Einführung in die Festkörperphysik

Einführung in die Festkörperphysik

von: Philip Hofmann

Wiley-VCH, 2013

ISBN: 9783527674657

Sprache: Deutsch

250 Seiten, Download: 6531 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Einführung in die Festkörperphysik



1


Chemische Bindung in Festkörpern


In diesem Kapitel befassen wir uns mit verschiedenen Mechanismen, die zu einer Bindung zwischen Atomen führen, sodass daraus ein Festkörper entsteht. Dabei werden wir verschiedene Fälle betrachten: ionische Bindung (Ionenbindung), kovalente Bindung (Atombindung) und metallische Bindung (Metallbindung). Im Kopf sollten Sie aber immer behalten, dass diese Bindungstypen nur idealisierte Grenzfälle sind. Oft begegnen uns gemischte Bindungen, wie eine Kombination aus metallischer und kovalenter Bindung bei den Übergangsmetallen.

Wie in der herkömmlichen Chemie sind nur eine begrenzte Anzahl aller Elektronen am Aufbau der Bindung beteiligt. Diese sogenannten Valenzelektronen sind die Elektronen, die sich in den äußeren Schalen (bzw. der äußersten Schale) eines Atoms befinden. Die Elektronen in den inneren Schalen sind so eng an den Kern gebunden, dass sie die Anwesenheit anderer Atome in ihrer Umgebung gar nicht spüren.

1.1 Anziehende und abstoßende Kräfte


Damit in einem Festkörper oder in einem Molekül eine Bindung aufgebaut werden kann, müssen zwei verschiedene Kräfte wirken. Eine anziehende Kraft ist für jede Bindung notwendig. Verschiedene Arten von Anziehungskräften werden wir gleich diskutieren. Es muss aber auch eine abstoßende Kraft wirken, die verhindert, dass sich die Atome zu nahe kommen. Ein möglicher Ausdruck für ein zwischenatomares Potential ist daher

(1.1)

mit n > m, d. h. für kurze Abstände muss der abstoßende Teil vorherrschen (manchmal wird das auch durch die Annahme eines exponentiell fallenden abstoßenden Potentials erreicht). Ein solches Potential und die zugehörige Kraft sind in Abbildung 1.1 dargestellt. Hinter der starken Abstoßung für kleine Abstände steckt das Pauli-Prinzip. Wenn sich die Elektronenwolken zweier Atome stark überlappen, müssen sich die Wellenfunktionen so ändern, dass sie orthogonal zueinander sind, denn das Pauli-Prinzip verbietet, dass sich mehr als zwei Elektronen in demselben Quantenzustand befinden. Die Orthogonalisierung kostet viel Energie, daher die starke Abstoßung.

Abbildung 1.1 (a) Ein typisches zwischenatomares Potential für die Bindung in Festkörpern gemäß (1.1) mit n = 6 und m = 1. (b) Resultierende Kraft, d. h., gradφ(r).

1.2 Ionische Bindung (Ionenbindung)


Bei der Ionenbindung findet ein Elektronentransfer von einem elektropositiven Atom zu einem elektronegativen Atom statt. Die Bindungskraft ist die Coulomb-Anziehung zwischen den beiden resultierenden Ionen. Die Ionisation der beiden Atome kostet üblicherweise etwas Energie. Bei NaCl ist die Ionisationsenergie von Na gleich 5,1 eV, die Elektronenaffinität von Cl ist aber nur 3,6 eV. Für die Bildung eines Ionenpaares müssen daher insgesamt 5,1 3,6 = 1,5 eV aufgebracht werden. Der Energiegewinn ergibt sich aus dem Coulomb-Potential. Für ein einzelnes Na-Ion und ein einzelnes Cl-Ion in einem Abstand von a = 0,28 nm ist das Coulomb-Potential −e2/ε0a gleich 5,1 eV.

Gleich werden wir auch Potentialenergien für komplizierte Strukturen untersuchen. Dabei ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Energiebeiträgen zu unterscheiden: Die Kohäsionsenergie ist die Differenz zwischen der Energie eines Festkörpers und der Energie seiner einzelnen Atome. Bei einem Festkörper mit Ionenbindung lässt sich die Energie aus der Gitterenergie, also dem elektrostatischen Energiegewinn beim Zusammenbau des Gitters, sowie aus der Ionisationsenergie und der Elektronenaffinität der Atome berechnen.

