Schumpeters Reithosen

Schumpeters Reithosen

von: Paul Strathern

Campus Verlag, 2003

ISBN: 9783593372938

Sprache: Deutsch

332 Seiten, Download: 989 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Schumpeters Reithosen



6 Schöne neue Welten (S. 157-158)

Im Jahr 1815, mitten in der Debatte um die Korngesetze, erklärte ein Mitglied des Londoner Parlaments mit scharfsichtigem Zynismus: "Der Arbeiter interessiert sich nicht für die Frage, ob der Preis 84 oder 105 Schilling pro Quarter beträgt, er bekommt im einen wie im anderen Fall trockenes Brot." Der Mann hieß Alexander Baring und war der Sohn des Gründers der exklusiven Barings Bank, des einzigen ernsthaften Konkurrenten der Rothschilds in der Londoner City.

(Fünfundsiebzig Jahre später gerieten die Barings in eine Liquiditätskrise, und die Bank von England verhinderte den Zusammenbruch, indem sie für die Schulden in Höhe von 21 Millionen Pfund bürgte. Das Bankhaus konnte seine führende Rolle auf dem englischen Kapitalmarkt weiter behaupten und baute sie sogar weiter aus. Weitere 100 Jahre später tat sich ein "schwarzes Schuldenloch" auf - verursacht durch Inkompetenz und durch den betrügerischen Broker Nick Leeson. Diesmal lehnte es die Bank von England ab, erneut öffentliche Gelder zu verschwenden - einer der Berater der Bank von England soll Alexander Barings harschen Satz zurückgegeben haben: "Die Bank von England interessiert sich nicht für die Frage, ob die Schulden von Barings 21 Millionen oder 21 Milliarden betragen - im einen wie im anderen Fall bekommt Barings trockenes Brot." Barings ging pleite: Hochmut kommt vor dem Fall.)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch waren viele nicht bereit, so lange auf die Gerechtigkeit zu warten. Auch wenn die Armen trockenes Brot essen mussten, so hatten sie doch durchaus ein Interesse an den wirtschaftlichen Abläufen. Die Wirtschaftswissenschaft entwi- ckelte sich weitgehend unabhängig weiter. Smith, Ricardo und andere hatten scharfsichtige Theorien über die Mechanismen der Ökonomie und deren Verbesserung entwickelt, unter ihnen die unsichtbare Hand, der Freihandel und die komparativen Vorteile. Aber sie konnten keinen zwingenden Grund nennen, warum sich die Wirtschaft tatsächlich in dieser Weise weiterentwickeln sollte. Die industrielle Revolution hatte vielen Menschen Armut und Not gebracht und nur einigen wenigen unverhältnismäßig große Reichtümer beschert. In den Bergwerken zogen zerlumpte Frauen und Kinder Kohlewagen und schufteten auf allen Vieren in der stickigen Dunkelheit der engen unterirdischen Schächte.

Währenddessen empfing der Prinzregent in dem mit orientalischen Exotica eingerichteten Royal Pavilion am Meer unweit Brightons Mrs. Fitzherbert und Beau Brummel zu einem fünfzehngängigen Dinner - Himmel und Hölle einer Welt, wie sie von Charles Dickens eindrucksvoll beschrieben wurde. Es musste doch bessere Wege geben, um den Lauf der Welt zu gestalten. Jetzt begannen sich Wirtschaftstheoretiker über Alternativen Gedanken zu machen, die teils praktikabel, teils aber auch schlichtweg verrückt waren. Als Mensch kam Saint-Simon der letztgenannten Kategorie gefährlich nahe. Andererseits waren seine Gedanken zur Ökonomie zum größten Teil originell und human. Saint-Simons unsystematische Methode ließ Spielraum für die unterschiedlichsten Deutungen.

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