Birkenbihl on Management

Birkenbihl on Management

von: Vera F. Birkenbihl

Econ Verlag, 2005

ISBN: 9783430112031

Sprache: Deutsch

281 Seiten, Download: 3051 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Birkenbihl on Management



Modernes Management

1841 ereignete sich ein Zugunglück der Western Railroad in Amerika, dabei starben zwei Personen, 17 weitere wurden verletzt. Dies war (nach Peter R. SCHOLTES) das erste Eisenbahnunglück.Die Besitzer der Zuglinie waren entsetzt, verstört, verzweifelt. Man bildete ein Gremium, das von einem Marshall (also einem professionellen Soldaten) geleitet wurde. Noch nie in der gesamten Menschheitsgeschichte davor hatte es je eine vergleichbare Situation gegeben. Der Schock war durchaus vergleichbar mit dem, den wir drei Generationen später empfanden, als wir erfuhren, daß am 11. September 2001 zivile Flugzeuge als Bomben eingesetzt worden waren. Es ist aus heutiger Sicht kaum nachzuvollziehen, wie groß damals das Entsetzen, die Panik und die Unsicherheit waren, aber diese Situation war vollkommen neu! Normalerweise blicken wir in Krisen in die Vergangenheit und fragen uns, wie andere in ähnlichen Situationen vorgegangen sind, aber wenn es keinen Vergleich gibt, fühlt man sich hilflos, ausgesetzt, unfähig zu entscheiden – ohne Kontrolle. Denn die Menschen hatten in der Vergangenheit anders gearbeitet: Ob auf einer Farm, wo jeder jeden sehen und man sich Kommandos zurufen konnte, oder ob Mitglieder von nomadisierenden Hirtenstämmen mehrmals im Jahr die Zelte abbrechen und weiterziehen – hier hat jeder seinen klar umrissenen Auftrag. Auch moderne Fabrikationswerkstätten und die klassischen Handwerksbetriebe: Immer arbeiten überschaubare Gruppen relativ dicht an Projekten, so wie das heute in kleineren mittelständischen Betrieben immer noch der Fall ist. Das heißt: Seit Menschengedenken galt: Entweder man arbeitete unter einem „patriarchalischen" Führungsstil, dann wurde die ganze Gruppe (Sippe oder der Stamm) von einem oder einigen wenigen „gemanagt" (das Management war relativ zentral). Oder es gab klare Rollen für jedes Gruppenmitglied, die oft von Vater oder Mutter auf Sohn oder Tochter übergingen. Man kannte eine jahrtausendealte Form der Selbst-Organisation (was moderne Führungskräfte oft vollkommen überrascht). Nur in Krisenzeiten griff ein Ältestenrat, ein Wahrsager, ein Schamane o.ä. ein, wie bei Fischern an Meeresküsten, in der tibetischen Hochebene, bei den Pygmäenvölkern in der Kalahari-Wüste oder den Aborigines in Australien. Auf die einzige Ausnahme (das Militär) kommen wir gleich zurück; aber das Arbeitsleben von Zivilisten war bislang entweder zentral geführt oder selbst-organisierend abgelaufen.
Dies hatte sich jedoch im beginnenden Industrie-Zeitalter, also zur Zeit jenes Western-Railroad-Zugunglücks, dramatisch verändert, denn man hatte begonnen, unzählige Leute aus ihrer Heimat in die wachsenden Industrie-Zentren der (westlichen) Welt zu holen. Dies schaffte erstmals in der Menschheitsgeschichte die Situation, daß die Mehrheit der ArbeiterInnen in ihren (oft neuen, davor nie dagewesenen) Tätigkeiten angeleitet werden mußten.
Im Falle einer Krise blickt der Mensch auf vergleichbare Situationen. Er fragt sich, wie andere Menschen in ähnlichen Umständen damit umgegangen sind, wie sie vergleichbare Probleme gelöst oder, noch wichtiger, für die Zukunft verhindert haben. Aber bei der allerersten Krise beginnt man bei null. Im nachhinein sehen wir solche Augenblicke gern als „Geburtsstunden" (in diesem Fall des modernen Managements; damals wurde auch der Begriff „Manager" erfunden). Es begann also mit jenem Gremium, dem ein Militär vorstand. Denn das Militär war die einzige Ausnahme der oben beschriebenen Arten, wie Menschen zusammen arbeiteten und lebten: Auch beim Militär mußten Leute (schnell) zu ihnen vorher unbekanntem Verhalten angeleitet werden, auch hier waren Fehler (lebens-)gefährlich. Daher hatte man seit Urzeiten eine straffe Befehl-und-Gehorsam-Struktur entwickelt. Eine der ersten Beschreibungen finden wir im zweiten Buch Mose. Damals wußte man bereits, daß zu große Gruppen nicht mehr geführt werden können, deshalb arbeitete man in Zehner-Gruppen: Zehn Soldaten hatten einen Gruppenführer, 10 Gruppenführer leiteten zusammen also 100 Männer und unterstanden einem weiteren Führer. 10 von ihnen hatten 1000 Mann unter sich etc.
Das war das einzige PARADIGMA (s. Seite 223 ff.), das man kannte, um große Gruppen von Menschen, die fern von der Heimat gemeinsam an einer Sache arbeiten sollten, zu leiten. Also erstaunt es uns vielleicht nicht so sehr, daß just, als das Industrie-Zeitalter „erwachsen wurde", das militärische Paradigma zur Grundlage dessen wurde, was wir heute Menschenführung nennen.

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