tür. Sie versteht mich auf Anhieb und verabschiedet sich. Draußen im Gang scheint sie noch auf jemanden zu treffen. Wer genau da infrage kommt, kann ich durch die geschlossene Tür nicht vernehmen. Nur, dass es eine große Freude ist, das kann jeder im Rathaus hören, so wie sie durch die Rathausgänge schreit.

»Ja«, sag ich, wie endlich wieder Ruhe einkehrt. »Sie sehen’s ja selber, Bürgermeister, ich muss mich jetzt erst mal um die Oma kümmern.«

»Warten S’ kurz noch, Eberhofer«, ruft er und eilt zum Ausgang. Er stellt sich dann mit ganz breiten Schultern davor, grad so, als wär er einer dieser Schwabinger Türsteher. »Ich muss Ihnen schnell noch etwas zeigen. Ähm«, sagt er ziemlich leise und räuspert sich ausgiebig. »Vielmehr jemanden. Ich muss Ihnen jemanden zeigen.«

»Nur zu!«, sag ich aufmunternd.

Etwas zögerlich öffnet er schließlich die Tür, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Sein rechtes Lid zuckt. Ich schau ihn kurz an und dann hinaus in den Korridor. Der Simmerl Max lehnt dort leicht verklemmt an der Wand. Max’ ganzer Schädel ist feuerrot, aber die Pickel, die in den letzten Jahren dort hartnäckig ansässig waren, sind offensichtlich auf dem Rückzug.

»Max? Du hier? Und was soll das werden, wenn’s fertig ist?«, frag ich und schau etwas ratlos zwischen den beiden Gestalten hin und her. Und irgendwie ereilt mich der Eindruck, die zwei würden jetzt gerne im Erdboden versinken. Vielleicht muss man dazu sagen: Der Max, das ist der Sohn vom Simmerl. Und der Simmerl, das ist nicht nur der Metzger meines Vertrauens, sondern auch noch ein Freund von mir. Ich fass es nicht! Die haben das alles schon eingetütet, noch bevor …?!

»Ich … also, ich soll hier … also, der Papa, der hat nämlich gemeint, wo doch jetzt sowieso die Stelle …«

»Also, der Maximilian«, unterbricht ihn der Bürgermeister und tupft sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Ja, der soll in Zukunft ein kleines bisserl hier bei uns aufpassen, verstehen S’?«

»Nein«, sag ich, weil ich’s wirklich nicht tu.

»Ja, hähä, der ist sozusagen, ja, wie soll ich das beschreiben? Also, der Maximilian, der ist praktisch ungefähr so etwas in der Art wie vielleicht etwa Ihr Nachfolger quasi, könnte man beispielsweise sagen«, murmelt der Bürgermeister so mehr vor sich her und räuspert sich ganz ausgiebig.

»Hey, kommt, Herrschaften, wo ist diese versteckte Kamera, verdammt«, sag ich und schau mich um. »Ihr habt schon noch alle Teller im Büfett? Der Max, das ist doch kein Bulle, Mensch! Der muss doch erst mal trocken werden hinter den Ohren. Worauf soll der denn bitte schön aufpassen? Dass er sich nicht einnässt, oder was?« Ich bin jetzt einigermaßen aus dem Häuschen, muss ich schon sagen.

Der Schädel vom Metzgerbub droht zu zerplatzen.

»Ziviler Sicherheitsdienst nennt sich das, Eberhofer. Es ist ja auch mehr so der Form halber, verstehen S’. Der Max, der kriegt Ihr Büro und macht ein bisschen Schreibkram, was halt so anfällt, gell. Und wenn dann tatsächlich mal was Richtiges passiert, also was Kriminelles praktisch, ja, dann ruft er einfach die Kollegen in Landshut an. Und fertig. Das ist alles. Mehr hat er eigentlich gar nicht zu tun, der Max.«

Meine zwei Gesprächspartner fixieren jetzt äußerst konzentriert unseren rathauseigenen Fußboden. Und ich, ich versuche krampfhaft, meine Gedanken zu sortieren. Der Simmerl Max! Dann muss dieser Grünschnabel ja lang vor mir von den gemeindeinternen Umbesetzungsmaßnahmen gewusst haben. Und der Simmerl, wo ich dachte, dass der mein Freund ist, auch. Womöglich war sogar dieses ganze verkackte Kaff hier bereits informiert, bevor ich es selber...

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