1.3 Kovalente Bindung (Atombindung)


Die kovalente Bindung beruht darauf, dass sich zwei verschiedene Atome tatsächlich ein Elektron teilen. Der einfachste Fall ist der eines Wasserstoffmoleküls, den wir gleich quantitativ diskutieren. Bei Festkörpern findet man die kovalente Bindung oft bei Elementen mit einer im Wesentlichen halb gefüllten äußeren Schale. Ein berühmtes Beispiel ist Kohlenstoff, der als Diamant oder als Graphit vorkommt. Es gibt aber auch komplexe Moleküle mit kovalenter Bindung, wie Buckminster-Fullerene C60 oder Kohlenstoffnanoröhren. Die kovalenten Bindungen im Diamanten sind aus einer Linearkombination des 2s-Orbitals und dreier 2p-Orbitale konstruiert. Aus dieser Linearkombination ergeben sich vier sogenannte sp3-Orbitale, die in einer tetraedrischen Konfiguration aus den Kohlenstoffatomen herausragen. Im Graphit wird das 2s-Orbital mit nur zwei 2p-Orbitalen kombiniert. Daraus ergeben sich drei sp2-Orbitale, die alle in einer Ebene liegen und miteinander Winkel von 120° einschließen, sowie ein p-Orbital, das senkrecht zu dieser Ebene orientiert ist. Schon diese Linearkombination von Orbitalen offenbart ein wichtiges Merkmal der kovalenten Bindung: Sie ist stark gerichtet. Außerdem ist sie sehr stabil, denn die Bindungsenergien liegen im Bereich von einigen Elektronenvolt.

Ein sehr lehrreiches Beispiel für eine kovalente Bindung ist das Wasserstoffmolekül H2, für das wir die Lösung hier skizzieren. Wir werden so weit ins Detail gehen, wie für die nachfolgenden Kapitel notwendig. Wir gehen von zwei Wasserstoffatomen aus, deren Kerne sich bei RA und RB befinden, ihr Abstand sei |RB − RA| = R. Natürlich kennen wir die Lösung der Schrödinger-Gleichung für jedes der beiden Atome. Diese Grundzustands-Wellenfunktionen wollen wir mit ΨA und ΨB bezeichnen. Den Hamilton-Operator des Wasserstoffmoleküls können wir dann als

(1.2)

schreiben. Dabei sind r1 und r2 die Koordinaten der Elektronen, die zum Kern A bzw. zum Kern B gehören. Die ersten beiden Terme beschreiben die kinetische Energie der beiden Elektronen. Die Operatoren und wirken nur auf die Koordinaten r1 bzw. r2. Der elektrostatische Term beschreibt die Abstoßung zwischen den beiden Kernen und die Abstoßung zwischen den beiden Elektronen sowie die Anziehung zwischen den Elektronen und den Kernen.

Die Lösung dieses Problems ist nicht einfach. Ohne die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen würde sie sich stark vereinfachen, denn dann ließe sich der Hamilton-Operator als zweiteilige Summe schreiben mit jeweils einem Term pro Elektron. Die Lösung der zugehörigen Schrödinger-Gleichung wäre dann ein Produkt der beiden Einteilchen-Wellenfunktionen zu den beiden einzelnen Hamilton-Operatoren. Die Zweiteilchen-Wellenfunktion hätte dann die Form Ψ(r1, r2) = ΨA(r1)ΨB (r2). Allerdings ist dies nicht ganz richtig, weil eine solche Wellenfunktion nicht mit dem Pauli-Prinzip vereinbar ist. Elektronen sind Fermionen. Also muss die Gesamtwellenfunktion bezüglich eines Austauschs der Teilchen antisymmetrisch sein – eine Forderung, die diese einfache Produkt-Wellenfunktion nicht erfüllt.

Die Gesamtwellenfunktion setzt sich aus einem räumlichen Teil und einem Spinteil zusammen. Daher gibt es für die Konstruktion einer antisymmetrischen Wellenfunktion zwei Möglichkeiten. Wir können entweder einen symmetrischen räumlichen Teil und einen antisymmetrischen Spinteil verwenden oder einen antisymmetrischen räumlichen Teil und einen symmetrischen Spinteil. Die räumliche Wellenfunktion können wir also folgendermaßen konstruieren:

(1.3)

(1.4)

Das Pluszeichen in (1.3) liefert eine symmetrische räumliche Wellenfunktion für eine antisymmetrische Spinwellenfunktion mit Gesamtspin gleich null (den sogenannten Singulett-Zustand); das Minuszeichen liefert eine antisymmetrische räumliche Wellenfunktion für eine symmetrische Spinwellenfunktion mit dem Gesamtspin gleich 1 (den sogenannten Triplett-Zustand).

Die antisymmetrische Wellenfunktion (1.4) verschwindet für r1 = r2, die beiden Elektronen können sich also nicht gleichzeitig am selben Ort befinden. Dies führt zu einer Verringerung der Elektronendichte zwischen den Kernen und somit zu einem Antibindungszustand. Im symmetrischen Fall haben die Elektronen dagegen entgegengesetzte Spins und können sich gleichzeitig am selben Ort befinden, was zu einer Ladungshäufung zwischen den Kernen und somit zu einem Bindungszustand führt (vgl. Abbildung 1.2).

Eine Methode zur näherungsweisen Berechnung der Eigenwerte von (1.2) wurde im Jahr 1927 von W. Heitler und F. London vorgeschlagen. Die Idee ist, die bekannten 1s-Einteilchen-Wellenfunktionen für atomaren Wasserstoff ΨA und ΨB zu verwenden und daraus eine Zweielektronen-Wellenfunktion Ψ(r1, r2) zu bilden, die entweder durch (1.3) oder durch (1.4) gegeben ist. Eine obere Grenze für die Eigenwerte zur Grundzustandsenergie können wir dann...

Kategorien

Service

Info/Kontakt